Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich mit einem Zitat beginnen: „Die Schöpfungserzählungen der Bibel sind keine naturwissenschaftlichen Texte, sondern Glaubensaussagen.“
Dieses Zitat ist der erste Satz im hessischen Lehrplan für den Religionsunterricht im Gymnasium der fünften Klasse zum Lernschwerpunkt biblisch-christliche Tradition und Schöpfungsglaube.
Ich will es noch einmal wiederholen: „Die Schöpfungserzählungen der Bibel sind keine naturwissenschaftlichen Texte, sondern Glaubensaussagen.“
Das ist eigentlich alles, was man der Ministerin zu ihrem Denkanstoß, die Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht zu behandeln, entgegenhalten kann: Halten Sie sich an Ihre eigenen Lehrpläne, Frau Ministerin.
Ich finde, von einer Kultusministerin im Jahre 2007 kann und muss erwartet werden, dass sie nicht hinter die Zeiten der Aufklärung und des Kirchenkampfes des 19. Jahrhunderts und auch nicht hinter die zeitgemäße theologisch fundierte Exegese der Bibel zurückfällt.
Meine Damen und Herren, wir haben uns im Landtag schon oft kritisch mit fundamentalistischen Positionen auseinandergesetzt. Für uns gehören islamische Kopftücher und andere demonstrativ getragene religiöse Symbole genauso wenig an die Schule wie an Richtertische. Meine Damen und Herren, aber auch anderer Fundamentalismus, wie z. B. der der Kreationisten, gehört nicht an hessische Schulen.
Frau Ministerin, anstatt sich klar abzugrenzen, machen Sie mit Ihrem Vorschlag einen großen Schritt auf genau diese Menschen zu.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ministerin Karin Wolff: Genau nicht! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das Gegenteil!)
Doch. Ihre These von der erstaunlichen Übereinstimmung der Schöpfungsgeschichte mit der Evolutionslehre ist nicht nur fragwürdig, sie ist haltlos.
Sie haben zwar erklärt, dass Sie mit den Tatsachenberichten der Kreationisten nicht übereinstimmen. Deren Auslegung ist inakzeptabel. Aber warum öffnen Sie dann genau diesen die Türen zu unseren Biologiesälen in Hessen?
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das werden wir Ihnen gleich erklären!)
Warum haben Sie nicht die Schulen in die Schranken gewiesen, die das im letzten Jahr in ihren Unterricht einfließen ließen?
Meine Damen und Herren, der französische Abgeordnete Guy Lengagne macht in seinem Bericht vom Juni bei der Europäischen Union Ausführungen über die Gefahren des Kreationismus in der Bildung.Als einziges Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland wird das hessische Bundesland angeführt, meine Damen und Herren.
Natürlich ist es richtig, dass wir uns mit den geistigen und religiösen Wurzeln auch in der Schule auseinandersetzen. Aber das gehört in den Religionsunterricht, das gehört in den Ethikunterricht, aber das gehört doch keinesfalls in den Biologieunterricht, und es rechtfertigt nicht die Gleichsetzung von Bibel und Naturwissenschaften.
Wollen Sie ernsthaft so etwas im Biologieunterricht diskutieren wie die folgende Aussage der Kreationisten: „Der Zeitpunkt der Schöpfung ist der 23. Oktober 4004 v. Chr., und damit ist die Erde 6.000 Jahre alt“?
Sollen wir das als Wurzel abendländischer Kultur im Biologieunterricht diskutieren, meine Damen und Herren?
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das Gegenteil sagt die Frau Kultusministerin! Sie haben nichts verstanden!)
Dann sagen Sie: fächerübergreifendes Lernen. Ich halte das für ein nachgeschobenes Argument, um Ihrem Vorschlag noch den Hauch einer Rationalität zu geben.
Wenn wir dieses Argument „fächerübergreifendes Lernen“ ernst nehmen, dann sage ich Ihnen: Da wird beim Religionsunterricht die Frage der Trennung von Kirche und Staat wirklich tangiert. Die Hessische Verfassung legt ausdrücklich Wert darauf, dass Religion ein ordentliches Lernfach ist.Weiter sieht die Verfassung vor,dass über die Teilnahme am Religionsunterricht von den Eltern entschieden wird.
Aber über was die Eltern nicht entscheiden können, ist die Teilnahme am Biologieunterricht, und deshalb darf das dort auch keinen Eingang finden.
Das Recht auf Religionsausübung schließt auch das Recht ein, sich religiösen Einflüssen zu entziehen, meine Damen und Herren.Als Parlament haben wir nicht nur die christlich-humanistische Tradition zu achten, sondern auch die Religion derer, die nicht christlich sind, oder die Aussichten derer, die gar keiner Religion angehören. Deshalb darf das keinen Einfluss im Biologieunterricht haben.
Die Schöpfungsgeschichte ist dazu geeignet, uns wirklich den Respekt vor der Schöpfung und der Bewahrung unserer Lebensgrundlagen nochmals vor Augen zu führen.
Aber sie ist nicht geeignet, auf gleiche Augenhöhe mit naturwissenschaftlicher Erkenntnis und Methodik gestellt zu werden.
Erstens. Die Trennung von Kirche und Staat ist eine Errungenschaft, die nicht infrage gestellt wird.
Zweitens. Glaube und wissenschaftliche Erkenntnis haben einen Respekt verdient, aber keine Gleichsetzung.
Herr Ministerpräsident, ich erwarte von Ihnen, dass Sie in dieser Frage Ihre Kultusministerin zur Ordnung rufen und dass Sie sich zu diesen grundsätzlichen Fragen auch bekennen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal zu dem Titel der Aktuellen Stunde der GRÜNEN. Herr Al-Wazir, wenn man irdische Probleme schon so gut gelöst hat,