Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist schon etwas näher dran!)

Es gibt ein Vergabegesetz in Bremen. Es gibt ein Vergabegesetz in Hamburg; nach meiner Erinnerung hat die CDU dort die absolute Mehrheit.

(Michael Boddenberg (CDU): Immer noch und weiterhin! – Norbert Schmitt (SPD): Immer noch, aber nicht mehr lange!)

Bis zum 24. Februar noch. – Es gibt ein Vergabegesetz – Herr Posch, jetzt halten Sie sich fest – in Niedersachsen.

(Dieter Posch (FDP): Ja, stellen Sie sich vor! Meinen Sie, das müssen Sie mir erklären? Es gibt auch eines in NRW!)

Ich wollte Sie darauf hinweisen, dass Philipp Rösler sicherlich kein des Sozialismus Verdächtiger ist. Es gibt ein Vergabegesetz im Saarland. Wer hat dort doch die absolute Mehrheit?

(Michael Boddenberg (CDU): Das läuft dort super!)

Es gibt ein Vergabegesetz in Schleswig-Holstein.

(Michael Boddenberg (CDU): Herr Al-Wazir, wer regiert in Schleswig-Holstein? Gehen Sie doch einmal alle Bundesländer durch!)

Was ich Ihnen damit nur sagen möchte, ist, dass die Idee, dass man öffentliche Aufträge an bestimmte Bedingungen knüpft, nichts ist, was jetzt hier vom Himmel fällt, sondern dass etliche Bundesländer inzwischen diesen Weg gegangen sind und, Herr Boddenberg, der Hessische Ministerpräsident vor gar nicht allzu langer Zeit gesagt hat, dass er inzwischen auch bereit ist, mit den Gewerkschaften über ein solches Gesetz zu reden.

(Michael Boddenberg (CDU): Machen wir doch!)

Da kann ich nur sagen: Willkommen in der Gegenwart, meine Damen und Herren von der Union. Im Jahr 2002 haben Sie dafür gesorgt, dass im Bundesrat ein solches Gesetz, das auf Bundesebene geplant war, blockiert worden ist. Schön, dass Sie inzwischen, fünf Jahre später, auch gemerkt haben, dass Sie damals einen Fehler gemacht haben.Aber,liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, nur Taten zählen. Denn was nicht funktioniert, ist, wenn Sie jetzt hier Hinhaltemanöver ohne Substanz machen, um irgendwie über die Landtagswahl zu kommen, und eigentlich gar nicht vorhaben, etwas zu verändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen liegt dieser Gesetzentwurf auf dem Tisch.

(Michael Boddenberg (CDU): Weil Landtagswahl ist, oder warum?)

Deswegen geben wir Ihnen jetzt Gelegenheit, zu zeigen, ob es Ihnen ernst ist oder ob Sie nur versuchen,ein Thema abzuräumen, weil Sie gemerkt haben, dass Sie hier lange schon keine gesellschaftliche Mehrheit mehr haben, aber eigentlich gar nichts verändern wollen.

Ich will als Kronzeugen für ein solches Gesetz jemanden heranziehen. Herr Posch hat etliche Personen aus den Unternehmen genannt. Ich will Ihnen eine Presseinformation des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes vom 17. November 2006 vorlegen. Das war, nachdem das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, dass solche Gesetze nicht gegen die Verfassung verstoßen, was vorher von einigen behauptet wurde.

„Mit seiner Entscheidung darüber, dass die Tariftreueerklärungen bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge verfassungsgemäß sind, weist das Bundesverfassungsgericht der Politik den Weg zu einer Tariftreueregelung auch auf Bundesebene.“

Das ist das, was Sie damals als CDU blockiert haben.

Dies erklärte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Prof. Dr. Karl Robl in Berlin... „Das Urteil zeigt auf, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge an Auflagen und Bedingungen geknüpft werden kann, die einen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Gewährleistung der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland leisten können.Lohndumping und das

Missachten von sozialen Standards durch in- und ausländische Billiglohnunternehmen muss nicht hingenommen werden, sondern kann durch Tariftreueerklärungen aktiv durch den Gesetzgeber bekämpft werden!“

Meine Damen und Herren, dem ist nichts hinzuzufügen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Al-Wazir. – Nun hat für die Landesregierung Herr Wirtschaftsminister Dr. Rhiel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte auf der Basis des Gesetzentwurfs von SPD und – –

(Die Deckenbeleuchtung geht kurz aus und wieder an.)

Ich habe Ihren Gesetzentwurf erwähnt, und schon ging das Licht aus.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stelle fest, das Licht ist wieder an.

(Dieter Posch (FDP): Wem ist jetzt wohl ein Licht aufgegangen?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Debatte wird in einem großen Zusammenhang geführt, und zwar mit der Frage Mindestlohn, Entsendegesetz, Allgemeinverbindlichkeitserklärung und schließlich Vergaberecht. All diese Instrumente, die diskutiert werden, die beantragt werden und um die gerungen wird, haben zumindest drei Ziele. Zum einen gibt es das Ziel:Wie können die Arbeitnehmer geschützt werden, wenn sie für eine Arbeit, die im Tarifbereich entsprechend eingruppiert und bewertet wird, in ihrem Unternehmen nicht den entsprechenden Lohn erhalten?

Zweitens wird natürlich auch in dem Zusammenhang, der eben schon in dem einen oder anderen Zitat angeklungen ist, die Frage diskutiert:Wie können wir vor allem wettbewerbsgerechte Voraussetzungen finden und schaffen im Verhältnis zwischen den Unternehmen, die im Rahmen der Ausschreibung und darüber hinaus anbieten, im Binnenbereich, also innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, aber auch bezüglich Dumpinglöhnen über ausländische Firmen hier in Deutschland?

(Norbert Schmitt (SPD): Genau, darum geht es!)

Schließlich ist dies insgesamt aber vor allem die Frage: Wie gelingt es uns,nicht nur bezogen auf diejenigen,die in Beschäftigung sind, sondern auch auf die nach wie vor große Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die keine Beschäftigung haben, diese in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, das Letztere muss der Königsweg sein,dass es uns durch Wirtschaftsdynamik gelingt – wir haben gestern in einem anderen Zusammenhang darüber diskutiert –, die Seite der

Beschäftigten mit ihrem Angebot an Arbeit stärker zu machen, ihr Gewicht von der Angebotsseite im Hinblick auf die nachfragenden Firmen, die qualifizierte Beschäftigte brauchen, zu betonen.

Deswegen ist dies das beste Mittel zur Abhilfe der Problematik, die ich hier nur mit wenigen Strichen skizzieren konnte.Dennoch müssen wir auch hier fragen:Was tut der Staat dort beispielsweise bei der Flexibilität des Arbeitsrechtes? Denn es kann uns nicht egal sein, wenn wir sehen, wo derzeit 100 Beschäftigungsverhältnisse pro Tag vor allem begründet werden. Schauen Sie in die Statistik, und dann sehen Sie, dass der größte Anteil bei Zeitarbeitsfirmen ist.

So schön dies für diese Firmen ist, so wichtig es ist, dass Menschen dadurch in Beschäftigung kommen, so dürfen wir doch sagen, dass die Arbeitskosten nicht unmittelbar bei den Arbeitnehmern landen, sondern dass eine gewaltige Differenzialrente bei den Beschäftigungsfirmen bleibt. Daher können wir zumindest vermuten: Wenn wir mehr Flexibilität im ersten, im direkten Arbeitsmarkt hätten,wäre dieser Betrag zugunsten der Beschäftigten zu realisieren. Deswegen richte ich diese Frage an die Opposition, an die linke Seite hier im Haus, zum Nachdenken, ob wir nicht im gemeinsamen Interesse der Beschäftigten auch über diese Ziele nachdenken müssen.

Wenn wir in diesem Zusammenhang über die Arbeitslosen sprechen: Ich habe Ihnen gerade gesagt, die Unternehmen suchen vor allem qualifizierte Kräfte.Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass ein Großteil der Arbeitslosen heute diese Qualifikationen nicht hat. Da sind wir voll bei dem Thema der Mindestlöhne. Ich möchte die Auffassung des Ministerpräsidenten für die Landesregierung noch einmal deutlich unterstreichen, dass wir aus zwei Gründen nachhaltig gegen die Mindestlöhne sind.

(Norbert Schmitt (SPD): Ihr wollt, dass der Staat handelt! Das finden wir sehr liberal!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der erste Grund ist in der Tat in einer freiheitlichen Gesellschaft mit dem Grundprinzip der Subsidiarität zu sehen. Das wäre ein Eingriff in die Tarifautonomie, aber auch eine Entlassung der Tarifvertragsparteien aus ihrer Verantwortung.

(Norbert Schmitt (SPD): Sie wollen staatliche Löhne dafür geben! Was ist das für ein Argument? Sie wollen Lohnkostenzuschüsse!)

Zweitens ist das Interesse der Arbeitsplatzsuchenden, der Beschäftigungssuchenden zu sehen.Denn es gilt – da können wir diskutieren, wie wir wollen – auch in der Ökonomie das Prinzip der Produktivität. Wenn wir das Prinzip richtig begreifen und wir zusätzliche Menschen in Beschäftigungsverhältnisse bekommen wollen, dann muss das Thema Niedriglohnbereich eine Rolle spielen.

Für mich nehme ich nie den Begriff Mindestlohn, sondern ich spreche von Mindesteinkommen. Denn auch aus der semantischen Frage wird deutlich,dass überall dort,wo im Niedriglohnbereich Beschäftigung geschaffen werden kann, der Beschäftigte eine Ergänzung braucht, Stichwort ALG.

(Norbert Schmitt (SPD): Der Staat!)

Herr Schmitt, das ist besser, als dass der Staat über Sozialtransfers 100 % bezahlt. Das unterscheidet uns in der Tat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Die Frage ist, ob wir anständige Löhne haben! Wo hört das denn auf?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine, dass wir all diese Themen besprechen müssen, beispielsweise den Kombilohn als Kombieinkommen, niedrige Löhne und ergänzende Hartz-IV-Leistungen, beispielsweise in Verbindung mit dem Allgemeinverbindlichkeitsprinzip, aber auch das Stichwort Entsendegesetz bei Dumpinglöhnen.

Ich darf mich an die SPD wenden: Die Große Koalition hat es behandelt, hat Vorschläge gemacht, insbesondere für eine Kombination von Allgemeinverbindlichkeitserklärung bisheriger Art und deren Kriterien mit dem Entsendegesetz. Ich denke, dass es hier wichtige Punkte gibt, die vor allem auch im Interesse der Arbeitnehmer von den einstellungswilligen Arbeitgebern, vor allem im Handwerk, für gut gehalten werden, um internationale Dumpingangebote fernzuhalten und damit Wettbewerbsgleichheit zu sichern.

Herr Posch hat zu Recht die Frage gestellt: Was können wir mit dem Vergabegesetz in diesem Zusammenhang leisten? Ist es richtig, dass das Vergabegesetz, das eine andere Aufgabe, eine andere Intention hat, mit bestimmten – manche sagen: vergaberechtsfremden – Aufgaben und Bestimmungen überfrachtet wird?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident hat erklärt, dass die Hessische Landesregierung in das Gespräch mit dem DGB geht, dass die Landesregierung, solange diese Erwartungen auch an die Bundespolitik – Stichwort Entsendegesetz und Allgemeinverbindlichkeitserklärung – nicht umgesetzt werden können, auch im Sinne von Angebotsgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit, vor allem auch im Hinblick auf die sozialpolitischen Wirkungen für die Arbeitnehmer in dieses Gespräch eintritt. Diese Gespräche sind seit einigen Wochen im Gange.