Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Beer, Sie werden hier keinen Widerspruch zwischen den Ausführungen von Herrn Kollegen Lortz und meinen konstruieren können.Wenn Herr Lortz gesagt hat, bezüglich der aktiven Bezüge hat er eine Position, dann ist das in Ordnung. Darum geht es heute aber gar nicht. Heute geht es um die Altersbezüge, also um die Altersvorsorge. Über die aktiven Bezüge kann man sich unterhalten, wenn man das Gesetz ändern will. Dazu hat er eine Meinung geäußert, und die Meinung kann er selbstverständlich äußern. Heute geht es um die Altersbezüge,und ich sage noch einmal:Sie können zu den 1.500 c stehen, wenn Sie dieser Meinung sind. Aber diese Regelung führt nicht dazu, dass der Steuerzahler spart. In den nächsten 30 oder 40 Jahren wird der Steuerzahler zusätzlich Geld aufwenden müssen für Ihren sogenannten Systemwechsel.
Der zweite Punkt. Sie können noch so oft von der privaten Vorsorge reden. Das können Sie diskutieren, solange Sie wollen. Aber Sie müssen den Punkt nennen, an dem aus den 1.500 c Staatsgeldern auf einmal Ihre private Vorsorge wird. Diesen Punkt müssten Sie nennen, aber Sie können ihn nicht nennen.
Das ist Irreführung der Öffentlichkeit.Wir sind als Abgeordnete auch keine Selbstständigen; denn es gibt keinen Selbstständigen, der am Ende des Monats – –
Nein, wir sind keine Selbstständigen; denn ein Selbstständiger kann am Ende des Monats nicht sagen, wie viel er verdient. Wir können es. Deswegen ist das nur bedingt vergleichbar.
Aber ich sage Ihnen an der Stelle sehr klar: Mit der Ideologie „Privat statt Staat“ können Sie Stimmung machen. Mit der Sache hat es nichts zu tun.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mehrheit des Hauses wird heute eine große Chance vergeben.
Denn wir hätten heute die Chance, einen Systemwechsel bei der Abgeordnetenaltersversorgung zu beschließen, der,wie ich ausdrücklich sage,die elendigen Diskussionen ein für allemal beenden würde. Das würde am Ende dem politischen System in diesem Bundesland und damit auch uns allen guttun. Deswegen ist es schade, dass die beiden großen Fraktionen heute diese Chance vergeben wollen.
Ich finde auch schade, dass hier teilweise unredlich argumentiert worden ist. Ja, Herr Kollege Lortz, Herr Kollege
Kahl, Herr Kollege Wintermeyer, ich gehöre nicht zu denen, die das Vorurteil nähren, dass Abgeordnete nichts arbeiten würden und ansonsten nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht seien.Aber glauben Sie wirklich, Sie könnten hier argumentieren, das bisherige Staatsversorgungsmodell sei am Ende so, dass bei den Abgeordneten im Alter weniger ankommt, und Sie würden das deswegen aus lauter Altruismus beschließen? Lieber Kollege Kahl, ich ziehe mir doch die Unterhosen nicht mit der Kneifzange an.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Ministers Volker Hoff – Reinhard Kahl (SPD): Wenn es das grüne Modell schon immer gegeben hätte, hätten wir mehr!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann unterschiedlicher Meinung sein. Man kann auch unterschiedlich rechnen.Aber wir sollten bitte so redlich sein – –
(Norbert Schmitt (SPD): Das sagt der Richtige! – Zurufe von der CDU: Genau! – Clemens Reif (CDU):Wenn Sie redlich wären, könnten wir darüber sprechen!)
Über diese Zahlen kann man nicht streiten. Da sollten wir bei der Wahrheit bleiben, und wir haben erlebt, dass das Eigenvorsorgemodell, das 1.500-c-Kapitaldeckungsmodell
von Ihnen, Herr Kahl, künstlich teuer gerechnet wurde und das Staatsversorgungsmodell künstlich billig gerechnet wurde.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU):Wo ist das ein Eigenvorsorgemodell?)
Herr Kollege Wintermeyer hat sich hierhin gestellt und von diesem Pult aus vor 20 Minuten erklärt,bei dem einen Modell hätte man 3.000 c und bei dem anderen Modell 1.800 c. Dabei unterschlägt er, dass die 3.000 c in 40 Jahren und die 1.800 c heute kämen. Das ist ein Beispiel dafür, wie unredlich hier argumentiert worden ist. Sie müssen auf der einen Seite die Inflation berücksichtigen, und auf der anderen Seite müssen Sie die Diätenerhöhung berücksichtigen. Denn die 1.800 c sind ja die Summe X der Grundentschädigung von heute. Sie wird in 40 Jahren nicht genauso hoch sein.Das ist ein Beispiel dafür,wie unredlich hier argumentiert worden ist.
Ich weiß nicht, warum Waldorf und Statler, wie ich die beiden von der Staatskanzlei einmal nenne, von ihrem Balkon aus ständig dazwischenrufen. Herr Präsident, vielleicht könnten Sie die beiden Staatsminister auf der hinteren Bank einmal ein wenig beruhigen.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU – Minister Stefan Grüttner: Nein, wir sind Abgeordnete!)
Ich sage noch einmal ausdrücklich:Die Abgeordneten des Hessischen Landtags sind nicht überbezahlt, aber sie sind, wenn man sich die Mindestversorgung nach relativ kurzer Mandatszeit anschaut, überversorgt. Dieses Grundproblem werden wir heute nicht lösen, weil sich die Große Koalition, die es zu dieser Frage in diesem Haus gibt, leider dieser Lösung verweigert.
Herr Kollege Lortz, Sie haben völlig recht, dass bei kommunalen Wahlbeamten der Grad der Überversorgung noch viel krasser ist. Das ist deshalb so, weil es da keine Altersgrenze gibt und man theoretisch nach sechs Jahren Amtszeit die Mindestversorgung sofort bekommt – ohne jede Altersgrenze. Das ist noch viel krasser. Aber das ist für mich kein Argument dafür, dass man es bei uns so lässt,sondern das ist für mich ein deutliches Argument dafür, dass wir auch an die kommunalen Wahlbeamten herangehen müssen. Seit der Föderalismusreform können wir das auch als Hessischer Landtag.
Ich sage Ihnen aber ausdrücklich, dass das natürlich bei den kommunalen Wahlbeamten, die allen Parteien angehören, nicht für große Begeisterungsstürme sorgen wird.
Wenn man die Kraft für einen solchen Schritt aufbringen wollte, dann muss man das vorher für sich selbst als Gesetzgeber sauber geregelt haben.
Ich sage ausdrücklich, dass natürlich das, was jetzt von SPD und CDU vorgelegt worden ist und was heute von SPD und CDU beschlossen werden wird, eine gewisse Abschmelzung der Überversorgung ist, die wir bisher haben. Wir werden ihr trotzdem nicht zustimmen, sondern sie ablehnen, weil wir gleichzeitig ein Modell hier eingebracht haben, bei dem ganz klar ist, dass auf der einen Seite der Systemwechsel und auf der anderen Seite die Weiterführung des bisherigen Modells steht. Wir sind dagegen, das bisherige Modell weiterzuführen, und wir glauben, dass wir hier gerade eine große Chance vertun. Meine Prophezeiung ist, dass das, was heute hier beschlossen werden wird, nicht sehr lange halten wird, sondern dass in absehbarer Zeit die Debatte erneut losgehen wird. Dann werden vielleicht ich selbst, wahrscheinlich eher andere Sie daran erinnern, was heute für eine Chance vertan worden ist.
(Michael Boddenberg (CDU):Was haben Sie denn vor? Verlassen Sie uns? Ist Ihnen das so herausgerutscht? – Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))
Herr Boddenberg und Herr Wintermeyer, das ist mir überhaupt nicht herausgerutscht, sondern ich habe einfach die Anhörung ziemlich sauber ausgewertet. Ich habe die Dienstaltersrangliste dieses Parlaments ziemlich sauber ausgewertet. Ich kann Ihnen sagen, dass alle Rech
nungen, die Sie immer anstellen, von Leuten, die mit 25 Jahren ins Parlament kommen und 40 Jahre hier drinbleiben,mit der Realität nichts,aber auch gar nichts zu tun haben.
Denn diese Abgeordneten, die 40 Jahre im Parlament geblieben sind, hat es seit 1946 nicht gegeben. Ich glaube, dass es durchaus richtig ist, wenn man davon ausgeht, dass es sie auch in Zukunft nicht geben wird.
Deswegen sage ich noch einmal:Wir vergeben heute eine große Chance. Die Chance zu einem Systemwechsel war da. Die Einigkeit aller Fraktionen zu Beginn dieser Legislaturperiode, dass man diesen Systemwechsel machen soll, war auch da. Leider hat dann das Rechnen angefangen. Das Rechnen hat dazu geführt, dass einige, die hier leider die Mehrheit stellen, der Mut verlassen hat.
Das wird dazu führen, dass die Wiedervorlage dieses Themas in der nächsten Legislaturperiode angesagt ist.