Protokoll der Sitzung vom 05.09.2007

Auch in anderen Bundesländern gibt es diese Initiative. 1992 fand das mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland seinen Abschluss. Das war 1992. Damals regierte eine schwarz-gelbe Koalition. Sie wurde 1998 von einer rotgrünen Koalition abgelöst.

Man muss ehrlich sagen: Wir müssen parteiübergreifend mehr für Kinder und ihre Entwicklungschancen tun. Da haben bis jetzt alle Parteien zu wenig getan.

(Beifall bei der FDP)

Eigentlich gibt diese UN-Kinderrechtskonvention alles her,um eine Grundlage für ein gutes Handeln des Staates, aber auch der Gesellschaft zu sein. Häufig hält sich der

Staat aber nicht an das, was er ratifiziert hat. Das sieht man auch daran, dass die Bundesregierung in Diskussionen auf diese UN-Kinderrechtskonvention gar nicht mehr Bezug nimmt. Das heißt: Sie wurde zwar ratifiziert. Sie nimmt aber im praktischen Handeln leider eine untergeordnete Bedeutung ein.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb glauben wir, dass Hessen gut beraten wäre, ein klares Bekenntnis zu Kindern und für ihre Entwicklungschancen abzulegen. Auf der einen Seite sollte dies der Hessische Landtag tun, auf der anderen Seite die hessische Bevölkerung. Wir wollen deshalb die Rechte der Kinder in der Verfassung verankert sehen.

Warum wollen wir das in der Hessischen Verfassung haben? – Es gibt das Grundgesetz. Die Verfassungen der Länder sind nachgeordnet. Sie gelten nur dann, wenn keine Regelung des Grundgesetzes greift. Aber natürlich ist zunächst einmal die Verfassung eines jeden Bundeslandes die Grundlage für das gesellschaftliche Zusammenleben.

(Beifall bei der FDP)

Die Verfassung definiert die Spielregeln einer Gesellschaft.Aus unserer Sicht gehört in diese Charta der Spielregeln hinein, dass Kinder anders als Erwachsene zu behandeln sind. Man muss sie herausstellen und besonders fördern.

Deshalb müssen die Spielregeln in Hessen für die Kinder angepasst werden. Eine Verfassung hat aber nicht nur appellativen Charakter, appellativen Charakter in dem Sinne, die Menschen und den Staat aufzufordern, sich gegenüber Kindern anders zu verhalten. Eine Verfassung hat natürlich auch den Charakter,dass sie den Staat in seinem Handeln bindet.

Wenn man die Rechte der Kinder in der Hessischen Verfassung verankern würde, würde dieser bindende Charakter bedeuten, dass das staatliche Handeln natürlich auch an dieser Maxime gemessen werden muss.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wir sind der Auffassung, dass, wenn wir diesen Artikel, diese Idee in der Hessischen Verfassung verankern würden, dann natürlich auch das haushalterische Handeln des Bundeslandes Hessen anders sein müsste. Wenn wir sagen, wir wollen die Entwicklungschancen der Kinder verändern, wir wollen ihnen sozusagen keine Steine in den Weg legen, dann muss natürlich auch das haushalterische Handeln, das Finanzgebaren dieses Bundeslandes dem genau entsprechen.

Es kann nicht sein, dass wir Jahr für Jahr Schulden aufbauen, die die kommenden Generationen abzubezahlen haben. Wir minimieren damit die Entwicklungschancen kommender Generationen.

(Beifall bei der FDP)

Ich weiß, dass das in vielen Fraktionen eigentlich ein Gedanke ist, der auf guten Nährboden stößt. Das ist aber immer auch ein Problem zwischen Mitgliedern der Opposition und der Regierung.Wir sind gemeinsam mit den Bürgern unseres Bundeslandes diejenigen, die die Verfassung gesetzgeberisch beeinflussen können.Wir müssen uns ein Stück weit selbst binden, damit dieser Grundsatz auch wirklich zu unserer Handlungsmaxime wird.

Die Hessische Verfassung ist die richtige Stelle dafür.Wir glauben,dass eine Diskussion im Hessischen Landtag dar

über auch deshalb sinnvoll ist, weil alle Parteien, die im Hessischen Landtag vertreten sind, in den letzten Monaten in Vorbereitung auf die Landtagswahl natürlich gesagt haben: Wir wollen die Rechte der Kinder stärken. – Deshalb glauben wir, das ist etwas, das von allen vier Fraktionen ohne Probleme gemeinsam getragen werden kann. Hierüber sollte kein Parteiengezänk entstehen.

(Beifall bei der FDP)

Man könnte natürlich sagen: Die FDP-Fraktion bringt einen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung für genau dieses Thema ein.Warum tut sie das? Warum baut sie nicht auf die nächste Enquetekommission zur Änderung der Hessischen Verfassung? Eine solche haben wir in dieser Legislaturperiode im Hessischen Landtag gehabt. Bedauernswerterweise kam es nicht zu einem gemeinsam getragenen Ergebnis.

Wir glauben, dass es sich um ein Thema handelt, das alle vier Fraktionen mittragen können. Das heißt, hierüber muss kein Streit entstehen. Ich glaube, in der Sache sind wir uns einig.Wir werden über den Inhalt des Änderungsantrags der Fraktion der SPD diskutieren.Mein Ziel ist es, dass wir gemeinsam eine Formulierung hinbekommen, mit der wir alle leben können und mit der vor allem auch die Bürger unseres Landes leben können.

Klar ist aber doch: Wir wollen doch nicht warten, bis die nächste Enquetekommission zur Reform der Hessischen Verfassung zu Ergebnissen gekommen ist, bevor wir uns dieses Themas annehmen?

(Beifall bei der FDP und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir wissen, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes über eine Änderung der Hessischen Verfassung abstimmen müssen. Hierzu bieten sich Wahltermine natürlich an. Natürlich macht es Sinn, hierfür keinen gesonderten Abstimmungsvorgang einzuleiten, sondern gemeinsam mit einer Wahl über diese Frage abzustimmen. Deshalb macht es Sinn, dieses Thema separat zu diskutieren, weil es zwischen den Fraktionen dieses Hauses nicht streitig sein sollte.

(Beifall bei der FDP)

Meiner Meinung nach geht es darum, dass sich der Staat mit seinen drei Gewalten klar für Kinder ausspricht und Kindern eine besondere Stellung in unserer Gesellschaft einräumt, insbesondere aufgrund der Ereignisse der vergangenen Monate. Wir brauchen natürlich genauso und vor allen Dingen ein Bekenntnis der Menschen in unserem Bundesland zu Kindern. Es geht nicht darum, dass sich 110 Abgeordnete in dieser Frage einig sind. Dieses Gedankengut muss auch auf die hessischen Bürgerinnen und Bürger übertragen werden. Das muss das Ziel dieser Initiative sein. Darum muss es uns gehen.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen Kindern im alltäglichen Leben eine andere Stellung ermöglichen, als sie derzeit innehaben. Wir wollen, dass sie anders behandelt werden, dass ihnen keine Gewalt angetan wird, dass sie Möglichkeiten haben, sich frei zu entwickeln, dass sie in ihrer Familie Liebe und Zuneigung erfahren, dass sie die Zeit bekommen, die ihnen zusteht.

Deshalb reicht es meines Erachtens nicht aus, eine solche Debatte im Hessischen Landtag zu führen. Diese Debatte muss gemeinsam mit den hessischen Bürgerinnen und

Bürgern geführt werden;denn sie sind letztlich die Mütter und Väter der Kinder, die in Hessen groß werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als Bundesland ein klares Bekenntnis abgeben sollten und müssen. Andere Bundesländer haben das bereits getan.Hessen ist mit Sicherheit nicht weniger kinderlieb als andere Bundesländer. Es wird aber Zeit, dass wir mit den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Bundesland darüber in einen Diskurs eintreten.

Es zeigt sich das Phänomen, dass Eltern immer mehr Rechte haben wollen. Ein Kind in die Welt zu setzen bedeutet aber auch die Verantwortung, ein Kind großzuziehen.Wenn man über Rechte spricht,gehören Pflichten genauso dazu.

(Beifall bei der FDP)

Diesen Pflichten kommen die Bürgerinnen und Bürger leider in vielen Fällen immer weniger nach. Auch das gehört zur Wahrheit der Debatte dazu. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich in einer staatlichen Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe befinden, hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Deshalb muss sich die Situation von Kindern und Jugendlichen in Familien verändert haben. Hierzu gehört die finanzielle Ausstattung. Diesen Punkt kann man nicht leugnen. Hierzu gehört aber auch, dass der Staat in vielen Fällen hohe Aufwendungen unternimmt, diese aber nicht immer bei den Kindern ankommen. Auch das gehört zur Wahrheit in dieser Debatte.

Fakt ist, dass gerade das Kindergeld in vielen Familien nicht den Kindern zukommt, sondern dass es in irgendeiner Form in den Konsum hineinfließt. Das darf aber nicht sein. Wenn der Staat ein klares Signal setzt und Geld für die Entwicklung von Kindern ausgibt,dann muss das auch bei denjenigen ankommen, für die es bestimmt ist. Es darf nicht irgendwo versickern.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb reicht es nicht, wenn wir diese Debatte nur im Landtag führen. Es ist wichtig und wesentlich, dass wir diese Debatte gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern führen.

Es wird sicherlich noch eine Diskussion darüber geben, wie wir den Antrag genau ausformulieren. Vom Grundsatz her sollte er jedoch die Zustimmung dieses Hauses finden. Ich bin mir sicher, dass auch die CDU-Fraktion das so sieht. Klar ist, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Wenn Hessen ein Bekenntnis zur Kinderfreundlichkeit abgeben will, ist hierzu nun der richtige Zeitpunkt gekommen.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie uns gemeinsam dieses Signal setzen.Lassen Sie uns mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Bundeslandes in einen Diskurs eintreten. Lassen Sie uns vor allen Dingen ein Signal setzen, dass Hessen ein kinderfreundliches Land ist und Kindern eine herausgehobene Stellung zumisst. Das wäre das richtige Signal für unser Bundesland. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Das Wort hat Frau Kollegin Eckhardt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch,das war wirklich eine schöne Rede.Kinderrechte sind Menschenrechte, und Menschenrechte sind im Grundgesetz dieser Republik und in den Länderverfassungen als Basis aller rechtlichen Normen verankert. Unter diesem Gesichtspunkt könnte man die Gesetzesinitiative der FDP-Fraktion als überflüssig bewerten.

(Nicola Beer (FDP): Na!)

Der Verfassungsrang für Kinderrechte ist aber nicht überflüssig. Das zeigen viele Initiativen, die es auf Länderebene, auf Bundesebene und auf internationaler Ebene gegeben hat und weiter geben wird. Eine inhaltliche Übereinstimmung in dieser Frage gibt es auch in diesem Hause.

Es ist allerdings die Vorgehensweise, die Wahl des Zeitpunkts, durch die eine wichtige Sache auch scheitern kann. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass eine Volksabstimmung zur Verfassungsänderung eine größtmögliche Aufmerksamkeit für das Thema mobilisiert, dass durch Informationen im Vorfeld des 27.01.2008 die Kinderrechte zu einem zentralen politischen Thema landauf, landab gemacht werden können und dass die Notwendigkeit, am Wahltag einen weiteren Wahlzettel auszufüllen, den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit gibt, sich sehr intensiv und aktiv dafür auszusprechen, die Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen, und damit auch die humanitäre Dimension und die Zukunftsrelevanz von Kindesentwicklung und Kindesschutz dadurch deutlicher gemacht werden.

Beispielhaft für die Vorgehensweise kann Art. 3 des Grundgesetzes sein. In diesem Fall hat der Gesetzgeber durch den Verfassungsrang der Rechte von Menschen mit Behinderung mehr Druck auf die Umsetzung in der Realität ausüben wollen. Initiativen, so auch bei Kinderrechten zu verfahren, gibt es derzeit mehrere, beispielsweise die Initiative von Kerstin Griese, Vorsitzende des Familienausschusses im Deutschen Bundestag. Sie hat gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Kinderkommission den Vorstoß unternommen und einen Gesetzentwurf erarbeitet. Dieser Entwurf ist noch vor der Sommerpause in die Fraktionen gegangen. Er wird dort beraten und soll noch in dieser Legislaturperiode in den Bundesrat eingebracht werden.

Ich könnte natürlich auch erwähnen, dass die SPD dieses Thema in ihrem Bremer Entwurf sehr zentral behandelt hat und der Hamburger Parteitag einen Beschluss herbeiführen wird, um Kinderrechte in der Verfassung zu verankern.

Die Zielrichtung des Gesetzentwurfs der FDP-Fraktion findet also volle Übereinstimmung. Was mich allerdings wirklich ärgert – ich denke, da bin ich nicht alleine; das dürfte fraktionsübergreifend der Fall sein –, ist die Tatsache, dass Sie sich erstens wieder einmal nicht an eine Verabredung gehalten haben und dass Sie zweitens ein solches Thema wahlkampfmäßig instrumentalisieren.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch der Abg. Nicola Beer (FDP))