In Ihrer Rede ist eines sehr deutlich geworden: Ihnen passen die Inhalte dieser Studie nicht.Weil Ihnen die Inhalte der Studie nicht passen, verweigern Sie auch die Debatte. Das ist ein Stil, den wir nicht gut finden. Man kann über das, was Herr Prof. Jourdan in seiner Machbarkeitsstudie sagt, sehr kontrovers diskutieren. Wir GRÜNEN finden nicht alle Punkte in dieser Machbarkeitsstudie gut, aber sie ist eine Gesprächsgrundlage. Es ist eine Frage der politischen Kultur,ob man ein solches Gespräch zulässt oder verweigert und die Veröffentlichung einer Studie ganz lange hinauszögert, weil einem die Inhalte nicht passen. Das ist kein akzeptabler Stil, meine Damen und Herren.
Ihre voreilige Absage an eine Internationale Bauausstellung ist eigentlich ein Zeichen für die Kleinkariertheit, für die Provinzialität und für den Mangel an Visionen dieser Landesregierung, wenn es um den Ballungsraum RheinMain geht. Das haben Sie mit Ihrer Absage eindeutig klargemacht.
Wäre Hessen schon immer so kleinkariert regiert worden wie heute, hätte es die Mathildenhöhe in Darmstadt in ihrer heutigen Form nie gegeben. Die Mathildenhöhe ist in ihrer heutigen Form das Ergebnis einer Internationalen Bauausstellung, die Anfang des 20. Jahrhunderts stattgefunden hat. Die Mathildenhöhe in Darmstadt, dieses hessische Wahrzeichen, zeigt, was eine Internationale Bauausstellung bewegen kann, welche Chancen sie mit sich bringt, welche Marken sie setzen kann, wenn man sie zulässt, wenn man eine Debatte über die Zielsetzung einer IBA führt und wenn man dann den Mut und die Kraft hat, nach einer solchen zivilgesellschaftlichen Diskussion eine IBA auf den Weg zu bringen. Diese Kraft haben Sie nicht mehr, Herr Corts. Das haben Sie mit Ihrer Rede leider noch einmal nachdrücklich unterstrichen.
Nach dem Scheitern der Bewerbungen zur Kulturhauptstadt Europas und zum Austragungsort der Olympischen Spiele ist die Absage der IBA jetzt schon die dritte gescheiterte Chance für eine Entwicklung des Ballungsraums. Meine Damen und Herren von der Landesregierung, die Region Frankfurt/Rhein-Main ist stark, aber sie kann nicht auf Dauer von der Substanz leben. Sie braucht Perspektiven, sie braucht Visionen für die Zukunft. Sie kann sich nicht unendlich viele Pleiten leisten, wie wir sie bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas, wie wir sie bei der Bewerbung zum Austragungsort der Olympischen Spiele oder wie wir sie jetzt im Bezug auf die IBA erlebt haben.Die Region lebt im Augenblick von der Substanz. Sie eröffnen dem Ballungsraum keine Perspektive. Das ist das Problem.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Sie sind das einzige Problem hier! So ein arroganter Vortrag heute Morgen!)
ich habe das vermisst, danke, dass auch Sie hier sind –, Ihr Problem ist, dass Sie sich von Ihrem Ballungsraumge
setz und den dort angelegten Zweckverbänden, Zwangsverbänden, Posten, Pöstchen, Possen gedanklich nicht lösen können. Das hat aber keine Strahlkraft. So wird kein Leitbild für die Region Frankfurt/Rhein-Main entstehen, sondern es wird erst entstehen, wenn man eine Vision hat, wenn man eine Vorstellung davon hat, wo man hin will. Das wird aber nicht in den Gremien geschehen,die Sie geschaffen haben und die Sie für die einzige Realität in diesem Lande halten.
Ich denke, Sie haben auch deshalb so viel Angst vor einer IBA und scheuen die Diskussion über die Machbarkeit einer IBA, weil mit der Diskussion darüber, was Herr Prof. Jourdan vorgelegt hat, Ihre ganze Kleinkariertheit, Ihre Provinzialität und Ihr Mangel an Visionen für den Ballungsraum erkennbar würden. Es würde doch dem Letzten offensichtlich, dass wir diese Region nicht in immer neuen Zweckverbänden organisieren und sie so nicht voranbringen können, sondern dass wir eine perspektivische Diskussion über diese Region brauchen.
Warum wollen Sie nicht darüber diskutieren, wie der Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main mit dem Wachstum und der Urbanisierung der Weltbevölkerung umgeht? Warum wollen Sie nicht über die Vorschläge von Prof. Jourdan in seiner Machbarkeitsstudie diskutieren? Warum wollen Sie eigentlich nicht darüber diskutieren,wie wir in der Region Frankfurt/Rhein-Main der weltweiten Herausforderung des Klimawandels begegnen können, welchen Beitrag wir in der Region Frankfurt/Rhein-Main dazu leisten können?
Herr Kollege Boddenberg, könnte es sein, dass Sie deshalb nicht darüber reden wollen, weil sonst offensichtlich würde, dass Projekte wie der Bau eines zusätzlichen Blocks beim Kohlekraftwerk Staudinger oder das geplante Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue einfach nicht in die Vision einer zukunftsfähigen Metropolitana passen?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Das ist unverschämt und rotzfrech!)
Herr Kollege Boddenberg, ich bitte Sie, jetzt ruhig zu sein und den Redner ausreden zu lassen. – Bitte schön.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nein, er ist nicht mehr einzufangen! – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Ich gebe Ihnen auch jetzt gerne noch die Gelegenheit, sich zu Wort zu melden,aber dann würde ich gerne in meinen Ausführungen fortfahren.
Kann es sein, dass die Landesregierung und die CDUFraktion diese Debatte verweigern, weil dann offensichtlich würde, dass sie auf die Herausforderung der alternden Bevölkerung und auf die Frage: „Was bedeutet eine alternde Bevölkerung für das Angebot einer sozialen Infrastruktur,
was bedeutet es für die Siedlungsstruktur in einem Ballungsraum?“, keine Antwort haben? Könnte es sein, dass dann offenkundig wäre, dass es eben nicht reicht, Herrn Staatsminister Grüttner zum Demografiebeauftragten zu machen, der durch die Lande reist und mehr oder minder qualifiziertes Zeug erzählt? Könnte das Ihre Angst sein, warum Sie nicht über eine Machbarkeitsstudie für eine IBA reden wollen?
Könnte es sein – das ist das nächste Handlungsfeld, das Prof. Jourdan in seiner Machbarkeitsstudie vorstellt –, dass Sie keine Antwort haben auf das Spannungsverhältnis zwischen einer sich immer weiter globalisierenden Welt auf der einen Seite und einer Bevölkerung, die den Wunsch nach Heimat und Identität in ihrem sozialen Nahbereich hat, auf der anderen Seite? Könnte es sein, dass Sie darauf keine Antwort haben und deshalb noch nicht einmal diskutieren wollen?
Der nächste Handlungsbereich von Prof. Jourdan ist das Thema Mobilität. Prof. Jourdan spricht in seiner Machbarkeitsstudie sehr eindeutig die Probleme an, die Ballungsräume in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit der Organisation einer umwelt- und menschenverträglichen Mobilität haben werden.
Könnte es sein, dass die ganze Provinzialität und das Zukurz-Gesprungene Ihres Ansatzes „staufreies Hessen“ in einer solchen Diskussion über nachhaltige Mobilität in den Ballungsräumen der Zukunft völlig offensichtlich wäre?
Ich glaube, das alles sind die wahren Gründe, warum Sie hier nicht über eine IBA reden wollen. Dann wäre völlig offenkundig, wie gescheitert Ihre bisherigen Politikansätze für Frankfurt-Rhein/Main sind.
Herr Kollege Wagner, Sie sprechen immer davon, keiner wolle darüber reden. Ist Ihnen entgangen, dass der Minister gerade zugesagt hat,dass Herr Jourdan seine Studie im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst vorstellt und dann darüber geredet werden kann?
Herr Kollege Milde, ist Ihnen entgangen, dass der Minister für Wissenschaft und Kunst dazu nicht kraft eigener Erkenntnis kam, sondern nur durch einen Antrag der Opposition? Ist Ihnen das entgangen?
Herr Kollege Milde, ist es nicht das Mindeste, dass eine Studie,die für 250.000 c – davon sehr viel Steuergeld – erstellt wurde, auch öffentlich vorgestellt und diskutiert wird?