Protokoll der Sitzung vom 05.09.2007

Ist das nicht das Mindeste, worauf Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ein Anrecht haben?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Milde, ist es nicht beschämend, dass eine Landesregierung eine für Steuergeld in Auftrag gegebene Studie erst zurückhalten will und es erst eines Antrags der Opposition bedarf, weil der Landesregierung die Inhalte nicht passen? Ist das nicht beschämend?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Insofern darf ich mich für diese Zwischenfrage herzlich bedanken. Ich dachte, der Punkt sei hinreichend klar geworden. Aber wenn es jetzt dazu geführt hat, dass er der CDU-Fraktion noch klarer geworden ist und dass Sie die Entscheidung von Herrn Corts, das Amt zu verlassen, noch besser finden,

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

dann freue ich mich über diese Zwischenfrage und bedanke mich ausdrücklich dafür.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Herr Boddenberg hat doch recht!)

Meine Damen und Herren, die Debatte über eine Internationale Bauausstellung ist nicht dadurch zu Ende, dass eine provinzielle Landesregierung die Perspektive einer solchen Ausstellung nicht erkennt.

(Michael Boddenberg (CDU): Sind Sie eigentlich zukunftsfähig?)

Die Debatte über eine Internationale Bauausstellung mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren muss jetzt erst beginnen, denn die machen die lebendige Region aus. Diese zivilgesellschaftlichen Akteure werden am 27. Januar auch eine sehr weise Entscheidung darüber treffen, wer eine Perspektive für Frankfurt/Rhein-Main hat

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

und wer dem Klein-Klein verhaftet bleibt. Auf diese Debatte und auf diese Entscheidung der Zivilgesellschaft in Frankfurt/Rhein-Main freuen wir GRÜNE uns.Die CDU freut sich nicht so sehr darauf. In diesem Sinne aber ein herzliches Glückauf für Frankfurt/Rhein-Main.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Ruth Wagner, Fraktion der FDP.

Einer muss ja einmal den Text,über den geredet wird,hier zeigen.

(Die Rednerin verweist auf Ihre Unterlagen.)

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst zum Verfahren.

Für meine Fraktion möchte ich ganz eindeutig sagen, dass wir uns aufgrund der Teilveröffentlichung und der Presseerklärungen von Herrn Jourdan der letzten beiden Jahre schon im Frühjahr 2006 informiert hatten. Wir haben die Idee einer Internationalen Bauausstellung für richtig erklärt, und zwar in einer Pressekonferenz am 2. März 2006 in Frankfurt, zusammen mit dem Kreisvorsitzenden der FDP, dem Kreisvorsitzenden von Hochtaunus, mir und Nicola Beer, nachdem wir ein Gespräch mit Herrn Jourdan hatten.

Ein zweiter Punkt zum Verfahren. Nach dem, was Herr Corts hier als Minister und als Teilauftraggeber vorgetragen hat, ist die Verfahrensweise von Herrn Jourdan nicht in Ordnung gewesen. Wer einen Auftrag von drei – ich glaube sogar: von vier – öffentlichen Auftraggebern hat, der hat zwar ein Urheberrecht, aber der hat auch eine Pflicht, diese Auftragsarbeit zunächst dem Auftraggeber abzugeben und mit ihm zu vereinbaren, wie sie veröffentlicht wird.

(Beifall bei der FDP)

Drittens. Da es – ich sage einmal – so dämlich gelaufen ist, wie es gelaufen ist, und davon hat Herr Jourdan einen Teil verursacht, ist es jetzt ein bisschen merkwürdig, dass wir uns im Landtag zunächst über die Frage der Verfahrensweise unterhalten müssen. Am Ende hat der Minister erklärt: Jawohl, wir folgen dem FDP-Antrag – der zeitgleich mit dem der SPD-Fraktion eingereicht worden ist –, nämlich die ganze Angelegenheit im Landtag zu diskutieren. – Meine Damen und Herren, ich halte auch nichts davon, dass vorab eine Bewertung durch ein Mitglied, beispielsweise der Kulturinitiative, Herrn Rattemeyer, dazu dienen soll, uns sozusagen am Denken zu hindern. Das halte ich für falsch.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Wirtschaftsinitiative hat das nicht zu sagen.

Deshalb komme ich jetzt zu den Fragen, die Frau Ypsilanti und die anderen Kollegen bisher vorgetragen haben.

Bis vielleicht auf wenige Abweichungen und Differenzen kann ich mir vorstellen, dass das, was Sie, Frau Ypsilanti, als Zielvorstellung der Entwicklung dieser Region vorgetragen haben, in diesem Hause allgemeine Zustimmung findet.Wir – SPD, CDU und FDP – werden uns nicht darüber streiten, dass die Entwicklung des Flughafens dazu gehört. Das werden wir mit den GRÜNEN tun müssen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne!)

Natürlich, gerne Streit, aber der muss kultiviert geführt werden. Dann bin ich immer sehr dafür, und dann macht der auch Spaß.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden alle mit unseren Kolleginnen und Kollegen streiten müssen – beispielsweise Sie, Herr Wagner, in Darmstadt mit den GRÜNEN; dort kenne ich mich besonders gut aus;aber das gilt für alle –,damit Perspektiven eröffnet werden, die nicht millionenschwer sind, sondern milliardenschwer, und die gehen in die selbstständigen Entscheidungen der Gebietskörperschaften hinein. Das müssen wir ganz klar sagen.

(Beifall bei der FDP)

Da bin ich noch einmal beim Nervus Rerum der ganzen Geschichte. Meine Damen und Herren von der rot-grünen Opposition, Sie mögen damals anderer Meinung gewesen sein, und Sie sind es nach wie vor. Sie sagen, die Verabschiedung des Ballungsraumsgesetzes sei falsch gewesen.

Ich bin der tiefen Überzeugung, dass diese Entscheidung aus dem Jahr 2000 dieser Region zum ersten Mal nicht mehr das Gefühl gegeben hat, sie strebt auseinander. Wir sagen so fein, sie ist polyzentrisch. In Wahrheit ist das ein etwas verklebter Begriff, der über die wirklichen Unterschiede und Gegensätze hinwegtäuscht. Man muss die Gegensätze endlich aufarbeiten.

Der Kern der Diskussion heute Morgen zeigt, dass wir in dieser Frage mit all den Initiativen – Wirtschaftsinitiative, Kulturforum, Kulturinitiative, mit zwei Gutachten von Herrn Pfäffli und Herrn Stölzl, mit einer Kulturkommission, die ich im Dezember 2002 mit einem Zweidrittelschwerpunkt regionale Kulturentwicklung im RheinMain-Gebiet vorgestellt habe, durch Hilmar Hoffmann erarbeitet – nicht sehr viel weitergekommen sind. Das Wir-Gefühl in der Region entsteht erst langsam. Wir dürfen es nicht durch solche Debatten zerreden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD))

Wir müssen es weiter fördern. Im Ballungsraumgesetz heißt es in § 1 Abs. 1, „Errichtung, Betrieb und Unterhaltung von kulturellen Einrichtungen von überörtlicher Bedeutung“ ist Aufgabe dieser Region.

Ich halte das nach wie vor für richtig. Ich bin immer der Meinung gewesen – und das wurde endlich auch in der Region verstanden –, dass das über die Grenzen des Ballungsraums hinausgeht. Das ist die Stärke von Jourdans Studie – dass er in größeren Räumen denkt: von Franken

bis nach Rheinhessen und Bingen hinüber und bis hinunter nach Baden-Württemberg.

Meiner Auffassung nach ist es dringlich, dass Herr Jourdan im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst so etwas wie eine wirkliche Präsentation seiner Studie nachholt und dass der Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung daran beteiligt wird; denn es geht um die Infrastruktur. Das ist die Schwäche von Herrn Jourdan.

Ich will es noch einmal sagen – Herr Wagner hat es bereits angesprochen –: Es wäre schön, wenn auch die Enquetekommission „Demografischer Wandel“, die ihre Arbeit abgeschlossen hat, differenziert dazu Stellung nehmen könnte; denn was Herr Jourdan in einem Satz dazu geschrieben hat, ist mehr als dürftig. Er hat keine Ahnung von unserer Arbeit. Es wäre aber wichtig, das einzubeziehen.

Ich schlage vor, dass wir eine Anhörung zu diesem Thema machen und im Ältestenrat darüber reden, welche Ausschüsse daran beteiligt werden.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich zum Inhalt kommen. Ich habe die Studie durchgelesen. Das ist die Studie; das ist der Anhang.

(Die Rednerin hält die Studie hoch.)

Nach einem zunächst einmal nur zweistündigen oder zweieinhalbstündigen Studium muss man zu folgender Bewertung kommen. Ich zähle zuerst die Stärken auf. Herr Jourdan definiert sehr gut, was diese Region in ihrer Verankerung auf den unterschiedlichen Ebenen global darstellt.Das haben Sie alle gesagt;ich brauche es nicht zu wiederholen. Er definiert, wo sozusagen die Schwierigkeiten liegen, die durch die historische Gegebenheit einer großen Metropole sowie wachsame, kontrollierende und eifersüchtige kleinere Städte, Kleinstädte und ländliche Regionen bedingt sind.

In der Phase, in der wir uns jetzt befinden, sieht es besser aus als noch vor fünf Jahren; denn das, was Herr Jourdan hier schreibt, beginnt allmählich: in einer polyzentrischen Region ein Wir-Gefühl zu entwickeln, so etwas wie globale Beziehungen zu leben und gleichzeitig moderne Heimat zu erfahren, nicht provinziell zu sein, aber Provinz im besten Sinne des Wortes jeden Tag erleben zu können.

Ich verstehe nicht, wenn er von einer „lernenden Region“ spricht und dabei etwas schwammige Begriffe benutzt. Die Zielvorstellung sei eine lernende Region. Was lernt die Region? Was ist ihr Lernziel? Welche Bildungsziele verbindet Herr Jourdan mit der Bevölkerung einer Region? Was soll sie nach seiner Vorstellung lernen? Das ist Soziologensprache, die mit einer Machbarkeitsstudie nichts zu tun hat. Das ist nicht ausgeführt.

Ich möchte gern wissen,wie er eine solche Zielvorstellung umsetzt, die man im Rahmen einer Ausstellungstradition erläuten kann. Er bezieht sich auf die 1901 erbaute Mathildenhöhe und auf die Weißenhofsiedlung in Stuttgart. Ich würde die 1907 in Dresden gebaute Siedlung Hellerau und die Gründung des Deutschen Werkbunds hinzufügen. Die große Ausstellung des Deutschen Werkbunds in München geht gerade zu Ende und wird dann nach Berlin gebracht.

Das sind die Traditionen.Aber an diese kann man nur anknüpfen; man kann sie nicht weiterführen. Das, was zu Fürst Pückler gezeigt wurde, beruhte auf einer anderen Ausgangssituation. Bei uns geht es nicht nur darum, Bauten zu zeigen, sondern auch darum, die Zielvorstellung

der Vernetzung im Verkehr, in der Infrastruktur und in der Wissenschaft deutlich zu machen. Das ist bisher nicht ordentlich aufgearbeitet.

(Beifall bei der FDP)