Protokoll der Sitzung vom 06.09.2007

Angesichts des ernormen Eifers dieser Landesregierung, sich hier bei der reinen Addition von Plätzen – allerdings leider erst seit zwei Jahren – zu brüsten, ist das dann mit Sicherheit kein Zufall, wenn dieser CDU-Antrag am gleichen Tag kommt. Gegen die Zufallstheorie spricht auch, dass der Antrag praktisch deckungsgleich mit der Pressemitteilung des Ministeriums ist, inklusive des dezenten Seitenhiebs auf die Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene, dass noch über die Frage der Finanzierung gestritten würde.

Auch das wurde 1 : 1 in den Antrag übernommen, sehr witzig. Dumm nur, dass die Einigung zu dem Zeitpunkt bereits erfolgt war. Trotz der Blockiererei von CDU-Ministerpräsidenten wie Koch, Wulff oder CSU-Stoiber ist das Ganze doch schneller als erwartet in trockene Tücher gekommen.

KNIRPS – dieses wunderschöne Sommerlochprojekt steht sicherlich nicht für die nachhaltige Schaffung von Betreuungsplätzen für Kleinkinder, jedenfalls nicht so, wie es Ihre Kreativabteilung, die die PR-Mittel des Landes verzehnfacht hat, glauben macht, sondern KNIRPS steht eher für: Kochs Nebelkerzen-, Illusions-, Rechentricks-, Phantasie- und Seifenblasenprogramm.

Als ich mir die Information zur Pressekonferenz durchgelesen habe,habe ich mich zweierlei gefragt.Wer außer dieser Landesregierung käme auf die Idee, ein Projekt als sein eigenes zu verwenden und zu verkaufen, das praktisch so gut wie keine Eigenleistung des Landes beinhaltet, wie beim BAMBINI-Programm? Und wer, außer dieser Landesregierung, hätte ein zweites Mal die Frechheit besessen, derart massiv in die kommunalen Kassen zu greifen? Wer, außer dieser Landesregierung?

(Beifall bei der SPD, der FDP und bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist die Unverfrorenheit: mit völlig falschen Zahlen zu operieren, nur um ein Image zu pflegen, das man sich erst noch erwerben muss. Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt: Nur eine von Roland Koch geführte Landesregierung, die es mit der Wahrheit und den Fakten oftmals nicht so ganz genau nimmt.

(Ministerpräsident Roland Koch: Jawohl, genauso musste das sein!)

Herr Kollege Reißer, wir haben eine Regierung, die jahrelang geschlafen hat, und zwar im Tiefschlaf, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht, und die auch heute nur sehr mühsam auf die Bedürfnisse von Eltern eingeht.Auch in Ihrem letzten Regierungsjahr werden Sie nicht müde, den Menschen in diesem Land Sand in die

Augen zu streuen und Regierungshandeln vorzutäuschen. Denn nichts anderes ist es letztlich.

Diese Sonderedition des BAMBINI-Programms,das Hessen ab dem nächsten Jahr – wohlgemerkt das Wahljahr – an die Spitze bei den Krippenplätzen in Deutschland katapultieren soll, ist nicht mehr als eine Seifenblase, ein mit Phantasie und Rechentricks aufgepepptes Illusionsprojekt aus der PR-Schublade.

Der Hinweis heute Morgen von Frau Lautenschläger, dass KNIRPS noch eine Schwester – wahrscheinlich wieder eine KFA-Plünderung – folgen soll, zeigt auch, dass es Ihnen um PR geht und nicht um reale Politik. Erste Blendrakete – wie schon beim BAMBINI-Programm, für das Sie nicht einen einzigen zusätzlichen Euro Landesmittel locker gemacht haben, sondern lediglich 10 Millionen aus der „Offensive für Kinderbetreuung“ umgewidmet haben, und der Rest sind KFA-Mittel. Sie schmücken sich jetzt wieder mit fremden Federn. Selbst die minimale Erhöhung der originären Landesmittel um 22,5 auf 32 Millionen c

(Heiterkeit der Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Axel Wintermeyer (CDU))

Herr Kollege, wir kommen noch zu den Streichungen, ganz langsam – kann nicht darüber hinwegtäuschen, wer hier handelt:

Den notwendigen massiven Ausbau der U-3-Betreuung leisten die Kommunen. Die Kommunen handeln, die Landesregierung handelt nicht. Der Griff in den Kommunalen Finanzausgleich wird bei Ihnen langsam zum Regierungsprinzip.Es ist blamabel,dass Sie jetzt versuchen,sich als Krippenvorreiter feiern zu lassen, dafür aber nur minimale finanzielle Anstrengungen unternehmen. Sie spucken hier große Worte, aber in Wirklichkeit handeln die Kommunen.

Blendrakete zwei: Die Veröffentlichung zur Untermauerung Ihrer sogenannten Bemühungen enthält schlicht gefälschte Zahlen. Sie behaupten, am 31. Dezember 2006 habe es bei den Krippenplätzen einen Versorgungsgrad von 11,4 % gegeben.Das ist – das wissen Sie,Herr Kollege Reißer – glatt gelogen.Die Zahl der Krippenplätze betrug Ende letzten Jahres 12.658. Das war ein Versorgungsgrad von exakt 7,8 %. Das war zumindest der Stand der Dinge am 2.Januar 2007 – ausweislich einer Pressemitteilung der Landesregierung. Das ist also keine Erfindung von Petra Fuhrmann oder der SPD-Landtagsfraktion.

Alle weiteren U-3-Plätze sind Tagespflegeplätze.Von diesen wissen Sie nicht – und können es uns auch nicht sagen, wir haben das abgefragt –, an welchen Tagen die betroffenen Kinder wie viele Stunden lang betreut werden. Darin sind dann auch Angebote von zwei bis drei Wochenstunden enthalten. Für Sie spielt es anscheinend keine Rolle, welcher Art die Betreuungsplätze ist, Sie setzen sämtliche Plätze gleich. Wenn die Bilanz nicht rosig aussieht, dann werden die Zahlen eben so lange hin und her geschoben, bis es passt.

(Beifall bei der SPD)

Es geht hier aber nicht um die fragwürdige Addition von Platzzahlen, sondern darum, schnellstens eine flächendeckende Kinderbetreuung auch im ländlichen, noch weitgehend unversorgten Raum zu schaffen. Die Eltern und die Kinder warten darauf dringend. Denen helfen keine Lippenbekenntnisse, sondern nur Taten. Ich sehe nicht, wie BAMBINI oder KNIRPS hier Wesentliches ändern.

Blendrakete drei: Die rot-grüne Vorgängerregierung habe 1998 nur 1,5 Millionen c für die Förderung von U3-Plätzen zur Verfügung gestellt.Wir kommen Sie darauf? Auch das ist völliger Unsinn.

(Ministerin Silke Lautenschläger: Ausweislich des Haushaltsplans!)

Wir hatten damals das „Sofortprogramm Kinderbetreuung“ mit einem Volumen von 7,3 Millionen c und haben den Kommunen zusätzlich 50 Millionen c als Verstärkungsmittel in den KFA gezahlt.Diese 50 Millionen c aus originären Landesmitteln für die Kinderbetreuung wurden von Ihnen gestrichen Das war Ihre erste „Großtat“ nach dem Regierungsantritt. Diese Streichung summiert sich inzwischen auf 400 Millionen c, die Sie dem Bereich Kinderbetreuung bislang entzogen haben. Das merken wir in den Kommunen nach wie vor.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß, dass Sie diese Mittelstreichung gern aus dem Gedächtnis streichen.Wir werden Sie aber im Wahlkampf immer und immer wieder daran erinnern, Herr Kollege Reißer.

Ihre verzweifelten Rechentricks können nicht davon ablenken, dass sich in der Kleinkinderbetreuung bis zur Verkündung des BAMBINI-Programms praktisch nichts bewegt hat. Das Programm wird aber, wie gesagt, von den Kommunen finanziert. Von einer bedarfsgerechten Betreuung und einer genügenden Zahl tatsächlich zur Verfügung stehender Plätze sind Sie noch immer meilenweit entfernt. Immerhin ist durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz, das die SPD-geführte Bundesregierung forciert hat, auch bei der CDU in Hessen endlich angekommen, dass auch bei den Kleinsten etwas zu tun ist.Vorreiter waren und sind aber immer andere gewesen. Erst als das SPD-regierte Rheinland-Pfalz das kostenfreie letzte Kindergartenjahr eingeführt hatte, sind Sie aktiv geworden und haben nachgezogen – mit dem Geld der Kommunen.

(Widerspruch bei der CDU)

Wenn Sie es mit dem Ausbau der Betreuungsplätze ernst gemeint hätten, dann würden Sie den Kommunen nicht die Hauptlast aufbürden, sondern Sie würden endlich tiefer in die Taschen des Landes greifen. Insofern ist KNIRPS nicht mehr als ein Projekt, mit dem Sie Ihre jahrelange Untätigkeit in diesem Bereich und die Versäumnisse vor der Landtagswahl kaschieren wollen.

(Beifall bei der SPD)

Blendrakete vier: 90 Millionen c hören sich nach viel an, aber wenn Sie die eingangs erwähnte Vereinbarung gelesen haben, dann wissen Sie, dass die mit KNIRPS in den Haushalt eingestellten Mittel bei Weitem nicht ausreichen werden, um die Zielvereinbarungen zu erfüllen. Sie werden damit den Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz jedenfalls nicht erfüllen kommen. Deswegen sollten Sie aufhören, gegen den Bund zu sticheln, wie das auch in diesem Entschließungsantrag zum Ausdruck kommt. Sie sollten schlicht durchrechnen, was an finanziellen Mitteln notwendig ist und wie diese Mittel, die der Bund bereitstellt, ungekürzt unmittelbar an die Kommunen weitergegeben werden können.

Sie werden bei der Wahl Ende Januar keinen Erfolg mit Ihren Blendraketen und Späßchen erzielen. Sie sind weit von einer bedarfsgerechten Kinderbetreuung entfernt. Sie sind weit vom tatsächlichen Bedarf der Familien entfernt, und Sie sind meilenweit entfernt von einer fort

schrittlichen Familienpolitik. Unter Ihrer Regierung wird Hessen jedenfalls nicht zu einem Familienland. Wir werden das aber ändern.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin Lautenschläger das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider haben Sie das Angebot von heute Morgen nicht angenommen,sich mit uns über das Thema KNIRPS zu freuen,

(Petra Fuhrmann (SPD): Ich war beim Arzt!)

denn mit diesem Programm ist tatsächlich viel erreicht worden.Wir haben vor, in den nächsten Jahren für die Familien und für die Kinder in Hessen noch mehr zu erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß, das tut Ihnen nach wie vor weh, aber es freut mich, dass Sie die Namen unserer Programm so gut gelernt haben. Das Programm BAMBINI war ein Riesenerfolg. Die hessischen Kommunen nehmen daran teil, und alle Eltern in Hessen spüren die Entlastung durch die Freistellung des letzten Kindergartenjahres.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, es ärgert Sie, aber die Familien in Hessen freut es.

Es ist gut, wenn Sie mit uns das Programm KNIRPS – KNIRPS heißt:Kleinkindern nachhaltig intensiv rechtzeitig Plätze schaffen – nach draußen tragen,denn es geht darum, dass alle Kommunen möglichst schnell an diesem Programm teilnehmen, dass sie die erforderlichen Anträge stellen, dass sie ihre Bedarfe vor Ort ermitteln und so tatsächlich mehr Plätze für Kleinkinder in den Kommunen geschaffen werden.

Ich will etwas zu der Frage sagen, ob das überall gleich gemacht wird. Der Kollege Rentsch hat diese Frage aufgeworfen. Es wird nicht überall gleich gemacht, und zwar deshalb, weil wir in Hessen unterschiedliche Bedarfe haben. Deshalb teilen wir den Kommunen keine bestimmte Quote zu, sondern wir schaffen durch eine Erhöhung der Mittel, die wir für das Jahr 2008 vorsehen, eine Unterstützung für die Kommunen,vor allem für die Kommunen,die zusätzliche Betreuungsplätze schaffen, wo ein hoher Bedarf besteht, der möglichst schnell abgedeckt werden muss.Das kommt den Familien und ihren Kindern zugute.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sie nehmen aber den Kommunen das Geld weg! Da werden sich einige beschweren!)

Wir werden selbstverständlich mit den Kommunen sprechen, wie wir sie weiterhin unterstützen können und wie die Bundesmittel weitergeleitet werden sollen. Frau Kollegin Fuhrmann, Sie haben sich sicherlich die Vereinbarung mit dem Bund angeschaut, die wir ausdrücklich unterstützen. Ich bin sehr froh, dass Frau Kollegin von der Leyen diese Diskussion auf der Bundesebene sehr frühzeitig angestoßen hat und dass der Finanzminister gesagt

hat, er mache mit. Das ist prima und kommt wiederum den Familien zugute.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben zuerst einmal gefragt, was die Kommunen brauchen. Sie wollen einen Zuschuss zu den Betriebskosten bekommen. Wir haben jetzt einen guten Kompromiss erreicht. Ein Teil der 4 Milliarden c dient zur Finanzierung von Investitionskosten,ein weiterer Teil für feste Betriebskostenzuschüsse in Form eines Vorwegabzug bei der Umsatzsteuer.

(Petra Fuhrmann (SPD): Nachdem Sie 50 Millionen c gestrichen haben! Das war bitter für die Kommunen!)

Ich kann Ihnen versichern, mein Kollege Weimar hat von Anfang an beim Bund darauf gedrungen, dass wir eine Vereinbarung darüber treffen, wie nachgewiesen wird, dass diese Mittel vor Ort für die Schaffung von Betreuungsplätzen eingesetzt werden.Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit, weil wir genauso wie Sie wollen, dass mit den Landesmitteln Betreuungsplätze geschaffen werden und nicht irgendetwas anderes finanziert wird. Nein, es geht um den Ausbau der Betreuungsplätze – im Interesse der Eltern und der Kinder. Diese Vereinbarung werden wir umsetzen, um die Kommunen dann, wenn das Geld des Bundes fließt, noch besser beim Ausbau unterstützen zu können.

(Petra Fuhrmann (SPD): Nachdem Sie vorher 50 Millionen c gestrichen haben!)

Sie brauchen gar nicht dauernd dazwischenzurufen. – Ich will Ihnen sehr deutlich sagen: Wir wollen schon im nächsten Jahr 20 % erreichen.Wenn die Bundesmittel für zusätzliche Betriebskostenzuschüsse dazukommen, werden wir die 35-%-Marke in Hessen schneller erreichen, um die Familien zu unterstützen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Nur bei einem Regierungswechsel!)