Protokoll der Sitzung vom 06.09.2007

Ich rufe den Entschließungsantrag der GRÜNEN auf, Drucks. 16/7717. Wer ist für diesen Antrag? – Das sind SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU und FDP.Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 81:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP betreffend erfolgreicher Terroreinsatz deutscher Si

cherheitsbehörden, insbesondere auch der hessischen Polizei und des hessischen Verfassungsschutzes, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus – Drucks. 16/7731 –

Wir haben eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vereinbart.Als erste Rednerin hat sich Frau Zeimetz-Lorz für die Union gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der „Wiesbadener Kurier“ schreibt heute in seiner Schlagzeile: „Guter Tag für die Sicherheit“.

In der Tat, der 4. September 2007 war ein guter Tag für die Sicherheit in unserem Land.

(Beifall bei der CDU)

Nach monatelangen Ermittlungen konnten am Dienstag drei mutmaßliche islamistische Terroristen verhaftet und ein schwerer Anschlag in diesem Lande verhindert werden.

Während wir bei den Kofferbombern nur mit Glück einen Anschlag verhindern konnten, konnte am Dienstag ein Ergebnis der erstklassigen Arbeit der Sicherheitsbehörden erzielt werden.Wir haben von monatelangen Ermittlungen gehört. Drei mutmaßliche Terroristen wurden rund um die Uhr,Tag und Nacht, observiert. Die verschiedenen Sicherheitsbehörden haben dabei in hervorragender Weise zusammengearbeitet.

Trotzdem will ich heute nicht davon sprechen, dass die Sicherheitsbehörden von den rechtlichen und technischen Instrumentarien, die wir ihnen an die Hand gegeben haben, umfassend Gebrauch gemacht haben.

Ich will diesen Tag jenseits des politischen Streits nutzen, um Dank zu sagen für eine hervorragende, tolle Sicherheitsarbeit, für eine hervorragende, tolle Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sicherheitsbehörden. Die hessischen Sicherheitsbehörden waren hier in maßgeblicher Art und Weise beteiligt. Deswegen möchte ich für die Fraktion der CDU herzlich Danke sagen an das Landeskriminalamt, an die beteiligten Polizeibeamten und auch herzlich Danke sagen an das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Es freut mich daher ganz besonders – da wir uns sonst in diesem Hause bei Sicherheitsfragen gerne streiten –, dass wir uns heute mit allen vier Fraktionen dieses Hauses sehr schnell auf einen gemeinsamen Antrag verständigen konnten. Ich denke, auch das ist ein ganz wichtiges Signal an unsere Sicherheitsbehörden hier in Hessen für ihre gute Arbeit – dass sie die Unterstützung dieses ganzen Hauses für ihre Arbeit haben.

(Allgemeiner Beifall)

Leider müssen wir davon ausgehen, dass damit dieses Kapitel nicht abgeschlossen ist.Wir müssen weiterhin von einer Bedrohungslage ausgehen. Ich glaube, da ist es trotzdem gut, wenn wir alle gemeinsam unseren Sicherheitsbehörden herzlich zu ihrer hervorragenden Arbeit gratulieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Danke sehr. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Rudolph das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat haben der Fahndungserfolg und die Aktivitäten der deutschen Sicherheitsbehörden – aber auch der hessischen Sicherheitsbehörden im Besonderen, für die wir in erster Linie zuständig sind – in den letzten neun Monaten dazu geführt, dass möglicherweise der bisher größte islamistische Terroranschlag in Europa verhindert werden konnte.Dies war möglich,weil wir in Deutschland insgesamt, aber auch in Hessen, gut ausgebildete und professionell arbeitende Sicherheitsbehörden haben.

Deshalb war es für uns kein Problem – wenn ich von einzelnen kleinen Formulierungen absehe –, uns auf einen gemeinsamen Antrag zu verständigen. Ich denke, es ist auch ein wichtiges und richtiges Signal des Hessischen Landtags, an die Reihen der Mitarbeiter der Polizei und des Verfassungsschutzes gerichtet zu sagen: Wir wissen diese Arbeit zu würdigen. – Das sage ich an dieser Stelle ausdrücklich für die sozialdemokratische Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat heute Morgen in einer Überschrift formuliert: „Der Plan war perfide und grausam.“ Dieser Einschätzung wird man wohl folgen müssen. Deshalb ist es gut, dass rechtzeitig eingegriffen werden konnte.

Dabei stellt sich die Frage: Reichen die vorhandenen Sicherheitsinstrumente und die gesetzlichen Grundlagen aus? Ich denke, es hat sich herausgestellt, dass die Sicherheitsbehörden sehr schlagkräftig waren und dass die gesetzlichen Grundlagen ausgereicht haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Übrigens fand ich es gut, dass Bundesinnenminister Schäuble angesichts dieses Themas und nach diesen Fahndungserfolgen nicht gleich wieder reflexartig gesagt hat: Wir müssen Online-Durchsuchungen machen. – Nein, die Materie ist an der Stelle sehr komplex. Das will ich deutlich sagen. Eines geht nicht: Wir brauchen weder Hektik noch Hysterie. Wir müssen schlicht und ergreifend zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland nach wie vor potenziell gefährdet ist. Das ist so. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Die Möglichkeit, dass bei uns Anschläge durchgeführt werden, ist näher gerückt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen müssen wir kritisch nachfragen, ob es Sicherheitslücken gibt.Wir wissen nicht alles. Der Herr Innenminister hat die Obleute über bestimmte Abläufe informiert, über die in der Zeitung nichts zu lesen war. Das ist auch in Ordnung. Über bestimmte Punkte wird man an anderer Stelle vielleicht noch einmal reden müssen.

Dort, wo Sicherheitslücken bestehen, müssen wir sie schließen; denn das können wir uns nicht leisten.Aber offensichtlich – das ist unsere Auffassung nach der ersten Bewertung – reichen die bestehenden Instrumente an der Stelle aus.

Zu dem Thema Online-Durchsuchungen will ich sagen – da dieses Thema in den letzten Wochen eine wichtige Rolle gespielt hat –: Die Persönlichkeitsrechte und der Datenschutz einerseits sowie die berechtigten Sicher

heitsinteressen des Staates und damit aller Bürgerinnen und Bürger andererseits müssen sehr sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

In der Großen Koalition in Berlin befinden wir uns in der Diskussion darüber. Ich finde, wir müssen das dann auch gemeinsam bewerten. Es wird demnächst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts geben, das sicherlich Hinweise enthält, die wir aufnehmen und ernst nehmen müssen.

Deswegen sagen wir: Die Instrumente, die der demokratische Rechtsstaat hat, sind scharf genug. Sie sind auch richtig angewandt worden. Neun Monate harter polizeilicher und nachrichtendienstlicher Arbeit haben letztendlich zu einem Erfolg geführt und verhindern können, dass es zu Terroranschlägen gekommen ist.Wir alle – diejenigen, die in den Parlamenten und Regierungen Verantwortung tragen, aber auch alle Bürgerinnen und Bürger – müssen wachsam sein.

Deshalb ist der gemeinsame Entschließungsantrag wichtig. Es ist richtig, zu sagen:Terror darf in Deutschland und in der ganzen Welt keine Chance haben. – Wir müssen weiterhin wachsam bleiben.Aber wir müssen auch weiterhin sehr sorgfältig abwägen, wenn es um die Rechte des Einzelnen einerseits und die Rechte des Staates andererseits geht.

Ich glaube, dazu haben wir reichlich Gelegenheit. Martialische Töne sind nicht angebracht,sondern wir müssen das sehr sorgfältig gegeneinander abwägen. Wir haben den Eindruck,dass die Instrumente scharf genug sind und dass die bestehenden Gesetze ausreichen. Wenn es Handlungsbedarf gibt, müssen Gesetze geändert werden. Aber das muss nachgewiesen werden. Wir sind zu diesem Diskurs bereit. Deshalb können wir diesem Entschließungsantrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat ihr Vorsitzender, Herr Hahn, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Aus vollster Überzeugung – ich erkläre ganz bewusst: natürlich – sagen wir, die FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, den Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden in unserem Bundesland Dank.Wir bedanken uns ausdrücklich auch bei der Führung der Sicherheitsbehörden in unserem Bundesland. Dem Herrn Minister sage ich ebenfalls Dank, weil er das Parlament in einer einem derartigen Einsatz angemessenen Art und Weise an dem teilhaben ließ, was geschehen ist, sei es in dem Gremium des Verfassungsschutzes, sei es in Obleuteerörterungen, sei es in Form von dezenten Hinweisen am Rande von Sitzungen des Innenausschusses.

Ich bin sehr zufrieden damit, dass – wie ich glaube – zum ersten Mal in der Geschichte solcher Großeinsätze auf dem Gebiet der inneren Sicherheit vorher nichts in der Zeitung stand. Das ist ein Erfolg.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist ein Erfolg, den wir nicht nur den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden, der Führung der Sicherheitsbehörden und den Politikern, sondern

auch den Medien zu verdanken haben. Natürlich hat es den einen oder anderen Hinweis gegeben, insbesondere zu Vorgängen, die gerade in den Augen von regional tätigen Journalisten verdächtig und auffällig sein müssen. Ganz offensichtlich ist es immer wieder gelungen, entweder den Menschen ihre Verantwortung deutlich zu machen oder sie auf eine etwas andere Art davon abzuhalten, das zu veröffentlichen. Es wäre ein schwerer Schlag gewesen, wenn diese Operation schon viel früher hätte beendet werden müssen.

Ich sage das auch sehr bewusst als Dank an die Presse. Der Herr Ministerpräsident hat das gestern Abend auf dem Empfang der Zeitungsverleger in Schlangenbad in, wie ich finde, angemessener Weise ausgedrückt. Das ist die Verantwortung, die wir alle tragen. Manchmal reden wir von der „vierten Gewalt“.An diesem Punkt zeigt sich, dass auch sie in das System mit eingebaut ist. Wäre um Hanau herum – ich will mich einmal bildhaft ausdrücken – etwas bekannt geworden, hätten wir nicht diesen Erfolg gehabt.Vielen herzlichen Dank also an alle Beteiligten.

Das zeigt, dass die Architektur der inneren Sicherheit sowohl in unserem Bundesland als auch in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt jetzt gut ist. Jeder, der meint, er müsse an der Architektur der Sicherheit in Deutschland herummäkeln, wird gerade nach dem Ereignis vorgestern noch mehr in Begründungszwang geraten. Ich habe das Gefühl, er wird keine vernünftigen Begründungen mehr finden.

Die Zusammenarbeit zwischen den Diensten und zwischen den Polizeibehörden ist optimiert worden. Ich kann mich noch an das erinnern, was ich als junger Abgeordneter Mitte der Neunzigerjahre erlebt habe: Damals hatten wir den Fall, dass ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes von Rheinland-Pfalz vom Verfassungsschutz in Hessen observiert wurde, weil man sich nicht informiert hatte. Der Mensch hieß Steinmetz. Das kann man heute sagen. Er hat dadurch Berühmtheit erlangt, dass er an dem Anschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt beteiligt war. Mehr darf ich hier nicht dazu sagen.Aber so viel darf ich sagen.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das hat sich also diametral verändert. Deshalb meine ich auch – das ist mein zweiter Punkt –, dass das Gerede in dieser unserer Republik endlich aufhören sollte – das betrifft insbesondere das Gerede der konservativen Innenpolitiker –, wonach es überall noch Nachholbedarf gebe. Diese Politiker sagen der Bevölkerung etwas Unwahres. Sie machen der Bevölkerung Angst, wenn sie sagen, die Struktur der inneren Sicherheit müsse an zentralen Punkten noch verbessert werden.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, es hat sich gezeigt, dass die Struktur der inneren Sicherheit jetzt richtig ist. Eine Feinabstimmung ist überall immer wieder notwendig. Aber der Grobrahmen stimmt nun tatsächlich, z. B. was die Verhältnisse innerhalb des Landes betrifft.Gerade von der Vorgängerregierung – der Koalition von CDU und FDP – wurde mit dem Umbau einiges geschaffen.

Ich weiß allerdings, dass einige von Ihnen das nicht so gut fanden. Aber es war richtig, dass der Verfassungsschutz gestärkt wurde. Ich kann mich daran erinnern, dass die Mitarbeiterzahl des Landesamtes für Verfassungsschutz

im Jahr 1998 auf Wunsch der GRÜNEN erheblich reduziert wurde.

Die Gefahr ist weiterhin vorhanden. Wir dürfen uns jetzt überhaupt nicht zufrieden zurücklehnen und so tun,als ob das Problem mit dem Erfolg von vorgestern gelöst wäre. Es besteht weiter – wenn es sich auch um andere Ausführungsmöglichkeiten handeln mag.

Letzte Bemerkung. Ich empfehle, dass wir alle uns sehr schnell mit dem Kommentar von Richard Meng beschäftigen. Richard Meng hat heute Morgen einen Kommentar in der „FR“ geschrieben. Die zweite Überschrift lautet: Fritz und Daniel wurden unter Terrorverdacht festgenommen, nicht Mohammed oder Mustafa. Das wirft neue Fragen auf. Kein guter Tag für die Sicherheit. Die Gefahren wachsen.