Es ist daher zentrales Ziel der Landesregierung, so früh wie möglich, spätestens jedoch 2011..., wieder einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung vorzulegen.
Dies ist angesichts der geplanten Nettoneuverschuldung von nahezu 700 Millionen c im kommenden Jahr blanker Hohn. Im Sinne meines Bildes von einem Trinker kann man nur noch sagen: Na denn prost. – Die Tatsache, dass zahlreiche Bundesländer, die in einer weitaus prekäreren finanziellen Situation als das Bundesland Hessen stecken und dennoch einen Haushaltsausgleich entweder bereits vollzogen oder für das kommende Jahr angekündigt haben, zeigt, dass die Landesregierung die Zielsetzung einer nachhaltigen und generationengerechten Haushaltspolitik überhaupt nicht ernsthaft verfolgt.
Wenn man Hessen mit anderen Bundesländern konkret vergleicht, stellt man fest, dass dieses Urteil umso berechtigter ist; denn es sind keinesfalls nur die sogenannten Nehmerländer, die dank der BEZ – Sie wissen, das sind die Bundesergänzungszuweisungen – oder gar dank der SoBEZ, der Sonderbundesergänzungszuweisungen, am Ende der Finanzausgleichstransfers höhere Steuereinnahmen pro Kopf der Bevölkerung haben als Hessen.
Nicht nur die Nehmerländer kündigen eher einen ausgeglichenen Haushalt an. Es sind auch die Geberländer, wie Baden-Württemberg und Bayern,die bereits sehr viel früher zu ausgeglichenen Haushalten kamen oder kommen werden als Hessen.
Wie war das eigentlich mit dem Vergleich mit unseren südlichen Nachbarn, der von der Regierung Koch so gern vorgetragen worden ist? Wie war das mit den dortigen Vorbildern? Der Vergleich mit denen,an denen Sie sich so gern messen wollen, ist ziemlich beschämend; auf Neudeutsch könnte man auch sagen:Herr Weimar,das Benchmarking geht voll zu Ihren Lasten.
Die Feststellung des Finanzministers, durch eine Senkung der Nettoneuverschuldung um 145 Millionen c im Vergleich zum Haushaltsgesetz zum 2007 sei „bereits Enormes geschafft“ – das steht in der Pressemitteilung –, ist völlig unzutreffend. Ich habe bereits darauf hingewiesen – die Beratungen über den Nachtragshaushalt werden das endgültig zeigen –, wie sich der Verschuldungsansatz für das Jahr 2008 im Verhältnis zu der Neuverschuldung 2007 darstellen wird. Unter diesen Umständen von einer Senkung der Verschuldung zu sprechen und diese Finanzpolitik auch noch als Konsolidierung zu verkaufen, entspringt entweder einer totalen finanzpolitischen Umnachtung, oder es handelt sich um eine besondere Form der absichtlichen Wählertäuschung.
Besonders trickreich gibt sich der Herr Finanzminister, wenn er erklärt – jetzt kommen wir auf den Haushaltsplanentwurf zurück –, in welcher Weise er die höheren Einnahmen, die für das Jahr 2008 prognostiziert sind, für Ausgaben verwendet oder auch nicht. Dabei befindet sich der dollste Punkt in der Liste mit dem Titel – ich zitiere – „Verzehr der Steuermehreinnahmen“ von 400 Millionen c für den „Wegfall der Veräußerungserlöse“. Da in den vergangenen Jahren im Rahmen der Leo-Programme landeseigene Immobilien im Wert von 2,5 Milliarden c verscherbelt worden sind, steht im kommenden Jahr für den Verkauf einfach nichts mehr zur Verfügung.
Im Klartext heißt das, das Tafelsilber ist verhökert, aber erst jetzt hat Herr Weimar festgestellt, dass wir es nur einmal verkaufen können. Ich erinnere mich noch daran, dass ich an diesem Pult mehrfach die Geschichte von dem betrügerischen Taubenhändler erzählt – morgens ist die Taube verkauft, abends ist sie im Schlag zurück – und darauf hingewiesen habe, dass das bei Immobilien nicht geht. Offensichtlich haben Sie mir das nicht glauben wollen. Die „überraschende“ Tatsache, dass man Immobilien nur einmal verkaufen kann und sie dann weg sind, führt im Haushalt 2008 zu einem – ich zitiere – „Einnahmeverzehr in Höhe von 400 Millionen c“.
Da sitzt irgendwo ein wahrscheinlich schwarzer Molch und greift sich nur deshalb 400 Millionen c ab, weil Sie keine Grundstücke mehr haben. Das ist eine interessante Konstruktion.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Norbert Schmitt (SPD): „Einnahmeverzehr“, das ist gut!)
Herr Finanzminister, wie oft haben wir GRÜNE – die Kollegin Erfurth und ich – und auch Rednerinnen und Redner der SPD Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass Sie das Vermögen verschleudern und damit unwiederbringlich verlieren. Wir durften uns deswegen Hohn und Spott anhören, während Sie sich in Elogen darüber ergangen sind, welch gute Geschäfte Sie doch für das Land tätigen. Besonders der verehrte Kollege Caspar tat sich dabei hervor. Er hat sich selbst zum „immobilienveräußerungspolitischen“ Sprecher der Union hochstilisiert.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Meine Damen und Herren von der CDU, glauben Sie eigentlich, dass Ihnen noch irgendjemand die These abnimmt, weniger Grundbesitz sei mehr wert, dass Sie also noch irgendjemanden damit hinters Licht führen können? Jedenfalls steht es jetzt fest – man kann es im Haushaltsplanentwurf nachlesen –, dass das Vermögen weg ist und dies zu einem Verzehr von Steuermehreinnahmen führt.
Die Finanzplanung des Landes macht zu allem Überfluss auch noch eine gravierende Altlast der von Roland Koch geführten Landesregierung deutlich. Ich spreche jetzt von den steigenden Zinsausgaben. Im Verlauf der letzten Jahre konnten die Folgen der wachsenden Verschuldung durch die Umschuldung und die Wahrnehmung eines historisch niedrigen Zinsniveaus relativ konstant gehalten werden. In Zeiten steigender Zinssätze macht sich dies aber im Haushalt durch steigende Zinsausgaben – und zwar in Potenz – bemerkbar. Von 2007 bis 2011, also in dem betrachteten Zeitraum – wie Sie merken, bin ich wieder beim Finanzplan –, steigen die Zinsausgaben von 1,38 Milliarden auf 1,59 Milliarden c, also um rund 209 Millionen c bzw. 15 %.
Dabei verschweigt die Landesregierung in der Finanzplanung erhebliche weitere Zinsrisiken. Der Herr Finanzminister sagte heute in der ihm eigenen und eigentlich so netten Art: „Ei ja, die Zukunft kennt man net; deswesche weiß man net so genau, was aus der Immobilienkrise in den USA“ – als ein Beispiel für Risiken – „noch so werden kann.“ Richtig,wir alle sind keine Hellseher.Aber ein anständiger Finanzminister hat vorsorgend zu denken und eine entsprechende Risikominimierung zu betreiben.
Eine Form der Risikominimierung bestünde doch darin, wenigstens umgehend damit zu beginnen, die Verschuldung zu reduzieren. Leichtsinnigerweise schiebt die Landesregierung das immer weiter vor sich her.
Um es allen deutlich zu machen: Auch wenn er längst nicht mehr im Amt ist, wird Karlheinz Weimar uns Hessinnen und Hessen Jahr für Jahr rund 880 Millionen c kosten. Die Zinsen, nach dem heutigen Niveau berechnet, nicht nach steigenden Zahlen – 4,57 % ist im Augenblick das Durchschnittsniveau –, machen 480 Millionen c aus. Darin sind natürlich nur die Neuschulden eingerechnet, die unter der Verantwortung von Karlheinz Weimar gemacht wurden.Das ist eine Summe von 10,5 Milliarden c. Ich habe mir erlaubt, den Einnahmeverzehr in Höhe von 400 Millionen c zu addieren. Das sind insgesamt – verlorene – 880 Millionen c, die wir dafür zahlen müssen, dass Karlheinz Weimar Finanzminister war.
Es möge bitte niemand glauben,dass wir,wenn wir ihn behalten würden,dieses Geld nicht aufbringen müssten.Das wäre ein fataler Irrtum.Wenn wir ihn behielten, würde es ausweislich der eigenen weimarschen Finanzplanung noch viel teurer werden.
Können Sie sich eigentlich vorstellen,wie viel Schönes wir in Bildung und Wissenschaft,bei der Betreuung,in der Sozialpolitik, ja selbst bei Polizei und Justiz mit diesen 880 Millionen c finanzieren könnten? Dann gäbe es Exzellenz, wohin man auch schaute. Aber wir haben diese Exzellenz leider nicht – wohl weil bei uns in den entscheidenden Jahren die Exzellenz an der Spitze des Finanzministeriums fehlte.
Herr Koch und Herr Weimar haben nach der Regierungsübernahme 1999 den Konsolidierungskurs verlassen und die Schussfahrt in die Schuldenfalle begonnen.Als die Bedingungen schlechter wurden, hat sich der Absturz beschleunigt. Diese Bilanz ziehen wir heute.
Meine Damen und Herren, für den Fall, dass Sie aus meiner Stimme eine leichte Verärgerung heraushören: Das hat damit zu tun,dass ich es als besonders empörend empfinde, dass ausgerechnet diejenigen, die das Finanzdesaster in den letzten Jahren vorsätzlich herbeigeführt haben, jetzt meinen, der Opposition unsolides Finanzgebaren vorwerfen zu müssen.
Wer so tief im Schuldenmorast steckt wie die hessische CDU mit ihrer Landesregierung – ihrem Finanzminister –, der hat wirklich jedes Recht verwirkt, über die finanzpolitische Solidität anderer auch nur eine einzige kritische Bemerkung zu machen.
Machen Sie den von Ihnen gestifteten Schaden erst einmal wieder gut, oder fangen Sie wenigstens mit der Wiedergutmachung an, bevor Sie anderen Noten in Finanzwirtschaft geben.
Meine Damen und Herren, ich erinnere nur daran, dass Koch,Weimar und Co. die einst versprochene Vorlage der Eröffnungsbilanz des Landes – manche nennen das Land in diesem Zusammenhang lieber „Konzern Hessen“ – vom Anfang des Jahres 2008 um ein Jahr auf Anfang des Jahres 2009 verschoben haben.Wollte – nein, musste man sich unbedingt vor dem Wähler verstecken, weil die Bilanz so grauenhaft aussieht? Vieles spricht dafür, dass dies so ist, auch wenn jetzt natürlich andere Gründe dafür genannt werden, beispielsweise die Parole „Sorgfalt muss vor Schnelligkeit gehen“.Auf jeden Fall wird die Bilanz so toll nicht sein, dass man sie unbedingt vorzeigen will. Denn wenn sie das wäre, dann hätte Dirk Metz längst dafür gesorgt, dass sie öffentlich ist.
Man hört, ein negatives Eigenkapital wird drinstehen. Dies ist ein Sachverhalt, der für jedes Wirtschaftsunternehmen einen sofortigen Insolvenzantrag zur Folge hätte. Weimar wollte aber bis in dieses Jahr unter dem Namen „Leo“ Vermögenssubstanz des Landes ungestört und ungestraft verhökern. Auch das legte es nahe, die Eröffnungsbilanz vor sich herzuschieben.
Meine Damen und Herren, in einer solchen Haushaltsrede, zumal wenn sie zum Abschiedshaushalt dieses Fi
nanzministers zu halten ist, wird zwangsläufig viel auf die Vergangenheit und die Gegenwart geschaut. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, wie es geschah und wer es zu verantworten hat, dass die Finanzsituation des Landes so schlimm ist, wie sie ist.
Nachdem ich Ihnen das jetzt dargelegt habe, muss noch eine Kritik ergänzt werden, die jedoch ziemlich fundamental ist. Ernsthafte Ansätze bei der Landesregierung, die Haushaltswirtschaft strukturell zukunftsfähig zu machen, sind nicht zu erkennen. Da werden die Zeichen der Zeit genauso wenig erkannt, wie die Verpflichtungen gegenüber den künftigen Generationen ernst genommen werden. Selbst intensive Suche förderte bislang keine umsetzbaren Konzepte zutage.
Da wollen wir GRÜNE, die natürlich an Morgen denken, gerne helfen. Deswegen komme ich auf unseren Antrag zu sprechen.
Als einzige Fraktion im Landtag haben wir einen tauglichen Vorschlag für die strukturelle Neugestaltung des Haushalts und des Haushaltsrechts auf den Tisch gelegt. Die Debatte im Rahmen der Föderalismuskommission II, in der die Akteure aus Bund und Ländern zusammensitzen, zeigt, dass die Notwendigkeit zur Neubestimmung der Verschuldungsgrenzen und von geeigneten Bestimmungsgrößen von einer Vielzahl von Akteuren geteilt wird.
Meine Damen und Herren, schauen Sie sich die Stellungnahmen der Experten an. Das Bundesverfassungsgericht hat neue wirksame Regeln zur Schuldenbegrenzung gefordert. Der Sachverständigenrat hat ein ähnliches Modell wie den Zukunftshaushalt für die Bundesebene vorgeschlagen. Finanzminister Steinbrück fordert einen Nettoinvestitionsbegriff, und selbst die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nähert sich mittlerweile dem Thema Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild Schritt für Schritt an.
Wir haben es vorgeschlagen. Der Antrag wurde im Haushaltsausschuss bereits vorbesprochen. Ich konnte dort eine sanfte Sympathie für unseren Vorschlag erahnen. Lassen Sie uns auf der Grundlage dieser Vorstellungen über unsere hessischen Möglichkeiten einer zukunftsfähigen, regelgebundenen Haushaltspolitik diskutieren. Dabei müssen wir nicht auf die Bundesebene oder irgendeine Föderalismuskommission warten. Mit der Realisierung dieses Projekts kommt Hessen endlich wieder nach vorne.
Genau an dieser Stelle hätte ich mir eigentlich gewünscht, dass Sie, Herr Finanzminister, in Ihrer Rede etwas mehr Zeit darauf verwendet hätten. Das war doch etwas arg dünn, was Sie uns heute zu diesem Thema hier gesagt haben.
Erstens wollen wir eine Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild einführen, die das Ziel eines langfristig über den Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichenen Haushalts verfolgt
und eine Verschuldung nur noch in Phasen der Rezession erlaubt; in Phasen des konjunkturellen Booms muss die entstandene Verschuldung konsequent abgebaut werden.
Meine Damen und Herren, ich mache jetzt einen Einschub. Auch wenn es ihm peinlich ist, möchte ich nämlich an dieser Stelle den Finanzminister ausdrücklich loben und ihm die Zustimmung der GRÜNEN-Seite signalisieren. Wir finden es ausdrücklich richtig, dass er einem generellen Verschuldungsverbot eine Absage erteilt hat. Er hat das heute Morgen hier wiederholt. Ein solches Verbot besticht nur auf den ersten Blick. Es wäre viel zu statisch, um die Dynamik wirtschaftlicher Entwicklung wirklich berücksichtigen zu können. Damit würde es prozyklisch wirken.
Herr Weimar, hier zu konstatieren, dass Sie dagegen sind, finden wir gut. Sie sollten jetzt versuchen, das Ihren Kollegen in Baden Württemberg und Nordrhein-Westfalen auch noch zu erklären, denn ich glaube, die sehen das derzeit noch etwas anders.
Meine Damen und Herren, ich komme zu unseren Vorstellungen zum Zukunftshaushalt zurück. Zum Zweiten wollen wir den Investitionsbegriff neu bestimmen. Die Kopplung der zulässigen Verschuldung an Bruttoinvestitionen, wie sie in unserer Verfassung steht – mehr oder weniger in allen Verfassungen –, hat sich nicht bewährt.