Der Haushalt 2008 ist von einer achtstelligen Ziffernfolge gekennzeichnet.Die Ziffern lauten:27 01 2008.Das ist der Wahltag für die nächste Landtagswahl. Deshalb ist dieser Haushalt ein Wahlkampfhaushalt. Herr Minister, es gibt keinen besseren Ausdruck dafür. Es ist und bleibt ein Wahlkampfhaushalt.
Der Vergleich des Jahres 2008 mit dem Haushalt 2007 ist allerdings unzulässig, denn der Haushalt 2007 ist faktisch schon jetzt Makulatur. Sie wissen selbst, dass in wenigen Wochen ein Nachtrag vorgelegt werden wird. Also ist alles, was auf 2007 basiert, von den absoluten Veränderungen und auch von den Steigerungsraten her völlig falsch. Deshalb ist aus unserer Sicht der einzige realistische Vergleich, der jetzt angestellt werden kann, der mit dem Jahr 2006, dem letzten abgeschlossen Jahr. Denn wir wissen: Der Haushalt 2007 wird im Nachtrag vermutlich höhere Steuereinnahmen und eine wesentlich geringere Verschuldung beinhalten.Also ist es unredlich, sich darauf zu beziehen, wenn man weiß, dass das nicht mehr Fakt werden wird.
Wenn ich aber den Vergleich des Haushalts 2008 mit dem Istwert des Jahres 2006 anstelle, dann sehen wir, dass die Nettoneuverschuldung von 582 Millionen c im Jahr 2006 um fast 100 Millionen c auf 681,5 Millionen c im Jahr 2008 steigt. Lässt man die 300 Millionen c Rücklageentnahme weg, dann wären es sogar 400 Millionen c, aber ausgewiesenermaßen sind es allein 100 Millionen c mehr an neuen Schulden. Wir senken also nicht die Neuverschuldung, sondern wir steigern die Neuverschuldung im Jahr 2008 im Vergleich zum Jahr 2006. Das sind die Fakten. Wenn man sich allein diese Zahl ansieht, staunt man natürlich. Denn von ernsthaften Konsolidierungsbemühungen kann keine Rede sein. Dieser Landeshaushalt ist nicht solide, und er wird, folgt man dem Finanzplan, auch bis 2011 nicht solide werden.
Dieser Finanzplan, der etwas mehr aussagen sollte, als der Haushalt, der ein reiner Wahlkampfhaushalt ist, ist auf Sand gebaut. „Null Neuverschuldung im Jahr 2011“ liest sich toll.Auch unser Ziel ist es, das zu erreichen. Das steht außer Frage. Wenn man sich aber ansieht, unter welche Bedingungen die Null-Neuverschuldung gestellt wird, und wenn man liest, was der Finanzplan dazu aussagt, dann ist das Ganze nicht mehr ganz so toll. Denn hier steht zu lesen:
Allerdings steht das beschriebene Szenario unter den Vorbehalten einer weiter günstigen konjunkturellen Entwicklung sowie keiner weiteren Belastungen des Landeshaushalts durch bundespolitisch motivierte Maßnahmen.
Im Klartext heißt das doch nichts anderes als Folgendes: Die Landesregierung verzichtet darauf, den Haushalt strukturell durch Ausgabensenkung in Ordnung zu bringen. Sie vertraut auf weiter steigende Steuereinnahmen. Sie vertraut darauf, dass die Konjunktur ihren jetzigen Stand fortführen wird, was extrem unwahrscheinlich ist; sie vertraut damit auf ein Faktum, auf das wir alle hoffen. Aber auf Hoffnung allein kann man nicht aufbauen.Diese Finanzpolitik ist mehr als fahrlässig und schon gar nicht als solide zu bezeichnen.
Wenn der Herr Minister gesagt hat, dass er den Vorwurf des Wahlkampfhaushalts ganz und gar von sich weise, dann darf ich noch einmal ein paar Prozentsätze verlesen. Sie sind schon genannt worden, aber sie sind so wunderschön und sollten noch einmal zur Sprache kommen. Das ist die prozentuale Steigerung der bereinigten Gesamtausgaben ohne LFA und ohne KFA. Weiter runterdrücken kann man den Wert also nicht. Das ist wirklich das, was das Land an primärem Einfluss hat. Diese Ausgabensteigerungen belaufen sich in den Jahren 2008 bis 2011 auf folgende Prozentsätze: 2008 sind es plus 5,1 %, 2009 sind es plus 0,5 %,2010 sind es plus 0,8 %,und 2011 sind es plus 0,3 %. Preisfrage: In welchem Jahr findet die Landtagswahl statt?
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie der Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) und Norbert Schmitt (SPD))
Deutlicher als mit dieser schlichten Zahlenreihe lässt sich der Charakter des Haushalts als Wahlkampfhaushalt kaum beschreiben.
Der Haushalt ist nach dem Motto aufgestellt worden: allen wohl- und keinem wehgetan. Da werden Tariferhöhungen per Gesetz vereinbart – zum ersten Mal seit Brünings Zeiten. Das geschieht, damit die Empfänger am Wahltag fröhlich gestimmt sind. Da wird mit einer einzelnen ausgewählten Gewerkschaft verhandelt. Man einigt sich dann auf eine Besoldungssteigerung, garniert mit einer Reihe von Einmalzahlungen, damit das Ganze fröhlich stimmt. Auf einmal gibt es in allen möglichen Bereichen zusätzliches Geld, das ausgegeben wird. Aber diese Ausgabensteigerungen im Jahr 2008 kreieren doch die Erwartung von weiteren Ausgabesteigerungen, die sich als gefährlich erweisen werden, wenn die Konjunktur abgleitet.
Ich warne davor, den Haushalt 2008 und insbesondere die Haushalte danach auf einer Basis aufzubauen, die lautet: Es wird immer weiter so bergauf gehen wie im Augenblick.
Das haben Sie bedauerlicherweise doch gemacht, Herr Kollege Milde. Sie haben offenbar die Zahlen selbst nicht gelesen. Das ist bedauerlicherweise der Fall.
Die von der Landesregierung geplanten strukturellen Änderungen innerhalb des Haushalts sehen folgendermaßen aus. Ich nehme jetzt einfach einmal einige Quoten und vergleiche nur die Quote im Jahr 2008 mit der im Jahr 2011. Das ist es, was sich die Landesregierung als ihre eigene Politik vorgenommen hat.
Die Personalausgabenquote beträgt im Jahr 2008 – wir wissen,dass sie nicht ganz echt ist;darauf komme ich noch zu sprechen – 39,1 %.Im Jahr 2011 beträgt sie 39,2 %.Das ist wohl keine strukturelle Umsteuerung. Das wird auch Kollege Milde nicht im Ernst behaupten wollen.
Wir kommen zur Investitionsausgabenquote. Kollege Schmitt hat schon einiges dazu gesagt. Im Jahr 2008: 10,7 %, im Jahr 2011: 10,3 %. Auch das ist keine strukturelle Umschichtung des Haushalts.
Zur Zinsausgabenquote. Im Jahr 2008: 8,0 %, im Jahr 2011: 8,5 %. Wenn wir sagen würden, die einzige strukturelle Änderung ist die, dass die Zinsen anteilsmäßig steigen,dann hätten wir in der Tat eine strukturelle Änderung erreicht. Ich erkenne aber in diesem Haushalt kein Umsteuern.
Sehen wir uns doch einmal den Block Personalaufwand an. Die Landesregierung hatte sich vorgenommen, in dieser Legislaturperiode den Zielen des Zukunftssicherungsgesetzes zu folgen. Darin stand, dass 5.711 Stellen aufgrund der PVS und 2.035 Stellen aufgrund von Produktivitätsgewinnen entfallen sollen. Das macht 7.746 Stellen. Was wir heute lesen, sind 5.411,5 Stellen aus der PVS; wie viele aus den anderen Bereichen entfallen sind, wird nicht gesagt. Da ist zumindest der Beweis offen geblieben, dass das Ziel erreicht ist.
Etwas skeptisch stimmt mich eine andere Feststellung, dass wir nämlich im Jahr 2006 nach dem Bericht über die Personalausgaben, der von der Landesregierung erstellt wird, Personalaufwand in Höhe von 9,5 Milliarden c hatten. Für das Jahr 2008 sind knapp 9 Milliarden c vorgesehen. Das ist insofern eigenartig, als ganz plötzlich im Jahr 2008 gegenüber dem Jahr 2006 eine erhebliche Senkung des Personalaufwands eingetreten sein müsste. Das ist umso erstaunlicher, als in den darauf folgenden Jahren wiederum eine gegenteilige Entwicklung einsetzen wird. Entweder haben Sie jetzt Aufwand und Ausgaben verwechselt,oder wir haben sie nicht richtig zugeordnet,oder die Zahl für 2006 ist falsch,oder was auch immer.In jedem Fall ist dies hier nicht schlüssig.
Ich komme noch einmal auf die mittelfristige Finanzplanung. Für die Jahre 2006 bis 2010 wurden Personalausgaben – wohlgemerkt: Ausgaben, wir sind hier wieder bei den Ausgaben und nicht beim Aufwand – in Höhe von 6,9 Milliarden c vorgesehen. Im Haushaltsplanentwurf 2008 liegt diese Position bei 7,13 Milliarden c. Da frage ich mich: Ist das ein Irrtum? Ist das ein Rechenfehler? Ist ungeplant Mehrbedarf aufgetreten – möglicherweise aus Gründen, die mit der Wahl zusammenhängen? – Auf jeden Fall ist das kein Beispiel einer erfolgreichen Konsolidierung.
Von einer Zurückhaltung in der Ausgabenpolitik ist weit und breit nichts festzustellen. In der Finanzplanung 2006 bis 2010 waren für das Jahr 2008 bereinigte Gesamtausgaben ohne Länderfinanzausgleich in Höhe von 17,3 Milliarden c geplant. Der vorliegende Entwurf sieht bereinigte Gesamtausgaben ohne Länderfinanzausgleich in Höhe von 18,2 Milliarden c vor.
Der Zuwachs ist offenbar der Konsolidierungsbeitrag der Hessischen Landesregierung. Da frage ich mich wieder: Zufall? Plötzlicher Mehrbedarf? Rechenfehler? Konsolidierung? Oder vielleicht auch Wahlkampf?
Für das Ausgabenverhalten des Landes Hessen ergibt sich im Vergleich 2008 zu 2006 folgendes Bild: Die bereinigten Gesamteinnahmen steigen in diesem Zeitraum von 18,9 Milliarden c auf 20 Milliarden c,also um 1,1 Milliarden c. Die bereinigten Gesamtausgaben nach Länderfinanzausgleich steigen im gleichen Zeitraum von 16,9 Milliarden c auf 18,2 Milliarden c, also um 1,3 Milliarden c. Die Ausgaben steigen stärker als die Einnahmen. Das kann auch die berühmte Dame aus dem Vogelsbergkreis nachvollziehen: Da ist von Konsolidierung beim besten Willen nichts zu spüren.
Das Erreichen und Beibehalten eines strukturell ausgeglichenen Haushalts bedeutet, dass in konjunkturellen Hochphasen merkliche Überschüsse erzielt werden müssen.
Ich würde sagen, wir haben eine relative Hochphase – mit 2 bis 3 % ist sie nicht so ganz hoch –, von merklichen Überschüssen und dem Streben danach ist allerdings keine Spur.
Sehen wir uns doch einmal an, was die Europäische Zentralbank in ihrem Septemberbericht zu den öffentlichen Finanzen ausführt. Was sie hier sagt, stimmt nicht nur für den Gesamtstaat Deutschland oder für die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern natürlich auch für den Gliedstaat Hessen. Hier heißt es:
In den Haushaltsplänen für das kommende Jahr sollte sich die in einigen Ländern weiterhin bestehende Notwendigkeit der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in der Form widerspiegeln, dass konkrete Maßnahmen zur Defizitrückführung, vorzugsweise auf der Ausgabenseite, aufgezeigt werden.
Länder,die ihre Pläne zur Haushaltskonsolidierung angesichts unerwartet kräftiger Einnahmesteigerung lockern, riskieren damit eine Wiederholung des Szenarios der Jahre 1999 und 2000, als fehlende Umsicht innerhalb kurzer Zeit übermäßige Defizite entstehen ließ.
Meine Damen und Herren, genau das befürchte ich bei der Landesregierung, so wie sie es hier gezeigt hat.Wir sehen, es kommt mehr Geld herein, wir freuen uns darüber und lockern die Ausgabenbremse und werden der Ange
legenheit in kurzer Zeit nicht mehr Herr.Der Minister hat schon vorgesorgt, indem er gesagt hat, alles, was im Haushaltsplan stehe, stehe unter dem Vorbehalt, dass die Konjunktur weiterhin fröhlich steige und sich entwickele.
Vereinfach lässt sich die Politik der Landesregierung so beschreiben: Die Ausgaben entwickeln sich vom gegenwärtigen Niveau aus kontinuierlich weiter, jeweils erhöht um die Rate der Geldentwertung, um Besoldungssteigerungen und um einzelne Leuchtturmprojekte. Die Einnahmen steigen manchmal, und manchmal sinken sie. Wenn sie steigen, können wir uns noch mehr leisten und verringern dadurch die Nettoneuverschuldung. Wenn sie sinken, passen wir die Ausgaben keineswegs an, sondern machen eben mehr Schulden. – Das ist die Quintessenz der Finanzpolitik der Hessischen Landesregierung: Keine gezielte Konsolidierungspolitik, sondern wir strecken uns nach der Decke, und wenn die Decke zu kurz ist, verlängern wir sie mit neuen Krediten.
Dabei ist der Landeshaushalt 2008 noch kein Spiegelbild der wahren Lage.Was fehlt,ist die implizite Verschuldung, insbesondere die Pensionsverpflichtungen. Wir werden sie erst noch richtig zu sehen bekommen, wenn die berühmte Eröffnungsbilanz eines Tages aufgestellt wird. Eines wissen wir schon jetzt: Die Lage ist wesentlich schlechter, als sie hier ausgewiesen wird. Das kann man sagen, ohne dass man irgendetwas Falsches feststellt.
Bei der Fortsetzung dieser Politik laufen wir sehenden Auges in das nächste Problem hinein.Wie auch immer die künftige Konjunkturentwicklung beurteilt wird – dass die jetzigen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten bis 2011 anhalten werden, ist extrem unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Der Konjunkturindex des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim zeigt, dass sich seit Mai 2007 von Monat zu Monat die Stimmung unter den befragten Finanzprofis verschlechtert.
Da ist nichts herbeizureden. Wir hoffen, dass alles anders kommen wird. Aber davon auszugehen, dass dies alles nicht stimmt und dass es weiter bergauf geht, das ist allerdings extrem unvorsichtig. Das zeigt, dass die Landesregierung nicht gewillt ist, mit aktiven ausgabesenkenden Maßnahmen gegenzusteuern.
Es ist unverantwortlich, Schönwetterausgaben auf Jahre hinweg einzuplanen, wenn mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass die Schönwettereinnahmen nicht auf Jahre hinaus zu erwarten sind. Eine treuherzige Feststellung im Finanzplan des Landes Hessen macht schlaglichtartig deutlich, dass die Landesregierung kein mittelfristig angelegtes konsequentes Konsolidierungskonzept für den Landeshaushalt hat.