Protokoll der Sitzung vom 26.09.2007

Halten wir fest: Die Schuldenbremse hat in der Schweiz nicht funktioniert, und es spricht überhaupt nichts dafür, dass sie in dem sehr viel größeren und komplexeren Gebilde Deutschland funktionieren könnte.

(Unruhe)

Aus Sicht der FDP-Fraktion brauchen wir erstens den festen politischen Willen, dass wir von dem falschen Weg abweichen wollen. Diesen Willen haben wir vielleicht noch gemeinsam. Aber zweitens sagen wir – damit unterscheiden wir uns von den anderen Fraktionen –: Wer keine Schulden machen soll, dem soll man das Schuldenmachen verbieten.

(Beifall bei der FDP)

Um sicherzustellen, dass niemand – und sei es mit der schönsten Ausrede – vom Pfad der Tugend abweichen kann, brauchen wir ein absolutes und unkonditioniertes Verbot der Aufnahme staatlicher Schulden. Solange wir dieses Null-Gebot in der Hessischen Verfassung nicht haben, so lange werden wir immer wieder darüber diskutieren: Haben wir einen außergewöhnlichen Bedarf laut Hessischer Verfassung? War es eine Investition? Ist die Investition in die Bildung auch eine Investition? Haben wir ein konjunkturelles Tief, oder haben wir gerade ein Hoch, oder sind wir mittendrin? Befürchten wir vielleicht eine Rezession in den USA in den kommenden Jahren und können schon einmal vorgreiflich etwas ausgeben? – Wir kommen so aus der Diskussion nicht heraus. Wir brauchen eine ganz klare Regelung. Die Regel heißt: null. – Null ist der Maßstab.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister Weimar, mit der „atmenden Lösung“, die Sie genannt haben, haben wir als Liberale Schwierigkeiten. Denn wir befürchten, dass das, was diese Lösung „atmet“, Schulden sind. „Atmende Lösung“ würde heißen: Es gelingt uns, irgendeinen Mechanismus herzustellen, der die Verschuldung in Grenzen hält. Es gibt das Gutachten des Sachverständigenbeirates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Situation. Das Gutachten ist dermaßen komplex, dass man es in der Praxis gar nicht umsetzen kann.Es gibt die verschiedensten Modelle.Deswegen sagen wir: null.

Wir sind realistisch genug, zu wissen, dass eintreten kann, was es schon gab. Es kann sein, dass wir wieder einen miserablen Finanzminister haben wie Herrn Eichel in Berlin, der die Körperschaftsteuerreform völlig verkorkst hat, sodass das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer nicht nur drastisch sinkt, sondern sogar negativ wird. Das hatten wir alles schon. Es kann auch sein, dass sich gesamtwirtschaftliche Daten ergeben, die einen solch massiven Steuereinbruch herbeiführen, dass es nicht gelingen kann, im gleichen Zeitraum gegenzusteuern, und dass wir eine Übergangsphase benötigen, weil wir die Beamten weiterhin besolden müssen – gar keine Frage – und weitere Ausgaben tätigen müssen. Verträge sind zu halten. Für einen solch unwahrscheinlichen Fall sagen wir, dass es das Beste ist, wenn die Landesregierung nicht an irgendwelche Regeln oder Prozentsätze gebunden ist, sondern sie muss dann vor das Parlament treten und sagen: Liebe Abgeordnete, wir haben eine besondere Situation. Wir müssen alle gemeinsam dafür eintreten, dass das Land solidarisch seine Pflichten erfüllen kann.

(Beifall bei der FDP)

Wenn dann zwei Drittel der Abgeordneten dieses Landtages sagen: „Jawohl, das ist eine besondere Situation; wir können von der Regel abweichen“, dann sagen wir: „Liebe Regierung, du darfst Schulden machen.“

(Beifall bei der FDP)

Ich gehe davon aus, dass in einer solchen Situation kein Abgeordneter des Hessischen Landtags sagen wird: „Nein, wir machen das nicht. Wir erklären“ – wenn es rechtlich möglich wäre – „den Staatsbankrott.“ Das wird keiner sagen.Aber die Bedingung, zwei Drittel des Parlamentes zu überzeugen, ist so groß, dass wir davon überzeugt sind, dass ein leichtfertiges Ausnutzen dieser Möglichkeit nicht erfolgen wird.

Der eine oder andere, mit dem wir über die Frage gestritten haben, hat gesagt: Es gibt dann gar keine neuen Schulden mehr. – Dann sage ich: Recht hat er. Genau das wollen wir: dass keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden.

(Beifall bei der FDP)

Die Verschuldungsregel ist erst dann hart genug, wenn sie eben kein „Atmen“ nach Belieben der Landesregierung oder nach irgendwelchen Prozentregeln oder Konjunkturverläufen erlaubt, sondern wenn das Parlament in seiner überwältigenden Mehrheit Ja dazu sagen muss.

Wir halten sehr viel von Gerechtigkeit.Aber der Gerechtigkeit ist nicht gedient, wenn die Intergenerationengerechtigkeit vernachlässigt wird oder wenn heutiger Bedarf von künftigen Generationen finanziert werden muss.

(Beifall bei der FDP)

Wenn es uns gelingt, in Hessen endlich das finanzielle Gleichgewicht herzustellen, machen wir nicht nur mit der schreienden Ungerechtigkeit Schluss, auf Kosten unserer Kinder und Enkel zu leben, sondern wir gewinnen Schritt für Schritt einen enormen Finanzierungsspielraum zurück.Wie der Finanzplan ausweist, steigt dieser Spielraum sogar noch von Jahr zu Jahr. Er liegt bereits jetzt bei 1,4 Milliarden c. Es ist der Spielraum, wenn wir irgendwann keine Zinsen mehr zu zahlen brauchen. Wir gewinnen einen Milliardenspielraum für unsere Handlungstätigkeit zurück. Es ist in jedem Fall besser, das Geld entsprechend unseren Handlungsoptionen auszugeben, als damit Kredite zu bezahlen.

(Beifall bei der FDP)

Das Ziel, den Landeshaushalt bis zum Jahr 2011 auszugleichen, ist anspruchsvoll. Es ist vielleicht anspruchsvoller, als viele in diesem Hause es sich erträumen. Es ist verdammt anspruchsvoll, auch deshalb, weil die von der Landesregierung gemachten Annahmen für diesen Fall nicht realistisch sind. Sie müssen tatsächlich Ausgaben senken und dürfen nicht darauf hoffen, dass die Einnahmen schon steigen werden.Aber dieses anspruchsvolle Ziel ist realistisch,wenn man die Übergangszeit bis zum Jahr 2011 gezielt nutzt, um den Haushalt zu konsolidieren.

Leider ist der Weg, den die Landesregierung aufgezeigt hat, nicht der richtige Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Deshalb muss ich sagen: Das Ziel wird nicht erreicht werden können, wenn die CDU-Alleinregierung mit diesem Finanzplan und diesem Haushalt 2008 so fortfährt.

(Beifall bei der FDP – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Was schließen wir jetzt daraus?)

Ich möchte auf Ihren Antrag, Herr Kollege Kaufmann, noch weiter eingehen. Zur Schuldenbremse habe ich schon etwas gesagt.Das war Punkt 1.Diesen Punkt tragen wir, wie gesagt, nicht mit. Da haben wir eine, wie wir meinen, härtere Regelung im Kopf.

Zum Punkt 2, Neufassung des Investitionsbegriffs, haben Sie recht. Wir haben schon versucht, das in die Hessische Verfassung hineinzubringen. Das Projekt ist leider im letzten Augenblick gescheitert. Das muss anders definiert werden. Der Begriff ist im Grundgesetz völlig falsch, viel zu weit gefasst worden. Der Begriff ist in der Hessischen Verfassung noch viel falscher, noch viel weiter gefasst worden, zumal hier noch die Möglichkeit des außerordentlichen Bedarfs gegeben worden ist. – Dies tragen wir also mit.

Punkt 3, verbindliche Finanzplanung verankern – jawohl, sie muss verbindlich sein. Sie sollte auch vom Parlament getragen werden und keine reine Regierungsangelegenheit bleiben. Da geben wir Ihnen recht. Sie muss ergänzt werden durch eine Programmplanung. Das ist hier schon an vielen Stellen von der Landesregierung erwähnt worden. Denn künftig treibt uns primär nicht mehr die Frage von Ausgaben und Einnahmen um, sondern die Frage, welche Produkte wir in welcher Menge und welcher Qualität erreichen und welche Leistung wir dafür erbringen müssen. Dann erst fragen wir, was das Ganze kostet. Dafür brauchen wir eine Programmplanung, die natürlich dazugehört.

Beim letzten Punkt, Transparenz des Haushalts erhöhen, sind wir voll und ganz d’accord. Das ist auch unsere Meinung.Wir sind ebenfalls davon überzeugt,dass es gelingen wird, dass die neue Verwaltungssteuerung mehr Transparenz bringt. Zurzeit haben wir genau das Gegenteil und weniger Transparenz. Deswegen ist das Mindeste, was wir erreichen müssen,die alte Transparenz zu wahren,was wir in den kursorischen Lesungen überprüfen müssen: ob wir das, was wir bisher als Informationen bekommen haben, auch künftig als Mindestmaß bekommen werden. Darauf aufsetzend müssen wir mehr Informationen haben.

Die Voraussetzung dafür ist, dass die Kennzahlen stimmen. Bisher stimmen sie weitestgehend nicht. Wir gehen in das erste Jahr eines doppisch gebuchten Haushalts ohne stimmige Kennzahlen hinein. Das heißt, wir haben ein neues Instrument, aber die Kontrollmechanismen stehen uns bedauerlicherweise noch nicht zur Verfügung. Da stimmen wir Ihnen voll und ganz zu.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren,lassen Sie mich,weil heute der Tag der Zitate zu sein scheint, mit einem Zitat des Sozialreformers Samuel Smiles schließen, der im 19. Jahrhundert Folgendes gesagt hat:

Die Sparsamkeit ist die Tochter der Vorsicht, die Schwester der Mäßigkeit und die Mutter der Freiheit.

Wir sind für Sparsamkeit, wir sind für Vorsicht, wir sind für Mäßigkeit, weil wir die Freiheit dieser und der nächsten Generationen nicht aufs Spiel setzen wollen. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP – Beifall bei Abge- ordneten der CDU)

Vielen Dank,Herr von Hunnius.– Nun hat Herr Milde für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines hat die Opposition in den letzten drei Stunden jedenfalls geschafft: den Saal leer geredet.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Billiger Anfang! – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Vorhin, bei der Rede des Finanzministers, waren noch viele Leute im Saal.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Vielleicht liegt es auch am jetzigen Redner!)

Immerhin ist jetzt wieder etwas mehr Stimmung im Saal, Herr Kollege Hahn. Aber nach diesem beeindruckenden Vortrag aus der Zeitschrift „Verwaltung und mehr“ können wir wieder ein bisschen Spaß gebrauchen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Die Lage ist ernst!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Einbringung des Haushalts im letzten Jahr haben wir davon gesprochen, dass wir Licht am Ende des Tunnels sehen. Man kann heute sagen, es wird immer heller, jedenfalls bei uns. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Lachen des Abg. Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das ist erstaunlich! Die CDU will es doch lieber schwarz haben!)

Ich möchte für die CDU-Fraktion feststellen,dass dies ein großartiger Erfolg des hessischen Finanzministers Karlheinz Weimar ist.

(Beifall bei der CDU – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Weihrauch!)

Mit der Vorlage des Haushalts 2008 wird dieser Weg erfolgreich fortgesetzt. Mir ist aber auch klar, dass schon – wir waren gerade bei Zitaten – Oscar Wilde gesagt hat, dass das Neider auf den Plan ruft: „Jeder Erfolg, den man erzielt, verschafft einem einen Feind. Man müsste mittelmäßig sein, wenn man beliebt sein will.“

(Norbert Schmitt (SPD): Jetzt läuft sogar noch der Generalsekretär davon!)

Diesen Anspruch haben wir weiß Gott nicht. Unser Anspruch muss es sein, Hessen nach vorne zu bringen.

(Beifall bei der CDU)

Da sowohl die SPD als auch die GRÜNEN darauf hingewiesen haben, dass die konjunkturelle Entwicklung auch etwas mit Rot-Grün zu tun hat, darf ich auf etwas verweisen, was mancher hier im Haus nicht mehr glauben will: Wir haben die von Rot-Grün in Berlin verursachte schwerste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg im Verhältnis zu den anderen Bundesländern mit einer relativ niedrigen Neuverschuldung überstanden und sind gleichzeitig Spitzenzahler im Länderfinanzausgleich. Mit Roland Koch und Karlheinz Weimar im Maschinenraum sind wir die Lokomotive für die bundesdeutsche Konjunktur.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Sagte der Kapitän der Titanic! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unfug! Gottfried, bitte!)

Die CDU-Fraktion hat gemeinsam mit der Landesregierung und dem Ministerpräsidenten Roland Koch das Land Hessen in den vergangenen Jahren weiter modernisiert und die wirtschaftliche Spitzenstellung – darauf

werde ich zurückkommen – unter den Bundesländern weiter ausgebaut. Dieser Erfolg hat auch eine nachweisbare Grundlage. Noch nie in der Geschichte unseres Landes wurde so viel Geld in Bildung investiert. Niemals wurde so viel Unterricht erteilt.