Protokoll der Sitzung vom 27.09.2007

Herr Regierungschef Koch und Herr Vorsitzender der CDU in Hessen,sind Sie eigentlich Ihrer Kultusministerin dafür dankbar, dass sie die Gymnasien faktisch zur Einheitsschule gemacht hat?

(Lachen des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Axel Wintermeyer (CDU): Das ist ja lächerlich!)

Herr Kollege Wintermeyer, wir haben Regionen in Hessen,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

wo 60, 70 % aller Schülerinnen und Schüler nach der Grundschule auf das Gymnasium wechseln.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

In Hessen insgesamt sind es fast jede zweite Schülerin und jeder zweite Schüler, die nach der Grundschule auf das Gymnasium wechseln.Die Gymnasien sind unter der Verantwortung von Frau Wolff zur Einheitsschule geworden. Das tut weder denen gut, die für ihre Kinder eine Schule nach finnischem Vorbild wollen, noch denen, die ein gegliedertes Schulsystem wollen. Das müssen Sie sich einmal klarmachen.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Ihre Kultusministerin wird auch Ihrer eigenen Ideologie nicht gerecht, weil sie den Eltern die Schulwahlfreiheit faktisch verweigert. Das ist Ihr Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie sind nicht mehr ganz normal! So ein Blödsinn!)

Herr Kollege Irmer, ich weiß nicht, ob der Zwischenruf „Sie sind nicht mehr ganz normal!“ – wie Sie ihn mir gerade zugeworfen haben – parlamentarisch ist,aber es richtet sich ja gegen Sie. Herr Kollege Irmer, Sie haben mit Ihrer Kultusministerin in unserem Land faktisch die Schulwahlfreiheit abgeschafft.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Das ist das schlimmste Ergebnis der Politik von Frau Wolff. Eltern haben nach der Klasse 4 kein Vertrauen mehr darin, dass ihre Kinder in ein durchlässiges Bildungssystem kommen und dass sie wirklich auf jeder Schulform alle Chancen haben. Dieses Vertrauen haben Sie den Eltern genommen. Das ist ein katastrophales Ergebnis Ihrer Politik. Kinder im Alter von zehn Jahren und ihre Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass in jeder Schulform beste Chancen bestehen. Meine Damen und Herren,das gibt es unter Kultusministerin Wolff nicht mehr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Herr Regierungschef, sind Sie Ihrer Kultusministerin dankbar dafür, dass sie den Elternwillen konsequent ignoriert? – Wir sehen das gerade in Frankfurt, in Offenbach,in Waldeck-Frankenberg.Alle sind sich einig und sagen: Wir wollen ein zusätzliches Angebot an integrierten Gesamtschulen.

Nur eine glaubt, es besser zu wissen, nämlich Karin Wolff. Sie ignorieren den Elternwillen, Sie machen eine ideologische Politik. Herr Ministerpräsident, ich glaube, an dieser Stelle sind Sie Ihrer Ministerin durchaus dankbar.Was hat denn der Ministerpräsident auf dem bildungspolitischen Kongress gesagt? – Ich zitiere aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 19. September:

So hätten die Christdemokraten entschieden, integrierte Gesamtschulen nicht an jeder Stelle sofort kaputt zu machen.

„Nicht kaputt zu machen“, sagt der Ministerpräsident. – Das ist Schulkampf pur. Herr Koch, davon haben die Leute die Nase gestrichen voll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Eltern wollen nicht bevormundet werden von Frau Wolff, Herrn Jacobi oder von Ihnen, Herr Koch, sondern sie wollen sich frei entscheiden können. Sie müssen endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass Eltern in Hessen und in anderen Bundesländern schlicht und ergreifend unterschiedliche Interessen haben. Die einen sagen: Wir wollen für unseren Sohn oder für unsere Tochter ein Angebot im gegliederten Schulsystem.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das wollen Sie doch abschaffen! – Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Herr Kollege Irmer, das wollen wir eben nicht.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Kollege Irmer, wir sagen: Wer das will, soll das Angebot vorfinden.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie betrügen die Eltern!)

Herr Irmer, jetzt kommt die wichtige Ergänzung:

(Lebhafte Zurufe des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Entschuldigung, Herr Kollege Wagner. – Herr Kollege Irmer, ich darf Sie doch bitten, sich mit Ihren Zwischenrufen etwas zurückzuhalten,damit der Redner noch zu Wort kommt. Herzlichen Dank.

Wir sagen auch all den Eltern, die in Hessen ein Schulangebot nach finnischem Vorbild haben möchten, dass sie dieses Angebot für ihren Sohn oder ihre Tochter finden werden.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie rudern doch zurück!)

Herr Kollege Irmer, das verweigern Sie. Die Ideologie liegt bei Ihnen und nicht auf dieser Seite des Hauses.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir stehen für Wahlfreiheit. Sie stehen mit Frau Wolff

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

für Bevormundungen. Das tut Ihnen so weh. Wir wollen, dass das finnische Schulsystem für die Eltern, die es wollen, endlich auch in Hessen zur Verfügung steht und wir somit echte Wahlfreiheit haben. Sie werfen uns vor, dass sei alles so ideologisch, das sei eine Idee der GRÜNEN und somit der Niedergang des Abendlandes.

Ich möchte Ihnen unser Konzept der neuen Schule begründen, mit dem Ergebnis der Hamburger Enquetekommission für Bildungsfragen, dem die CDU in Hamburg zugestimmt hat. Die CDU stellt in Hamburg die Mehrheitsfraktion.

Wir wollen mit unserem Konzept der neuen Schule auf freiwilliger Basis längeres gemeinsames Lernen.

(Zurufe von der CDU)

Dazu sagt die Hamburger Enquetekommission mit Zustimmung der CDU: Formen der dauerhaften äußeren Differenzierung sollen zugunsten innerer Differenzierung und Individualisierung zurücktreten. – Genau so sehen wir es in unserem Konzept zur neuen Schule vor.

Wir sagen für die neue Schule,wir wollen keine Klasse mit mehr als 25 Schülerinnen und Schülern. Dazu sagt die Hamburger Enquetekommission mit Zustimmung der CDU: Die Klassenfrequenzen der Stadtteilschulen – so heißt das in Hamburg – sollten in der Sekundarstufe I deutlich kleiner ausfallen als an den Gymnasien. – Genau das schlagen wir mit der neuen Schule vor.

Wir wollen in der neuen Schule ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot. Dazu sagt die Hamburger Enquetekommission mit Zustimmung der CDU: Stadtteilschulen werden schrittweise flächendeckend als Ganztagsschulen in rhythmisierter Form angeboten.

Wir wollen mit unserem Konzept der neuen Schule die Vernetzung von Schule, Jugend und Sozialarbeit.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Wer will das denn nicht!)

Dazu sagt die Hamburger Enquetekommission mit Zustimmung der CDU: Schulen in benachteiligten Gebieten müssen mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet werden.

Wogegen kämpfen Sie denn eigentlich hier in Hessen? Sie haben es doch nur noch nicht mitbekommen, wohin die bildungspolitische Reise auch Ihrer eigenen Partei geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sagen Sie etwas zu Ihrem Antrag!)

Herr Kollege Irmer, Sie sind mit Ihrer Politik gescheitert. Sie wollen davon dadurch ablenken, dass Sie SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Positionen unterstellen, die niemand vertritt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie wollen die Gymnasien abschaffen!)

Das werden die Bürgerinnen und Bürger durchschauen. Die Bürgerinnen und Bürger werden sehen, wer für sie Wahlfreiheit will

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie wollen die Sozialisierung der neuen Schule!)

und wer ihnen ein Schulsystem, so wie es Eltern wollen, vorenthält. Das ist schlicht und ergreifend die CDU. Herr Kollege Irmer, das tut mir leid.