Protokoll der Sitzung vom 13.11.2007

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD):Jetzt sollten Sie einmal in die eigenen Reihen gucken! – Hildegard Pfaff (SPD): Ganze zwei Kollegen sind anwesend!)

Wenn Sie sich hierhin stellen und sagen, die Union habe das getan, um einen Wahlkampfschlager zu etablieren, dann kann ich Sie nur fragen: Wer hat denn dazu die Ursache gesetzt? Das war doch Ihr Parteitag, der einen solchen Unsinn beschlossen hat.Dann können Sie doch nicht anderen vorwerfen, sie würden hier einen Wahlkampfschlager konstruieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Verehrte Frau Pfaff, das Gleiche gilt für Herrn Wagner, wenn Sie die Länder aufzählen, in denen es so etwas gibt. Verehrte Frau Kollegin Pfaff, ich schätze Sie sehr. Aber Uganda und Nepal in die Diskussion einzubringen, das ist unter Niveau, das verdient diese verkehrspolitische Debatte wirklich nicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Hildegard Pfaff (SPD): Nein! Das gehört dazu!)

Wollen Sie allen Ernstes vergleichbare Verhältnisse hier etablieren? Anders kann man doch nicht auf das antworten, was Sie dazu gesagt haben.

Herr Kollege Wagner, Debatten haben den Sinn, in eingeschränkter Weise auf den einen oder anderen einzugehen. Sie haben das Zitat aus dem Jahre 1906 genannt. Dort wird darauf abgestellt, dass ein Verkehrsteilnehmer sich auf die Verkehrssituation einstellen soll und sein Verkehrsverhalten darauf ausrichten soll. Nichts anderes steht in § 1 der Straßenverkehrsordnung. Dieser Satz hat nach unserer Auffassung nach wie vor Gültigkeit, auch wenn er aus dem Jahr 1906 stammt und damit über 100 Jahre alt ist.

(Beifall bei der FDP)

Aber offensichtlich hat das nicht dazu geführt,dass bei Ihnen ein Umdenkprozess in der Weise eingetreten ist, dass Sie sich sachangemessen im Verkehr verhalten wollen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da war ich noch gar nicht geboren!)

Die GRÜNEN brauchen ein Regulierungsinstrumentarium, brauchen ein Folterinstrumentarium, weil sie sich selbst bei der Ausübung ihrer Freiheit offensichtlich nicht anders einschränken können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, dass wir zu Recht davon ausgehen, dass sich die Verkehrsteilnehmer prinzipiell verantwortungsvoll verhalten. Das zeigen auch die Ergebnisse. Geradezu hanebüchen ist der Vorschlag von Herrn Wagner, zu sagen, die deutsche Automobilindustrie möge bitte keine Hightechautos produzieren, dann würde sie auf dem amerikanischen Markt eine höhere Absatzquote erzielen. Wissen Sie, welche Autos in Amerika gekauft werden? Das sind all diejenigen, die Hightech realisieren und in der Lage sind, schneller als 100 km/h zu fahren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist geradezu abenteuerlich, der Automobilindustrie zu empfehlen, Fahrzeuge zu produzieren, die nur noch eine bestimmte Geschwindigkeit, wie sie von Ihnen angestrebt wird, zu fahren imstande sind.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Einen Punkt will ich noch ansprechen. Sie haben sich zu der Aussage verstiegen, allgemeines Tempolimit und Verkehrslenkungsmaßnahmen wie Telematik schlössen sich nicht aus, sondern man sollte sie miteinander kombinieren. – Meine Damen und Herren, wenn ich bei einem solchen Tempolimit bin, wie Sie es wollen, dann brauche ich in bestimmten Bereichen keine verkehrslenkenden Maßnahmen. Das wäre rausgeschmissenes Geld, beides nebeneinander zu machen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut! – Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist noch besser, das ist billiger!)

Sie müssen sich schon bekennen. Sie können nicht einerseits sagen, Sie wollten verkehrslenkende Maßnahmen, Sie wollten Telematik, und auf der anderen Seite einen solchen Unsinn verzapfen.

Meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten haben das beschlossen. In der Begründung heißt es, ein schneller und unbürokratischer Weg zum Klimaschutz sei die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h.

Meine Damen und Herren, derjenige, der für den Umweltschutz in der Bundesregierung zuständig ist, ist der Bundesumweltminister Gabriel. Er sagt, die Wirkung ist marginal. – Ich kann nur sagen: Der Mann muss wissen, wovon er spricht. Sie propagieren hier etwas völlig anderes.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen zu den Zahlen. Eine Begrenzung würde den Kohlendioxidausstoß in Deutschland um weniger als 0,5 % verringern, weil der Autoverkehr nur für etwa 12 % sämtlicher deutscher CO2-Emissionen verantwortlich ist.

(Norbert Schmitt (SPD): „Nur“ ist gut!)

Diese Zahl hören Sie ungern. Aber weil Klima en vogue ist, werden solche Zahlen nicht mehr zur Kenntnis genommen. Es wird polemisiert, und man freut sich, wenn die Emotionen der Bürger entsprechend aufgestachelt worden sind, und beruft sich dann hinterher auf die erfolgreichen Umfragewerte, sagt, da müsse etwas getan werden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Ihnen geht es nicht um tatsächliche Effekte. Es geht um eine Symbolwirkung. Ich füge auch hinzu: Das, was Sie hier propagieren, ist nichts anderes als Wählertäuschung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, zu den sachlichen Argumenten. Ich will noch auf Folgendes eingehen. Immerhin ist auf knapp der Hälfte unserer Autobahnen die Geschwindigkeit bereits dauerhaft oder zeitweilig limitiert. Außerdem werden 80 % aller Fahrleistungen schon heute bei einer geringeren Geschwindigkeit als 130 km/h erbracht. Das ist eine Folge des Verkehrsaufkommens, das wir haben. Das beklagen wir manchmal, aber das ist so. Das Ergebnis ist, dass die Fahrleistung so aussieht.

(Hildegard Pfaff (SPD): Da sind die Tempo-30-Zonen auch enthalten!)

Das Tempolimit bringt beim Klimaschutz so gut wie nichts. Nach ADAC-Rechnungen sinkt der Ausstoß an Treibhausgasen um maximal 2 %. Verkehrsminister Tiefensee kommt nach aktuellen Berichten sogar auf einen Wert von nur 0,6 %. Das ist der Hintergrund. Ich habe es letztens im Fernsehen verfolgt:Als Bundesverkehrsminister Tiefensee auf dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten zu diesem plötzlichen Beschluss gefragt wurde, hat er sich schweigend von den Mikrofonen abgewandt, um keine Antwort geben zu müssen. Der Mann hat in diesem Punkt – vieles schätze ich nicht – ausdrücklich einmal recht.

(Beifall bei der FDP)

Die durchschnittliche Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen bewegt sich nach Studien im gleichen Korridor wie in allen anderen Ländern, auch solchen mit einem generellen Tempolimit.Was also die durchschnittliche Geschwindigkeit anbelangt – die ist nicht ganz irrelevant –, haben wir in Deutschland keine andere Situation als in den Ländern, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung bereits haben.Also besteht dafür auch keine Notwendigkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen will ich auf das Thema Unfälle eingehen, weil das immer ein Totschlagargument ist, nach dem Motto: Derjenige, der nicht für ein Tempolimit ist, nimmt grob fahrlässig in Kauf, dass Menschen auf Autobahnen umkommen.

Ich halte diese Art und Weise der Argumentation für in höchstem Maße unredlich;

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

denn der Anteil der Unfälle auf Autobahnen würde durch ein Tempolimit auch nicht geringer. Bereits heute sind die Autobahnen in Deutschland bei Weitem die sichersten Straßen im überörtlichen Straßennetz.

(Hildegard Pfaff (SPD): Schauen Sie sich die Studien an!)

Ein Tempolimit führt nicht zwangsläufig zu mehr Sicherheit. Frau Kollegin Pfaff, die Untersuchungen haben ergeben: In Ländern wie Österreich oder Italien sind wesentlich mehr Unfälle auf den Autobahnen zu verzeichnen, und das trotz Tempolimit. Also stellen Sie sich nicht hierhin, als sei das Tempolimit die Conditio sine qua non für weniger Unfälle. Das Gegenteil ist der Fall, wie die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, auf den Autobahnen in Deutschland werden 31,7 % aller Kraftfahrzeugkilometer abgewickelt. Der Anteil der Verunglückten auf Autobahnen ist mit 7,5 % ebenso wie der Anteil der Unfälle mit Personenschäden mit 6,2 % unterdurchschnittlich, verglichen mit dem Anteil auf anderen Straßen.Auch das ist ein Hinweis, dass das Tempolimit insofern nichts bringt.

Auch zu den tödlichen Unfällen will ich Ihnen etwas sagen. Das Risiko, auf Autobahnen in Deutschland tödlich zu verunglücken, ist etwa drei- bis viermal niedriger als das Risiko auf Landstraßen.

(Hildegard Pfaff (SPD): Das ist doch kein Argument!)

Bei einem Fahrleistungsanteil von 40 % auf den Landstraßen sind dort etwa 60 % aller Verkehrstoten zu registrieren. Was ist die Konsequenz daraus? Dass sich auf Landstraßen etwas tun muss, um diese Zahl zu reduzieren. Die Schlussfolgerung daraus zu ziehen, auf der Autobahn müsse ein Tempolimit eingeführt werden, entzieht sich jeder Denklogik.Aber das scheint bei Ihnen in dieser Frage keine Rolle zu spielen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Ich habe Sie schon einmal stärker argumentieren gehört!)

Herr Kollege Wagner, wenn Sie sich auf die Ergebnisse einer Studie des Umweltbundesamtes von 1984 bis 1987 berufen, dann hätten Sie sich besser sachkundiger gemacht und hätten nachgefragt, was damals die Untersuchungsergebnisse waren, als wir die Verkehrsbegrenzung, die aus rot-grüner Zeit stammt, aufgehoben haben.Wir haben genau das untersucht, welche Problembereiche des Unfallgeschehens bestehen, und sind zu dem Ergebnis gekommen,dass wir die Verkehrsbeschränkungen ohne Weiteres aufheben konnten.

Meine Damen und Herren, zum Thema Verkehrsablauf muss man feststellen, dass ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen zu keiner nennenswerten Steigerung der Leistungsfähigkeit führt. Knapp 40 % des Autobahnnetzes sind bereits heute dauerhaft oder temporär geschwindigkeitsbeschränkt. 9 % sind mittels Streckenbeeinflussungsanlagen limitierbar. Somit werden schon 49 %, also fast die Hälfte, des gesamten Autobahnnetzes entweder durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen oder statische Geschwindigkeitsbeschränkungen limitiert. Hier besteht kein weiter gehender Bedarf.

(Beifall bei der FDP)

Selbst auf Strecken ohne Begrenzung – wir erleben das häufig – ist eine freie Geschwindigkeitswahl nur noch eingeschränkt möglich. Früher habe ich manchmal davon geträumt, dass ich diese Möglichkeit noch habe, wenn ich nachts nach Hause fahre. Jeder von uns weiß: Wenn er nachts unterwegs ist, stimmt auch diese Prämisse nicht mehr, weil wir ein erhöhtes Lkw-Aufkommen rund um die Uhr haben. Von daher besteht diese Möglichkeit, mit unbegrenzter Geschwindigkeit zu fahren, überhaupt nicht.

Etwas anderes ist die Ursache: Die Verkehrsbelastung ist zwischen 1993 und 2004 auf unseren Autobahnen um 27 % gestiegen. Das heißt, diese Zunahme des Verkehrsaufkommens von 27 % reduziert die freie Wahl der Geschwindigkeit ohnehin.