Protokoll der Sitzung vom 13.11.2007

Etwas anderes ist die Ursache: Die Verkehrsbelastung ist zwischen 1993 und 2004 auf unseren Autobahnen um 27 % gestiegen. Das heißt, diese Zunahme des Verkehrsaufkommens von 27 % reduziert die freie Wahl der Geschwindigkeit ohnehin.

Deswegen haben wir einen grundlegenden und substanziellen Unterschied zwischen dem linken Flügel dieses Hauses und dem Flügel auf der anderen Seite festzustellen: Wir sind für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, weil das eine bessere Lösung ist, als auf diese Art und Weise den vorhandenen Verkehrsraum weiterhin einzuschränken.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Deswegen noch ein Wort, meine Damen und Herren: Untersuchungen haben ergeben, dass die Richtgeschwindigkeit in Deutschland die gleiche Wirkung hat wie das Tempolimit im Ausland.

(Norbert Schmitt (SPD): Weil sich keiner daran hält! – Hildegard Pfaff (SPD): Das klingt etwas abenteuerlich!)

Hierzu sind Geschwindigkeitsmessungen in sieben Ländern durchgeführt worden, die zu diesem Ergebnis geführt haben.

Ich will Ihnen nicht unterstellen, dass Sie vorsätzlich handeln. Zumindest nehmen Sie billigend in Kauf, über ein Tempolimit den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Es ist weder für die Umwelt noch für die Verkehrssicherheit relevant, und deswegen besteht keine Veranlassung, dies zu tun.

(Hildegard Pfaff (SPD): Was hat das mit Geld zu tun? Das spart Treibstoffkosten, Herr Kollege, und kostet kein Geld! – Norbert Schmitt (SPD): Ich habe das Argument nicht verstanden!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch ein letztes Argument aufgreifen, immer in dem Glauben, Herr Kollege Generalsekretär, dass die Fähigkeit, etwas von anderen aufzunehmen, doch noch vorhanden ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, aber ich habe das Argument wirklich nicht verstanden, wieso wir an den Geldbeutel ranwollen!)

Es gibt ja immer wieder das Argument der Lärmreduzierung; auch darauf will ich eingehen. Ein generelles Tempolimit hat nach allen Unterlagen, die vorliegen, keine Reduzierung der Lärmemissionen zufolge, weil insbesondere eines logisch ist: Die Lkw sind davon nicht betroffen, und der von einer Autobahn ausgehende Lärm wird überwiegend vom Lkw-Verkehr geprägt. Ab einem Lkw-Anteil von 10 % ist ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen für den Mittelungspegel völlig unsinnig und völlig irrelevant. Das Stichwort der Lärmemissionen zieht also auch nicht.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist schlicht kein Argument von uns gewesen! Haben wir überhaupt nicht in die Debatte eingeführt!)

Wir arbeiten an anderen Möglichkeiten, was die Eingrenzung der Lärmentwicklung betrifft, von aktivem und passivem Lärmschutz bis zu Lärmreduzierungen am Fahrzeug.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Die Liberalen lehnen den SPD-Vorstoß und das Ansinnen der GRÜNEN ab. Für uns ist das nichts anderes als der Wunsch,Autofahrer wieder zu schikanieren.

Die schon lange in Deutschland existierende Richtgeschwindigkeit hat sich insgesamt bewährt, und überall dort, wo aus Sicherheitsgründen eine andere Geschwindigkeit erforderlich ist, wird sie auch entsprechend angeordnet.

Herr Kollege Lübcke hat darauf hingewiesen:Es gibt kein Dogma, Geschwindigkeitsbegrenzungen generell aufzuheben, sondern dort, wo es aus Verkehrssicherheitsgründen notwendig ist,werden wir auch immer bereit sein,Reduzierungen der Geschwindigkeit anzuordnen, weil uns das Leben der Verkehrsteilnehmer ein so hohes Gut ist, dass wir mit derartigen Fragen nicht fahrlässig umgehen. Es braucht niemand Angst zu haben, dass das in diesem Lande nicht passiert.

(Beifall bei der FDP – Hildegard Pfaff (SPD): Schwache Argumente!)

Eine angemessene Geschwindigkeit lässt sich eben nicht generell, sondern nur in Abhängigkeit vom Verkehrsaufkommen und vom Ausbauzustand des jeweiligen Verkehrsabschnittes beurteilen.Und das ist nichts anderes als das, Herr Kollege Wagner, was Sie aus der Zeitschrift aus dem Jahre 1906 zitiert haben.

Herr Posch, Sie müssen zum Schluss kommen.

Die Geschwindigkeit ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Ein pauschales Tempolimit ist Anti-Autofahrer

Ideologie und keineswegs sachangemessen. Wir stimmen deshalb dem Antrag der Union zu. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Posch. – Für die Landesregierung wird nun Herr Dr. Rhiel das Wort ergreifen. Bitte, Herr Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es kurz, aber ebenso deutlich hier vortragen: Die Hessische Landesregierung lehnt eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung und -begrenzung ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Hildegard Pfaff (SPD): Für Minister auch? – Norbert Schmitt (SPD): Sie haben doch sowieso eine Ausnahmegenehmigung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die mit ritueller Regelmäßigkeit hier immer wieder vorgetragenen Punkte zeigen, dass Sie aus den tatsächlichen Entwicklungen nichts gelernt haben. Alle Gründe, die Sie vorgetragen haben, sind von der Entwicklung widerlegt worden. Sowohl im Hinblick auf die Verkehrssicherheit als auch auf die Frage des Energieverbrauchs, der Abgasemissionen sind die Entwicklungszahlen so, dass Ihre Argumente ins Leere laufen

(Norbert Schmitt (SPD): „Staufreies Hessen“ gibt es nur für Minister! Die habe ich heute wieder erlebt!)

und dass Sie mit der Forderung, die Sie hier erhoben haben, wirklich keinen zusätzlichen Nutzen stiften können.

Deswegen ist das, was wir hier heute seitens Rot-Grün erleben, Symbolpolitik, eine Symbolpolitik auf Kosten der Autofahrer,die keine Wirkung für die Autofahrer hat,und deswegen ist dies abzulehnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon unterschiedlich auf die beiden wichtigsten Themen hingewiesen worden. Zunächst einmal das wichtigste Thema: die Verkehrssicherheit. Wir haben im Bereich der Verkehrssicherheit – das sollten wir dankbar zur Kenntnis nehmen – eine sehr, sehr positive Entwicklung. Seit 1991 gab es einen Rückgang der tödlichen Unfälle um 60 %.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es könnte noch besser sein!)

Wenn man ein Stück zurückschaut: Seit 1999 sind die Rückgänge sogar noch intensiver gewesen, nämlich 40 %, und das, obwohl die Verkehrsdichte erheblich zugenommen hat. Die durchschnittliche Belastung auf hessischen Autobahnen ist in der Zeit von 1991 bis zu diesem Jahr von 53.000 auf immerhin 63.000 gestiegen.

Meine Damen und Herren, worauf setzen wir? Wir setzen natürlich zunächst einmal auf die Vernunft und die Verantwortung der Verkehrsteilnehmer. Das ist der erste und wichtigste Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Wir können die Verkehrsteilnehmer nicht entmündigen. Ob nun über oder unter 130 km/h gefahren wird, die Verantwortung muss gleichermaßen wahrgenommen werden. Deswegen ist der wichtigste Beitrag, dass die Erziehung in der Verkehrspolitik schon früh erfolgt. Wir wissen, dass das viele Institutionen in Hessen, gerade die gemeinnützigen Institutionen,bereits im Rahmen der Schulzeit sehr erfolgreich wahrnehmen.Auch dafür gebührt ihnen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei der Verkehrssicherheit haben wir auch im internationalen Vergleich einen sehr, sehr guten Stand, eine gute Entwicklung,

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

bei der wir nicht relativ schlechter, sondern relativ besser abschneiden, obwohl, wie objektiv dargestellt worden ist, es die Geschwindigkeitsbegrenzungen genereller Art in den umliegenden Ländern gibt.

Die wesentlichen Ursachen sind die technischen Lösungen in den Fahrzeugen. Wer von Ihnen sich auf der IAA unter diesem Aspekt einmal die neuen Technologien angeschaut hat, der hat gesehen, dass diese Entwicklungen – mögen sie auch aus den Autos entspringen, die sozusagen zu der Oberklasse zählen – in ihrer Wirkung, technologisch umgesetzt, auch gerade den Verkehrsteilnehmern zugutekommen, die mit Fahrzeugen fahren, die nicht gerade Spitzengeschwindigkeiten erreichen können.

Wir haben hier im Forschungsbereich weitere wichtige und ehrgeizige Ziele, die beispielsweise in dem Anwenderzentrum Metallformgebung in Nordhessen umgesetzt werden sollen. Dort geht es um Thermoverformung und ähnliche technologische Begriffe und Aufgabenstellungen; Sie kennen dies zum Teil. Das muss der Weg sein. Durch diese Forschung, durch diese Entwicklung leisten wir international und auch weltweit einen wichtigen Beitrag zur aktiven Verkehrssicherheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zum Energieverbrauch, zu den Abgasemissionen und damit zur Frage der Umweltbelastung: Die 3,4 % CO2-Belastung, die Deutschland insgesamt weltweit zu verantworten hat, entstehen bei uns zu 12, 13 % im Verkehrsbereich. Das ist sicherlich eine Zahl, die wir uns anschauen müssen, die auch reduziert werden muss, aber das geschieht nicht durch eine willkürliche Begrenzung der Geschwindigkeit bei einer bestimmten Höhe,sondern auch hier durch technologische Entwicklung. Die Verbrauchszahlen sprechen Bände; Sie kennen sie, auch sie muss ich nicht im Einzelnen wiederholen.

Das, was Sie hier vorschlagen, ist eine Maßnahme, deren Wirkung nicht nachweisbar ist,

(Norbert Schmitt (SPD):Wie bitte?)

die seriös nicht darstellbar ist.

(Hildegard Pfaff (SPD): Sie sollten sich besser informieren, Herr Minister!)

Meine Damen und Herren, 0,6 % von 13 %, das ist das, was der Bundesumweltminister zugibt. Das ist aus seiner Sicht – das hat er hinzugefügt – ein sehr, sehr optimistischer Wert. Dies kann nicht der Weg sein, auf dem auch dieses Ziel erreicht werden soll.

Wir schauen in diesem Zusammenhang auf die ganzheitliche Wirkung.

(Gernot Grumbach (SPD): Ganzheitliche NichtWirkung!)

Wir müssen alle Bereiche zusammenfassen. Dazu gehört natürlich auch die Wirkung im Hinblick auf die Automobiltechnologie und die Spitzentechnologie in diesem Bereich. Das ist die wesentliche Grundlage für einen bedeutenden Wirtschaftszweig. Sonst geht es uns so wie in der Gesundheitspolitik, Herr Schmitt, wo die amtierende Gesundheitsministerin

(Horst Klee (CDU): Frau Schmidt!)

für eine vermeintliche Einsparung, Kostendämpfung regulierende Maßnahmen vorgeschlagen hat, hat durchsetzen lassen, die auf der anderen Seite – Stichwort: forschende pharmazeutische Industrie – ein Mehrfaches an volkswirtschaftlichen Schäden verursachen.