Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das sagt die Richtige!)

Wenn ich mich frage, was die Motive der Antragsteller, der SPD sowie der GRÜNEN,sind,dann stelle ich fest:Es geht darum,sich aus wahlkampftaktischen Gründen einen Unmut zunutze zu machen, obgleich man mit der Schulform, um die es geht, eigentlich überhaupt nichts am Hut hat und diese am liebsten beenden würde.

(Beifall bei der CDU)

Es geht darum, sich zum angeblichen Schutzhelfer der außerschulischen Angebote zu machen, die man im Grunde mit einer verbindlichen Ganztagsschule nicht mehr haben will und auch nicht mehr haben wird.

(Norbert Schmitt (SPD): So viel zu Ihrer Wahrheitsliebe!)

Wir sollten die Sorgen der Schüler, der Eltern und auch der Lehrkräfte in der Tat ernst nehmen.Wir sollten – dieses Wort ist schon oft gefallen und genauso oft missbraucht worden – Eltern nicht instrumentalisieren. Es kann in der heutigen Zeit nicht mehr darum gehen, dass wir als eines von 15 Ländern, die es eingeführt haben, das G 8 wieder rückgängig machen.

Es kann nicht darum gehen, dass wir zu einem Zeitpunkt, zu dem selbst Rheinland-Pfalz im Pilotversuch einen verkürzten achtjährigen Bildungsgang einführt, als letztes Land überlegen, ob wir wie Geisterfahrer in eine andere Richtung gehen.

Es kann angesichts der internationalen Situation nicht sein, dass wir uns in dem internationalen Vergleich und in der gewonnenen Bedeutung des lebenslangen Lernens wieder zu einer Verlängerung der Schulzeit hinwenden. Das kann nicht das Thema dieser Debatte sein.

Ich rate auch, dass wir uns nicht mit den Dingen auseinandersetzen, die für unser Schulsystem eine zusätzliche Gefährdung darstellen und rückwärtsgewandt sind. Da ich mir vorstelle, wir würden eine zusätzliche Wahlfreiheit schaffen, rate ich Ihnen: Schauen Sie sich an, in welchen Gebieten des Landes es beispielsweise lediglich kooperative Gesamtschulen und ansonsten keine anderen Möglichkeiten gibt. Ich rate dazu, zu schauen, ob wir dann tatsächlich eine Wahlfreiheit hätten oder nur eine noch größere Zersplitterung des Bildungswesens, die die Schulen, die wählen könnten, in Gefahr brächte.

Ich rate auch sehr dazu, sich die Frage zu stellen, ob wir es tatsächlich einer ernsthaften Diskussion angelegen sein lassen sollten, eine Frage zu diskutieren, mit der ich bei jeder Debatte konfrontiert werde: ob nämlich das Unterrichtsfach Englisch in den Kindergarten oder die Jahrgangsstufe 1 gelegt werden sollte; ob wir es wieder rückgängig machen sollten, mit der zweiten Fremdsprache bereits in Klasse 6 zu beginnen, oder ob wir wieder in Klasse 7 damit beginnen sollten. Das ist keine moderne Diskussion. Das können wir uns nicht erlauben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist in der Tat so, dass wir uns mit den wirklichen Sorgen der Menschen auseinandersetzen müssen. Es gibt wirkliche Sorgen, und daran kann man überhaupt nicht vorbeischauen. Natürlich müssen wir uns genau anschauen, wie es zu dieser Stoffdichte kommt.Wir müssen uns fragen, was wir dagegen tun können, dass die Kinder nicht in diesem Maße mit einer Stoffdichte belastet werden. Natürlich müssen wir uns ganz konkret mit der Organisation von Stundenplänen in Schulen auseinandersetzen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie viele Hausaufgaben gegeben werden, sowie damit, wie es um den Einsatz der Fachlehrer in ihren Klassen und um die schulinternen Absprachen steht.

(Norbert Schmitt (SPD): Das fällt Ihnen früh ein!)

Herr Kollege Wagner, wir müssen uns letztlich auch mit Fragestellungen auseinandersetzen, die zumindest dann etwas mehr Zeit brauchen, wenn man sich an Recht und Gesetz hält – was Ordnungen angeht – und ein bestimmtes Verfahren durchlaufen muss.

Auch damit werden wir uns auseinandersetzen. Das sind die faktischen Sorgen der Menschen. Die nehmen wir ernst. Wir sprechen mit den Menschen. Für die Sorgen wollen und werden wir Lösungen finden.

(Beifall des Abg. Mark Weinmeister (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eines lasse ich uns aber nicht an die Backe malen: dass wir in Hessen nicht in besonderer und in – dadurch unterscheiden wir uns von anderen Ländern – guter Sorgfältigkeit G 8 eingeführt haben.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fragen Sie gelegentlich in anderen Ländern nach. Alles, was hier darüber gesagt worden ist, was in anderen Ländern angeblich anders geht als in Hessen, entspricht nicht der Wahrheit, um es sehr parlamentarisch auszudrücken.

(Zurufe der Abg. Mark Weinmeister (CDU) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Aber mit der Wahrheit ist das beim Kollegen Wagner auch ein bisschen schwierig.

(Gernot Grumbach (SPD): Da spricht die Fachfrau!)

Der politische Wille ist bereits seit 1998/1999 unstreitig erklärt. Das hat zwei Wahlen überstanden. Wir haben G 8 ganz spät eingeführt.Warum haben wir das gemacht? Weil vorher Unterricht ausgefallen ist, weil die Grundschule mit sehr wenigen Stunden bedacht worden ist. Deswegen sind wir erst das 13. von 16 Bundesländern gewesen, das G 8 eingeführt hat.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es gibt bis zum heutigen Tage kein anderes Land – sie beneiden uns um diese Lösung –,das die Etappenlösung eingeführt hat.Wir haben es in drei Jahrgängen hintereinander und nicht in beiden Jahrgängen gleichzeitig eingeführt. Wir haben sowohl die Stundentafel als auch die Lehrpläne gestrafft. Das ist auch völlig unstreitig. Die einzige Frage ist: Ist das ausreichend, oder müssen wir dort möglicherweise noch einmal härter herangehen?

Herr Wagner, dieser Stundentafel und diesen Lehrplänen hat der Landeselternbeirat zugestimmt. Deswegen ist es schlicht die Unwahrheit, wie Sie mich in falscher Weise zitieren.Diese Zustimmung liegt vor.Ich habe noch bei keiner einzigen Verordnung – nur bei einem Erlass vor wenigen Wochen – den Landeselternbeirat überstimmt. Der Landeselternbeirat hat zugestimmt. Es gibt 25 Millionen c für zusätzliche Bücher. Es gibt IZBB-Mittel. Es gibt das 100-Millionen-c-Investitionsprogramm für Ganztagsschulen auch für G-8-Schulen, an G-8-Schulen sogar befördert. Wir sichern die Anschlussfähigkeit für Realschüler und Gesamtschüler in die gymnasiale Oberstufe hinein und machen es möglich,dass auch diese Schüler Abitur machen. Bei den Realschülern hat sich der Anteil sogar um 20 % erhöht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen setzen wir uns mit den faktischen Sorgen auseinander. Deswegen habe ich die Arbeitsgruppe einberufen, der dankenswerterweise die Spitze des Landeselternbeirates mit zwei weiteren Vertretern aus dem Landeselternbeirat angehört, drei Schulleiterinnen und Schulleiter und eine Vertreterin der Schulaufsicht. Diese Arbeitsgruppe hat in erster Runde mit mir gemeinsam getagt. Sie hat in zweiter Runde getagt. Wir werten diese ersten beiden Runden intensiv und schnell aus.Wir schichten in der Arbeitsgruppe im Moment ab: Was geht kurzfristig? Was

geht mittelfristig? Was geht langfristig? In der Art und Weise, wie es geht, wird es gemeinsam umsetzt.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dabei geht es um die Ergebnisse, was die Unterrichtspraxis, die Umsetzung an den einzelnen Schulen angeht. Es geht dabei um die Erinnerung an manches, was an Schulen eigentlich die Regel ist. Es geht dabei um die Frage: Was kann gegebenenfalls sehr schnell mit Erlassen festgelegt werden? Es geht dabei um die Frage: Was muss im Rahmen von Standards und Kerncurricula geändert werden, was die Inhalte angeht? – Meine Damen und Herren, das ist ein seriöses Vorgehen. Ich bitte schlicht um die Möglichkeit, dass die Arbeitsgruppe, die sich aus verantwortungsbewussten Menschen zusammensetzt, diese Arbeit mit uns gemeinsam zu einem guten Ergebnis führen kann.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war eine schlechte Abschiedsrede! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lasst mich in Ruhe, heißt das! – Gegenruf des Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Das war wieder Al-Wazir! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war ältestenratsverdächtig! – Ministerpräsident Roland Koch: Nur wenn er angegriffen wird, ist er sehr sensibel!)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Alle drei Anträge sollen an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen werden. Oder will jemand direkt abstimmen? – Da keiner widersprochen hat, werden die Anträge an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen.

Meine Damen und Herren, kurz zur Geschäftslage. Sie wissen, dass wir hier nur bis ca. 13 Uhr tagen können. Danach haben wir noch ein bisschen Luft. Aber ich darf Sie trotzdem bitten, die Redezeiten nicht ganz auszuschöpfen. Das würde uns insgesamt helfen. Nachher tagt hier die Stadtverordnetenversammlung. Dies nur zu Ihrer Information.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 46 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend Verpackungsverordnung – kein Grüner Punkt auf Brötchentüte und andere Serviceverpackungen – Drucks. 16/8051 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 79:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Verpackungsverordnung im Ganzen ändern statt kleine Brötchen backen – Drucks. 16/8214 –

Die Redezeit beträgt 15 Minuten. Das Wort hat Herr Kollege Heidel für die FDP.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, meine werten Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion legt Ihnen heute einen Antrag vor, der heißt: kein Grüner Punkt auf Brötchentüte und andere Serviceverpackungen. – Dies ist das Corpus Delicti, um das es geht.

(Der Redner hält eine Brötchentüte in die Höhe. – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Du musst es aufblasen!)

Herr Kaufmann, für das Aufblasen sind eigentlich immer Sie zuständig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Tarek Al-Wa- zir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Aber nicht wie Mr. Bean im Flugzeug!)

Lassen Sie mich dazu auch aus Zeitgründen nur einige wenige Bemerkungen machen. Wir haben Ihnen den Antrag heute vorgelegt, weil wir in Gesprächen mit der Fleischerinnung und mit der Bäckerinnung – ich bin dankbar, dass Herr Nennhuber heute bei uns ist, um diese Debatte zu verfolgen – zu der Überzeugung gelangt sind, dass es nicht sein kann, dass wir den Verbraucher in Zukunft für Verpackungen wie die Brötchentüte bzw. das Wursteinwickelpapier, aber auch – das wird vor Weihnachten wieder interessant werden – für das Blumenpapier doppelt zahlen lassen. Ich will Ihnen deutlich machen, warum es Unsinn ist, dass hier der Grüne Punkt draufkommt.Wenn Sie eine Brötchentüte nehmen, das Brötchen herausnehmen, sie dann auf dem Frühstückstisch liegen bleibt und mit Marmelade bekleckert wird:Was machen Sie dann damit?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): In die Spülmaschine!)

Wäre die Tüte sauber,könnte sie in den Papiermüll.Ist die Tüte bekleckert, fällt sie nicht mehr unter die Verpackungsverordnung. Also muss sie in den Restmüll. In die Biotonne kann sie leider auch nicht, weil es Papier ist. – Meine Damen und Herren, ich glaube, an dem Beispiel wird ganz schnell deutlich, was das für ein Unsinn ist, der als bürokratisches Monster von Herrn Gabriel auf den Weg gebracht werden soll.

(Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Jürgen Frömmrich und Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will Ihnen verdeutlichen, wie das in der Praxis aussehen wird. Nehmen wir an, wir haben eine Bäckerei mit mehreren Filialen. In diese Filialen kommen morgens die Brötchentüten. In den Tüten werden die Brötchen verkauft. Abends muss sich in jeder Filiale die Verkäuferin hinstellen und die Brötchentüten abzählen: Wie viele habe ich heute verbraucht? – Denn das muss dokumentiert werden. Das läuft dann alles wieder in der Zentrale der Bäckerei zusammen, wo das zusammengefasst wird und dann die Meldung gemacht werden kann, nach dem Motto: „Wir haben heute soundsoviele Brötchenverpackungen verbraucht.“ Das muss dann gemeldet werden. Dafür ist dann ein Lizenzentgelt an den Grünen Punkt abzuführen. Das Entgelt wird also von jeder Bäckerei abgeführt. Gleichzeitig wirft der Verbraucher aber die besagte Brötchentüte, die er bekleckert hat, in die Restmülltonne und zahlt dafür seine Restmüllgebühr. Dem Verbraucher soll also die doppelte Belastung aufgebürdet werden.

(Beifall bei der FDP)

Die Bäckerinnung hat hochgerechnet, was im Jahr auf eine Verkaufsstelle zukommen würde, und ist auf die Summe von sage und schreibe 1.000 c pro Verkaufsstelle gekommen. Die Fleischerinnung ist der Meinung, dass für sie sogar die doppelte Summe relevant werden würde. Diese Summe wird natürlich auf den Verbraucher umgelegt. Es ist ganz logisch, dass das in den Verkaufspreis eingerechnet wird.

(Beifall bei der FDP)