Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Das kann man immer von zwei Seiten sehen. Ich sehe es von der Seite,dass es der definitiv letzte Haushalt des Kollegen Finanzministers, Herrn Staatsminister Weimar, ist. Das habe ich vor fünf Jahren nicht gesagt.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Doch!)

Ich sage es heute. Ich sage, es ist definitiv richtig: Die finanzwirtschaftlich schlimmen Jahre gehen zu Ende. Das macht uns logischerweise fröhlich.

(Unruhe)

Was noch fröhlicher stimmt – insoweit kann man sich doch tatsächlich locker machen –, ist, dass das, was heute beschlossen wird,nicht lange Bestand wird haben müssen. Von daher haben wir die Chance,das im nächsten Jahr mit einem Nachtragshaushalt zu korrigieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Denn das,was Sie hier vorlegen – entgegen den Versuchen des Kollegen Milde, alles schönzureden –, ist wahrlich das Gegenteil eines soliden und nachhaltig geplanten Haushalts.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das hat etwas mit der fünften Jahreszeit zu tun!)

Meine Damen und Herren, die neue Mehrheit in der 17. Legislaturperiode wird das aber richten. Insoweit können wir alle fröhlich auf das Weihnachtsfest schauen. Ein gutes Stück der Düsternis wird vergehen, und die Morgenröte und der Silberstreif am Horizont kündigen sich bereits an.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Meine Damen und Herren, die Qualität der Finanzpolitik kann nur besser werden, wenn wir hier wieder einen Finanzminister haben, der wirklich gestalten will und nicht nur hilflos auf dem weiter wachsenden Schuldenberg sitzt. Die langsam zur Gewissheit werdende Erwartung, dass es dazu kommen wird, stimmt uns zuversichtlich und fröhlich, ganz im Gegenteil zu den Kolleginnen und Kollegen der CDU,

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

die weitestgehend schon geflüchtet sind. Ich habe Verständnis für die schlechte Stimmung in den Reihen der CDU. Sie passt zwar so gar nicht in die vorweihnachtliche Freude. Aber wenn Sie die Umfrageergebnisse ganz einfach im Dreisatz umrechnen – das könnten selbst Sie, Herr Kollege Metz –, dann müssen wir davon ausgehen, dass zumindest zehn Kolleginnen und Kollegen der CDU im nächsten Jahr nicht mehr hier sitzen werden, sondern nur noch auf der Besuchertribüne.

(Minister Karlheinz Weimar: Schauen wir einmal!)

Wir wissen noch nicht genau, wer das sein wird. Aber ab Platz 38 oder so ist es für alle nicht mehr sicher, denn man weiß ja nicht, wie der Wähler entscheidet. Und das ist letztlich auch gut so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Karlheinz Weimar: Eben, das ist es!)

Meine Damen und Herren, nach alledem, was der Finanzminister uns in den vielen Jahren immer wieder vorgejammert hat,sage ich in Richtung Regierungsfraktion und Regierung: Sie wissen es doch selbst am besten, wie stressig das Regieren sein kann, die ewigen Präsenzpflichten hier im Landtag, häufig die Aufgabe, unverständliche, oft sogar falsche Regierungsentscheidungen als Abgeordnete begründen, sogar begrüßen zu müssen – nicht wahr, Herr Kollege Williges?

(Zuruf des Ministers Karlheinz Weimar)

Dies alles wird sie nicht mehr belasten. Das sind doch allemal positive Aussichten. Ich denke, die vorweihnachtliche Freude wird deshalb auch Sie ereilen. Die baldige Befreiung von der Regierungslast macht doch Spaß.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir stehen vor der dritten Lesung des Haushalts 2008. Ich sagte es schon, wir wissen, dass er noch vor der Sommerpause des kommenden Jahres eine deutliche Veränderung erfahren wird. In welche Richtung die Veränderung gehen wird, können Sie z. B. an den Haushaltsanträgen ablesen, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu diesem Haushalt gestellt hat. Wir haben den Haushalt eindeutig akzentuieren wollen – und wir werden ihn akzentuieren – zugunsten der Schwerpunkte der Energie- und Umweltpolitik, der Familienpolitik und der Bildungspolitik, die besonders rasch eine deutliche Korrektur verlangt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau deshalb wird unser grünes Sofortprogramm Schule noch im Jahre 2008 Wirklichkeit werden. Das ist zumindest meine Überzeugung. Wir haben natürlich entgegen dem, was der Kollege Milde behauptet hat, mit unseren Anträgen den Kreditbedarf des Haushaltes deutlich gesenkt, und zwar mit haushaltswirksamen Maßnahmen. Wir haben darüber hinaus zusätzliche Maßnahmen zur Konsolidierung vorgeschlagen. Der Kollege Williges hat schon genickt.Natürlich hat die CDU wieder alle Anträge ausnahmslos abgelehnt, obwohl Ihnen in etlichen Bereichen noch nicht einmal ein einziges Gegenargument eingefallen ist.

(Zuruf des Abg. Frank Williges (CDU))

Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, bei denen später Anträge von Ihnen kamen, die zumindest in eine ähnliche Richtung gingen.

Meine Damen und Herren,ich will mich aber gar nicht näher mit den inhaltlichen Differenzen der Haushaltsanträge befassen. Ich will mich vielmehr noch einmal – das ist auch notwendig – mit den finanzwirtschaftlichen Aspekten des weimarschen Wirkens insgesamt befassen.Unter diesem Gesichtspunkt – Herr Kollege Kahl hat es ähnlich angesprochen – findet heute eine dunkle Epoche der koch-weimarschen Finanzpolitik einen, wie nicht anders zu erwarten, eher unrühmlichen Schluss. Wahrscheinlich ist es gar kein bemerkenswerter Akkord. Weimar geht einfach unter, nachdem er mit dem hessischen Haushaltsschiff zum wiederholten Mal gegen den Schuldenberg gedonnert ist,der ihm schwere Leckagen zugefügt hat.Dann wird es zugehen wie auf der Titanic: Die Musik spielt bis zum eiskalten Ende.

Schauen wir uns deshalb die weimarsche Bilanz an, die er als Bilanz des von ihm so sehr geliebten Konzerns Hessen nicht vorgelegt hat, obwohl er es ursprünglich versprochen hat. Schauen wir uns seine inhaltliche Bilanz an. Ich glaube, es ist nicht voreilig, wenn wir am letzten Plenartag seiner Amtszeit einen Strich darunter machen und schauen, was denn übrig bleibt.Wir haben in Hessen eine Gesamtverschuldung des Landes von deutlich über 30 Milliarden c festzustellen. Das ist ziemlich viel, selbst wenn man berücksichtigt, dass dieser Berg in gut 60 Jahren der hessischen Geschichte entstanden ist. Denn das Problem ist doch, dass in dem letzten Sechstel der Periode der hessischen Geschichte ein Drittel dieses Schuldenbergs angehäuft wurde, die Schulden also mehr als doppelt so schnell gestiegen sind wie im Durchschnitt aller Jahre.

Der Kollege Kahl hat die dreifache Siegerposition schon erwähnt. Da könnte man fast auf die Idee kommen, das „Triple A“ zu nennen. Aber bisher hatte das eine etwas andere Bedeutung, als dass man dreimal an der Spitze des Schuldenmachens steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

10 Milliarden c neue Schulden von Roland Koch und Karlheinz Weimar, das ist unvorstellbar viel Geld. Deswegen will ich,weil es sich eben keiner vorstellen kann,einem legendären Beispiel von Franz Josef Strauß aus den Siebzigerjahren folgen. Er hat damals im Bundestag vorgetragen,wie man es konkreter verdeutlichen kann,welch gigantische Summe das ist.

Wenn man die Schuldensumme von 10 Milliarden c in Form der berühmten grünen 100-c-Scheine aneinanderlegen würde, so reichte dies für eine Strecke von 14.700 km. Damit könnte man von Wiesbaden bis nach Omsk oder auch nach Neufundland reisen – und natürlich auch wieder zurück.

(Minister Karlheinz Weimar:Aber wer macht denn so etwas?)

Herr Weimar, wenn Sie allerdings, was sicher viel besser wäre, nach den Jahren hemmungsloser Überschuldungspolitik lieber gleich im Exil bleiben und nicht mehr zurückkommen wollten, dann kämen Sie mit den aneinandergelegten 100-c-Scheinen bis nach Feuerland oder nach Wladiwostok, je nach Reiserichtung.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Jür- gen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wladiwostok, das wäre es! Aber mit der Harley!)

Wir wissen, dass es nicht nur die gigantische Schuldensumme der koch-weimarschen Bilanz ist, die Sie deutlich verunziert. Der Vermögensverzehr durch Verkauf, oder besser Verschleuderung genannt, und zwar Verkauf von für die Aufgaben des Landes noch benötigter Immobilien im Wert von mindestens 2.500 Millionen c belasten uns zusätzlich. Schließlich müssen für mindestens 20 Jahre im Schnitt keineswegs geringe Mieten gezahlt werden, die allerdings – wir haben es beim Finanzminister nachgefragt – von ihm noch nicht einmal beziffert werden konnten.

Dennoch ist Weimar davon überzeugt, das ist ein gutes Geschäft – vielleicht für ihn, das mag sein; aber nicht für das Land und seine Steuern zahlenden Bürger. Das zumindest steht fest.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Auch diese 2,5 Milliarden c sind eine gewaltige Summe Geldes.Also nehmen wir uns noch einmal ein Beispiel an Franz Josef Strauß. In 1-c-Münzen gezahlt, hätten diese 2,5 Milliarden c ein Gewicht von 18.750.000 kg. Das entspricht 1.250 Güterwaggons mit 15 t Nutzlast. Das sind mindestens zehn voll beladene Güterzüge maximal zulässiger Länge.

Meine Damen und Herren, da kommt man sich ein bisschen vor wie in Entenhausen, wenn die Panzerknacker Dagoberts Vermögen wegschaffen wollen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welcher davon ist Weimar? – Petra Fuhrmann (SPD): Die schaffen es aber nie!)

Im Comic siegt am Ende immer das Gute, bei unserem Staatshaushalt ist das Vermögen leider unwiederbringlich verloren. Wir bräuchten übrigens fast 1.000 Lkws, um das Geld wieder herbeizuschaffen, was einen Stau von gut 30 km auf der Autobahn erzeugen würde, und das im angeblich staufreien Hessen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wie lange haben Sie daran gerechnet, Herr Kollege? – Gegenruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU): Das haben die outgesourct!)

Das ist ganz einfacher Dreisatz. – Meine Damen und Herren, im Jahre 2008 möchte Karlheinz Weimar für weitere 400 Millionen c den Leo-III-Restbestand an Immobilien des Landes verkaufen. Das wären dann übrigens weitere 200 Lkws, um den Verkaufserlös nach diesem Modell von Strauß transportieren zu können.

Ich erzähle Ihnen das übrigens nicht als lustige Vorweihnachtsgeschichte, sondern um deutlich zu machen, welch unvorstellbare Menge Geld Finanzminister Weimar als Schulden angehäuft und als Vermögen verschleudert hat. Glücklicherweise können wir Leo III noch retten.Die Immobilien werden wir dem Land erhalten können; denn diesmal können die hessischen Wählerinnen und Wähler an der Wahlurne am 27. Januar mit darüber entscheiden, ob sie Leo III auch noch verkaufen wollen oder besser nicht, was wir dringend empfehlen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Leo geben wir nicht her!)

Meine Damen und Herren, die Landtagswahl ist überhaupt die beste Gelegenheit, nicht nur der weimarschen

Finanzpolitik die richtige Quittung zu präsentieren, sie bietet obendrein die Chance, die abgewirtschaftete Regierung endlich komplett wegzuschicken. Wie der Haushalt 2008 ein hilfloses Machwerk der Unzulänglichkeit ist, so fehlt es der gesamten Regierungspolitik an Zukunftsperspektiven. Von Visionen will ich gar nicht reden. Wir haben es heute Morgen eindrucksvoll erlebt, wohin die alle verschwunden sind.

Einst hatte Koch vollmundig Visionäres verkündet. Jetzt hat er alles vergessen, aufgegeben, zerrieben in den Unzulänglichkeiten seines Arbeitsalltags. Dabei bedürfen viele Politikfelder einer Führung, die an morgen denkt, die nicht in kleinlicher Krämerei stecken bleibt, sondern Probleme löst und Orientierung gibt. Dazu gehört gewiss nicht an letzter Stelle auch und besonders die Finanzpolitik.

Überall beschäftigt man sich im Rahmen der Föderalismusreform II mit den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, mit den Bedingungen und Regelungen für eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Wir GRÜNE haben uns mit etlichen Initiativen an der Debatte beteiligt. Ich erinnere nur an unseren Antrag zum Zukunftshaushalt. Er enthält übrigens einen Vorschlag zur Neuregelung der Verschuldensbegrenzung, der auf einer ausgearbeiteten Idee des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung basiert.

Doch wie reagierten der Finanzminister und seine Fraktion? – Blanke Ignoranz,wortreiches Achselzucken,keine eigenen Vorschläge, sondern gelangweiltes „mer waaß es net, schau’n mer mal, was noch da rauskommt“, aber keinerlei Korrektur am eigenen Verschuldungskurs.

Meine Damen und Herren, es gibt einen vagen, anvisierten Haushaltsausgleich im Jahr 2011. Der Kollege Milde hat es wieder angesprochen.Aber schon im Finanzplan ist das keineswegs einzulösen. Das sprach Kollege Kahl an.