Protokoll der Sitzung vom 15.10.2003

Meine Damen und Herren, die Geräusche sind beim Kollegen Reif etwas gurgelhaft. Er merkt, das Projekt ist am Untergehen. Deswegen macht er das genauso wie der Kollege Hahn. Er beginnt mit Schuldzuweisungen. Deswegen hat er den Hauptschuldigen dafür, dass der Ausbau des Flughafens Frankfurt scheitern wird, schon bei den Sozialdemokraten entdeckt. Das war genau der Sinn und Inhalt Ihrer Rede, Herr Kollege Hahn. Denn ansonsten kann man nur festhalten, das, was Sie uns dargestellt haben, ist nichts weiter als die ungeschminkte Aufforderung zum Rechtsbruch insbesondere an die Gremien, wie z. B. die Regionalversammlung.

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na!)

Und auch noch Lufthansa derart hoch loben, wo Sie selber zitiert haben, was Sie gestern Abend gehört haben, dass nämlich Lufthansa klar erklärt hat, dass das Nachtflugverbot mit ihnen nicht geht. Meine Damen und Herren, so viel zur Konsistenz derer, die sich für den Flughafenausbau einsetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren,bevor ich im Einzelnen auf die Anträge eingehe, muss ein Punkt gesetzt werden, der an den Anfang jeder Flughafendebatte gehört, den ich Ihnen schon mehrfach vorgetragen habe. Ich denke, es wird höchste Zeit, es einmal zu wiederholen.

Die Befürchtungen, dass später eine weitere Startoder Landebahn errichtet werden könnte, entbehren jeder Grundlage. Die Genehmigung einer solchen Maßnahme wird auf keinen Fall erteilt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen, dass diese Aussage Inhalt eines nach wie vor gültigen, rechtsbeständigen Planfeststellungsbeschlusses einer Hessischen Landesregierung ist, einer übrigens, an der die GRÜNEN nicht beteiligt waren. Uns hat es damals noch gar nicht gegeben.

(Frank Lortz (CDU): Das waren noch Zeiten!)

Meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, Herr Kollege Lortz, samt Ihrer Kuschelopposition, Sie wissen doch nicht mehr recht weiter, was Sie in der Situation machen sollen. Deswegen schreibt die FDP so wunderbare Anträge mit Texten wie: „Ständig wechselnde Voten sind einem geordneten Genehmigungsverfahren nicht dienlich.“

Herr Kollege Hahn, es ist festzustellen, dass die FDP die Einheitlichkeit des Votums zum Flughafen auf allen Ebenen fordert. Sie haben das hier noch einmal sehr deutlich gemacht. Für mich – es tut mir Leid – ist das eine etwas verquere Welt, wenn der so genannte demokratische Zen

tralismus, nachdem er durch den Untergang der KPdSU heimatlos geworden ist, nunmehr bei den Liberalen in Hessen seinen Einzug gehalten hat,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Frank Lortz und Michael Boddenberg (CDU))

denn von dort kommt die Forderung – Sie haben es alle hier vernommen –, was Hahn sagt, müssen alle befolgen, möglichst dabei strammstehen. Meine Damen und Herren von der FDP, merken Sie eigentlich nicht, wie Sie sich dabei in Ihrem Ziel verrennen, möglichst rasch Bannwald zu roden, um für eine neue Landebahn und etliche Rollbahnen Beton dorthin zu bringen? Kennen Sie überhaupt keine rechtsstaatlichen Verfahren mehr? Wollen Sie wirklich nur das eine: „Ohren und Augen zu und durch!“?

(Frank Lortz (CDU):Was für eine Entgleisung!)

Deshalb schreibt die FDP – Kollege Lortz, lesen Sie es einmal nach, es macht richtig Spaß – in dem Antrag Drucks. 16/689:

Deshalb müssen die anstehenden Verfahren zügig durchgeführt werden.

Jetzt kommt es:

Eine grundsätzliche Diskussion um den für innerbetriebliche Abläufe optimalen Standort kann das ganze Projekt gefährden.

Meine Damen und Herren, wer das tut, was in den Vorschriften vorgegeben ist, nämlich bei Projekten dieser Größenordnung Alternativen zu betrachten, der – schreibt Herr Hahn in seinem Antrag – gefährdet das ganze Projekt. Das Schöne ist, damit hat Herr Hahn sogar Recht. Natürlich,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil nämlich das Projekt A-380-Halle so,wie es derzeit geplant ist, rechtlich keinen Bestand haben kann. Genau deshalb hat die Regionalversammlung Süd kürzlich eine negative Stellungnahme abgegeben, im Übrigen – diese Redlichkeit müssen alle haben – ausschließlich wegen des Standortes im Bannwald.

(Frank Lortz (CDU): Ein bisschen ruhiger! Rege dich nicht so auf! Trink erst mal einen!)

Um es in einem Satz für den Kollegen Lortz von der bayerischen Grenze noch einmal zu wiederholen:Der gültige Regionalplan verbietet es, diesen Standort zu akzeptieren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollten wir – denke ich – unter juristischen Aspekten darüber überhaupt nicht streiten können,weil eine Abweichung vom Regionalplan nicht erfolgt ist, geschweige denn die Bannwaldschutzkategorie bereits verändert wurde. Alles andere als die Ablehnung des Standortes zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre ein eklatanter Rechtsverstoß.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist der FDP und der CDU offensichtlich egal. Der Kollege Hahn hat ihn sogar hier – wir haben es alle gehört – gefordert. Wir GRÜNE in der Regionalversammlung haben ebenso wie die SPD ganz eindeutig gesagt: Es geht nicht um die Verhinderung der Werft; es geht einzig und allein darum, dass alternative Standortmöglichkeiten – auf dem Gelände des Flughafens, wären sie natürlich vorhanden – überhaupt nicht geprüft wurden.

(Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Meine Damen und Herren, wir machen uns damit, indem wir die Kritik vorbringen, eigentlich zum Helfer des Ausbaues,indem wir nämlich frühzeitig darauf hinweisen,was dort für Fehler begangen werden, die spätestens in einem Rechtsstreit hochkommen.Deswegen müssten Sie eigentlich irgendwann einmal versuchen, darüber nachzudenken,ob es nicht doch richtig wäre,hier ein geordnetes Verfahren und nicht das Verfahren nach dem Motto von JörgUwe Hahn „Augen zu und durch!“ als richtiges anzusehen.

(Frank Lortz (CDU): Ihr seid die eigentlichen Befürworter!)

Meine Damen und Herren, der Grund, warum andere Alternativen von Fraport nicht geprüft worden sind, liegt einzig und allein darin, dass es einen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem gesamten Ausbau des Flughafens gibt. Das führt Fraport in seinen Unterlagen auch selber aus. Wenn dies aber so ist – Herr Kollege Hermanns guckt ganz gespannt hierher –, dann kann man das Verfahren auch nicht als gesondertes Verfahren betrachten und gesondert entscheiden, sondern es muss in einem Verfahren zusammen durchgeführt werden.

Solange die Planungen der Fraport bezüglich der Gesamterweiterung nicht entschieden sind, müssen die Standorte innerhalb des Flughafenareals mit Priorität sogar für die A-380-Halle auch geplant werden.Für alles andere gibt es nämlich keine Planrechtfertigung. Das ist der Zusammenhang. Den kann man mit noch so großen Mehrheiten im Landtag und mit noch so viel Gebrüll „Alle sollen folgen!“ nicht aus der Welt räumen, Kollege Hermanns. Das muss man sauber bearbeiten. Das genau ist nicht erfolgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stellen Sie sich doch einmal vor, irgendein Gewerbebetrieb wollte eine Erweiterung für die Ausdehnung der Produktion vornehmen – und nicht auf seinen vorhandenen Freiflächen, sondern sagen: Ich will außerhalb des Geländes in den Wald,weil ich mit den Freiflächen,die ich bei mir habe, etwas anderes vorhabe.

Glauben Sie, es gäbe eine Behörde, die das genehmigen könnte? Alle würden sagen: Du musst erst einmal die Flächen beplanen, die du hast, und darfst nicht in den Wald hineingehen, zumal wenn es Bannwald wäre. – Aber für Fraport soll dies nach den Ausführungen, die wir gehört haben, nicht gelten? Steht dieser Betrieb über dem Recht? Oder ist es vielleicht deshalb, weil, durch die Erfahrungen der Vergangenheit ermutigt, für Fraport weiterhin das strategische Leitbild seiner Geschäftspolitik die Salami ist,deren Scheiben von den meisten hier geradezu begierig verschlungen werden?

Der Kollege Reif guckt mich so an. Ich vermute, die Gier nach der nächsten Wurstscheibe ist offensichtlich so groß, dass es ihn überhaupt nicht stört, dass diejenigen, die den Ausbau betreiben, bereits juristisch auf die Nase gefallen sind.

Der Verwaltungsgerichtshof – Herr Kollege Reif, Sie wissen das – hat die von der Landesregierung dekretierte Vorgabe im LEP,dass der Flughafenausbau zu planen und zu realisieren sei, wegen fehlender Abwägung schlichtweg als rechtswidrig kassiert.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Doch Sie bleiben in Treue fest auf Ihrem Irrweg und merken gar nicht, dass solche Anträge, wie sie heute hier gestellt wurden, als Durchhalteparolen in auswegloser Lage

zu qualifizieren sind. Die Reden des Kollegen Hahn und des Kollegen Reif haben genau das unterstrichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, einstmals wurde behauptet – es war der FDP-Verkehrsminister Posch –, es solle ein faires und transparentes Verfahren bei den Anträgen der Fraport zum Ausbau des Flughafens Frankfurt geben.

(Florian Rentsch (FDP): So ist es, und so war es! – Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP))

Heute ist es genau die Partei dieses Ministers, die ohne Rücksicht auf Einwände, Rechtsvorschriften und tatsächliche Verhältnisse

(Hans-Jürgen Irmer (CDU):Vorsicht!)

sogar zwei Anträge einbringt – einer war nicht genug, Frau Kollegin Wagner, um sich zu blamieren –, in denen sie andere Institutionen und Gremien auffordert, gleich lautende unkritische Jubelstellungnahmen abzugeben.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Denn nach Ihrer Auffassung darf nicht sein, was Sie nicht wollen und wohl auch nicht können, nämlich erst nachdenken und dann entscheiden.

Meine Damen und Herren, damit sind wir schon beim zweiten Komplex der heute zu behandelnden Fragestellung im Zusammenhang mit den Ausbauplänen von Fraport. Ich spreche von den Risiken der Ausbauplanung, speziell den flugbetrieblichen Auswirkungen des Betriebs der vom Ministerpräsidenten höchstpersönlich ausgesuchten Landebahn Nordwest auf die Luftverkehrssicherheit ebenso wie auf die Sicherheit des Betriebs des Chemieunternehmens Ticona. Was wir in dieser Frage – mit „wir“ meine ich die Landtagsabgeordneten aller Fraktionen und die interessierten Beobachter – bislang erleben mussten, kann nur noch mit den Zuständen in einem Tollhaus verglichen werden. Das müsste einen eigentlich zum Lachen bringen, wenn es nicht so tieftraurig wäre, Herr Kollege Reif.

(Zurufe der Abg. Clemens Reif und Frank Lortz (CDU))

Seit Anfang der Sechzigerjahre arbeitet die Firma Ticona an der gegenwärtigen Stätte. Das haben Sie selbst gesagt. Sie unterliegt auch nicht erst seit gestern den Vorschriften der Störfallverordnung. Dennoch haben sowohl Fraport als auch Roland Koch sie vollständig ignoriert und keinen Gedanken daran verschwendet,

(Clemens Reif (CDU): Wer hat die Anlage genehmigt?)

dass es vielleicht ein Problem sein könnte, wenn der Flughafen bis dicht an die Grenze des Betriebsgeländes dieser Firma heranwuchert und der Flugbetrieb unmittelbar in niedrigster Höhe darüber hinweggeht.