Herr Kollege Williges, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Es muss keine Apfelsinenkiste sein. – Herr Kollege Williges, ich will in Ihrem Bild bleiben: Muss es denn für den Herrn Ministerpräsidenten eine Apfelsinenkiste aus Mahagoni sein, während viele soziale Initiativen nicht einmal mehr eine einfache Apfelsinenkiste haben werden? Sie werden vielmehr ihr Büro schließen müssen.
Müssen es für die Staatskanzlei Papierkörbe – ich zitiere aus der Ausschreibung – „ganz aus Edelstahl, nahtlos geschliffen, Kanten gerundet“ sein, während bei allen anderen Behörden das Budget für Sachkosten um 7,4 % gekürzt werden soll?
Man muss sich das wirklich noch einmal vergegenwärtigen und dann fragen: Müssen es für die Staatskanzlei wirklich Schreibtische mit Zierleisten sein, während in den nächsten Jahren 9.000 Beamte ihren Schreibtisch verlieren werden, weil die Stellen gestrichen werden? Das ist doch die Frage, die man stellen muss.
Ich möchte zu einem weiteren Textbaustein kommen. Diese Textbausteine haben es mir wirklich angetan. Ich möchte Ihnen nun zeigen, wie sehr man mit diesen Mätzchen auf die Nase fallen kann.
Am 24.September 2002 – also rund ein halbes Jahr vor der Landtagswahl – sagte der Herr Finanzminister hier im Plenum – ich zitiere –:
gelegten Landeshaushalt den Wählern beweisen: Wir haben versprochen, und wir haben die Versprechen gehalten.
Heute, ein halbes Jahr nach der Landtagswahl, ist davon nicht mehr viel übrig. „Versprochen, getäuscht, gebrochen“, das ist der Dreiklang dieser Landesregierung.
Ich zitiere einen weiteren Textbaustein des Herrn Metz. Dieser wurde von Herrn Weimar ebenfalls in der Plenarsitzung am 24. September 2002 vorgetragen. Damals hieß es – ich zitiere –:
Heute gibt es über 1.000 Lehrerstellen weniger. Die Arbeitszeit der Lehrer ist länger, und die Klassen sind größer. Hier gilt das Motto: „Versprochen, getäuscht, gebrochen“.
Hochschulen: mit dem Hochschulpakt und dem Hochschulgesetz mehr Geld und mehr gestalterische Freiheiten eingeräumt.
Heute steht den Hochschulen weniger Geld zur Verfügung. Mit den Studiengebühren soll eine Abzocke zum Stopfen der Haushaltslöcher betrieben werden.Auch hier gilt: „Versprochen, getäuscht, gebrochen“.
Heute gibt es dort weniger Stellen, es wird eine höhere Arbeitszeit und weniger Weihnachtsgeld geben.Auch hier gilt: „Versprochen, getäuscht, gebrochen“.
Herr Staatsminister Weimar, statt des Entwurfs eines Zukunftssicherungsgesetzes haben Sie den Entwurf eines Zukunftsverunsicherungsgesetzes vorgelegt. Statt der „Operation sichere Zukunft“ steht vielen Menschen die „Operation düstere Zukunft“ bevor. Statt das größte Sparpaket in der hessischen Geschichte vorgelegt zu haben, haben Sie mit diesem Haushaltsgesetzentwurf schlicht und ergreifend den größten Wahlbetrug in der hessischen Geschichte begangen.
Da hilft kein Klagen in Richtung Berlin. Da helfen keine Ausflüchte auf die Bundespolitik. Auch Herr Eichel ist nicht schuld. Das, was ich Ihnen hier heute vorgetragen habe, liegt einzig und allein in Ihrer Verantwortung, in der Verantwortung Hessens. Aus dieser Verantwortung werden wir Sie erst entlassen, wenn Sie entlassen sind. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Aussprache fort. Für die FDP-Landtagsfraktion hat Herr Roland von Hunnius das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den doch sehr anklagenden Worten des Kollegen Wagner von den GRÜNEN möchte ich etwas versöhnlicher beginnen und möchte der Landesregierung einen Glückwunsch aussprechen: Es ist der Hessischen Landesregierung gelungen, den Entwurf eines Haushaltsplans für das Jahr 2004 vorzulegen, der 31,4 Millionen c weniger Ausgaben beinhaltet als der Nachtrag für das Jahr 2003. Das ist eine Einsparung von 0,2 %. Das, so müssen wir neidlos anerkennen, verdient unseren ungeteilten Respekt.
Die Zahlen beziehen sich auf die bereinigten Gesamtausgaben ohne Länderfinanzausgleich und ohne Flutopferhilfe. Wir vergleichen also Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen, und das kann man machen.
Dass der Haushalt mit sinkenden Ausgaben aufgestellt wurde, ist ohne Einschränkung zu akzeptieren. Der eine oder andere wird sich allerdings an die von Ministerpräsident Koch genannte Einsparsumme von mehr als 1 Milliarde c erinnern und daraus möglicherweise den völlig unzutreffenden Schluss gezogen haben,die Gesamtausgaben sollten tatsächlich um 1 Milliarde c sinken. Weit gefehlt. Allerdings bezog sich dieser genannte Einsparbetrag auf eine sehr theoretische Basis, nämlich das Ergebnis der so genannten Chefgespräche zwischen den Ressorts und dem Finanzminister, also keineswegs auf das Jahr 2003. Was wirklich zählt, ist im Grunde genommen das Ist von 2003, verglichen mit dem Plan 2004.Wenn wir kein Ist 2003 haben, dann sind der Nachtrag 2003 und der Plan 2004 das, was wirklich hier bewertet werden kann, alles andere nicht.
Die Differenz zwischen der Gesamtentlastung von 1,044 Milliarden c papiermäßig, präsentationsmäßig vom MP und der tatsächlichen Ausgabenreduzierung im Vergleich Haushalt 2004 zum Nachtrag 2003 in Höhe von 31,4 Millionen c zeigt, dass der Haushalt weitestgehend inflexibel geworden ist und auch mit sehr großen Hebelbewegungen nur ganz wenig zu bewegen ist.
Dies gilt noch stärker für den Bereich der Personalausgaben. Trotz zahlreicher Einzelaktivitäten, wie Erhöhung der Arbeitszeit, Kürzung des Weihnachtsgeldes, partieller Streichung des Urlaubsgeldes für Beamte,gelingt es nicht, die Personalausgaben im Jahr 2004 zu reduzieren, sondern sie steigen immer noch, und zwar um 42,7 Millionen c bzw. 0,6 %.Wenn der Aufwand und der damit verbundene Ärger so groß sind – einen Teil des Ärgers haben wir gestern hier erleben dürfen –, der dabei erzielbare Effekt im Vergleich dazu aber so klein ist, muss man natürlich fragen: Lohnt sich die ganze Operation? Die Antwort aus liberaler Sicht ist eindeutig: Ja. Es gibt zur Haushaltskonsolidierung keinerlei Alternative,es sei denn,wir wollten uns anmaßen, unseren Enkeln die Luft zum Leben zu
nehmen, und wir wollten sehenden Auges zulassen, wie der finanzielle Handlungsspielraum hessischer Landespolitik, der von Jahr zu Jahr geringer wird, irgendwann, und zwar in sehr naher Zukunft, bei null landen wird.
Gestern ist schon das Zitat gebracht worden, die Zinsen von heute seien die Schulden von morgen.Das trifft leider voll und ganz zu. Wer die Schulden ungebremst steigen lässt,lässt auch die Zinsbelastung steigen und wird irgendwann der Schulden nicht mehr Herr werden.
Die Antwort lautet Ja, aber nur, wenn die gewählte Strategie vier Voraussetzungen erfüllt: Sie muss konsequent sein, wirksam, nachhaltig, und sie muss zur bisherigen und sonstigen Politik konsistent sein. Gehen wir einmal den vorliegenden Entwurf nach diesen Kriterien durch.
Zum Thema Konsequenz. Ministerpräsident und Staatskanzlei kosten den hessischen Steuerzahler im Jahr 2004 6,7 Millionen c mehr, als laut Nachtrag für das Jahr 2003 vorgesehen sind. Das ist eine satte Steigerung von 33,6 %. Konsequent? Wohl kaum. Wenn die Lage ist, wie sie ist, und sie ist, wie sie ist, dann muss gefragt werden, ob zwei zusätzliche Fahrzeuge für die Staatskanzlei erforderlich sind, ob die bisherige Innovationsgruppe kostenträchtig zur Gruppe Projektplanung aufgestockt werden muss, ob ein neuer Verfügungsfonds zur Förderung der Information über das Land und seine staatlichen Aufgaben, was immer das sein mag, im Umfang von 1,1 Millionen c erforderlich ist, ob die Verfügungsmittel des Ministerpräsidenten für Zwecke des Informationswesens – wiederum: was immer das sein mag – um 19 % aufgestockt werden müssen; dies alles, während die Zahlung an die Friedensstiftung Monte Sole im Jahr 2004 von 50.000 auf 25.000 c reduziert wird.
Zum Thema Wirksamkeit. Nach dem Entwurf des Zukunftssicherungsgesetzes sollen insgesamt 9.703 Stellen abgebaut werden. Der Abbau von Stellen ist richtig. Die letzte Landesregierung hat damit begonnen, die Konsequenz aus dem Suchan-Papier zu ziehen. SPD und GRÜNE hatten es erstellt, dann aber gleich wieder vergraben. Die Frage ist aber:Wie geschieht das? Der Abbau der Stellen – und hier ist die Rede von einem so genannten Produktivitätsgewinn und weiteren Rationalisierungspotenzialen – erfolgt in einer ganz bestimmten Art und Weise. Ich kann es mir nicht verkneifen – es mag vielleicht besserwisserisch klingen –, doch darauf hinzuweisen, dass ein Produktivitätsgewinn hier überhaupt nicht vorliegt.Wer ein Semester VWL studiert hat,muss wissen, was Produktivität ist. Die Produktivität steigt nicht, wenn ich den Arbeitseinsatz steigere. Dann steigt vielleicht der Output, aber nicht die Produktivität, die sinkt dann eher noch.
Aber unabhängig davon fragen wir uns doch:Wie machen wir das? Es passiert so, dass die abzubauenden Stellen personalisiert werden, indem die Beschäftigten ausgewählt werden und deren Stellen für die Ausbringung personenbezogener Wegfallvermerke im nächsten Haushaltsplanentwurf vorgesehen werden. Im Klartext, Auswahlkriterium ist nicht etwa ein bestimmtes Landesinte
resse, ist nicht etwa eine bestimmte Aufgabe, man fragt nicht: „Was muss das Land Hessen leisten, und wenn es das leisten muss, wie kann das am besten passieren?“, sondern es gibt offenbar gar keine Zielvorstellung über eine neue Personal- und Ablauforganisation.Wir machen Personalselektion statt Organisationsentwicklung, wir fragen:Wer von den Mitarbeitern ist denn aus irgendwelchen Gründen entbehrlich, wegen seiner Leistungsfähigkeit, oder weil er das Pech hat, jung und leistungsfähig zu sein, und insofern der Sozialauswahl nicht unterfällt? Danach wird hier ausgewählt. Wir stellen die Organisation komplett auf den Kopf.Wir kommen zu einer Restorganisation der Landesregierung, die ein mehr oder weniger zufälliges Resultat der Überlegung ist, welcher Beschäftigte in welchem Ressort überflüssig ist. Das ist alles andere als das, was wir uns unter einer systematischen Landespolitik vorstellen, denn es führt dazu, dass die Landespolitik im Effekt durch die Zufälligkeit der Personalbesetzung einzelner Stellen gesteuert wird.
Das Mittel, dieses herzustellen, ist die Personalvermittlungsstelle. Die Personalvermittlungsstelle tritt an die Stelle der Personalentwicklungsbörse, die insgesamt 200 Stellen vermittelt hat, sich also nicht als effizient und effektiv erwiesen hat. Okay, machen wir etwas Neues, nur: Wie arbeitet die Personalvermittlungsstelle? Wir sind gefordert, dem Projekt zuzustimmen, ohne zu wissen, nach welchen Richtlinien sie arbeitet. Wir wissen es nicht. Sie soll mehr Zwang ausüben als bisher.Die Rede ist auch davon, dass vielleicht noch mehr Anreize gegeben werden als bisher. Das Konzept ist relativ offen.
Wenn ich sehe, wie das Ganze funktionieren kann, muss ich mich am Beispiel Landesbetrieb Hessen-Forst fragen: Wie kann man sich überhaupt vorstellen, dass ein solcher Landesbetrieb noch effizient weiterarbeiten kann? Von den 1.000 abzubauenden Stellen entfallen dort 600 auf Waldarbeiter. Jeder zweite Waldarbeiter ist nach der Ansicht der Landesregierung überflüssig. Er läuft mit dem Kainsmal der Überflüssigkeit herum und muss dieses über Monate oder vielleicht Jahre ertragen. Da liegt doch die Vermutung nahe, dass die Personalvermittlungsstelle in Wahrheit nichts anderes wird als eine Personalmobbingstelle.