Da gab es den Vorsitzenden der Frankfurter CDU, der jetzt Abgeordneter ist und sich ebenfalls zu Höherem berufen fühlt. Da gab es bisherige Fachminister, die gleichzeitig Abgeordnete sind. Damit hatten alle diese Leute vor der geheimen Wahl des Ministerpräsidenten eines gemeinsam: Jeder konnte die entscheidende fehlende Stimme sein. Wenn nur einer Ihrer 56 Abgeordneten vor dem 5. April so verärgert worden wäre, dass er vielleicht auf dumme Gedanken gekommen wäre, dann wäre es mit all den schönen Karriereplänen Essig gewesen. Diese Tatsache ist der einzige Grund, mit dem bestimmte Entscheidungen der letzten zwei Monate in diesem Hause zu erklären sind.
Warum braucht Roland Koch in der Staatskanzlei inzwischen zwei Minister, obwohl Hans Eichel keinen einzigen hatte?
Wie kommt es dazu, dass Frank Lortz Vizepräsident geworden ist? – Aber ich hatte eigentlich nicht vor, darauf einzugehen. Das hatte mit dieser Frage nichts zu tun.
Wie kommt es, das es einen Wissenschaftsminister gibt, der selbst zugibt, dass er seit seinem Studium keine Uni mehr von innen gesehen hat?
Warum darf der Justizminister weiter am Beginn von laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren erklären, wie die seiner Meinung nach ausgehen?
Wieso bleibt eine Sozialministerin im Amt,die nicht sagen kann, wie hoch der Etat ihres Ministeriums ist?
Herr Koch, „Verantwortung für heute“ zu übernehmen wäre gewesen, in einer Kabinettsumbildung die größten Fehllistungen zu korrigieren, aber dazu fehlte Ihnen schlicht die Kraft und dazu war die Mehrheit zu knapp. Deshalb wird sich die Liste der Fehlbesetzungen des Kabinetts leider fortsetzen.
Die Antwort auf das Warum ist nicht in den „Visionen für morgen“ zu suchen, sondern die Antwort ist ganz banal und einfach: Jeder Ihrer bisherigen Fachminister musste in geheimer Wahl das aus Ihrer Sicht Richtige tun. Diese banale Tatsache führte dazu – das ist kein Witz –, dass Bauarbeiten stattgefunden haben, um die Ministerbank zu verlängern.
Immerhin beantwortet das die Frage, warum nicht auch noch der Landrat des Hochtaunuskreises, der ja schon für alles Mögliche im Gespräch war, Minister geworden ist.
Herr Ministerpräsident, dieses Kabinett ist kein Kabinett, das klare und mutige Entscheidungen ausstrahlt.
Herr Ministerpräsident, diese Landesregierung repräsentiert Ihre Schwäche. Diese Schwäche zieht sich durch das gesamte Regierungsprogramm und die gesamte Regierungserklärung, wenn sie auch – das gestehen wir als
Wir haben uns vorgenommen, diese Fassaden in den nächsten Jahren beiseite zu ziehen und die hässliche Wirklichkeit Ihrer Politik deutlich zu machen.
Herr Ministerpräsident,nach Lektüre des Regierungsprogramms, mehr noch, wenn man die Substanz der eben gehörten Regierungserklärung einmal von den wolkigen Formulierungen befreit, dann gewinnt man den Eindruck, dass Sie geradewegs von der Oppositionsbank auf Ihren Stuhl in der Regierungsbank geklettert seien und nun erste Gedanken anstellen, was werden soll.
Herr Koch, Ihr Regierungsprogramm ist ein schwer definierbarer Brei aus Realitätsverweigerungen vor den aktuellen Herausforderungen einerseits, aus wolkigen Wunschlisten für übermorgen andererseits, garniert mit ideologischen Versatzstücken aus der Rumpelkammer.
Zu Ihren Visionen 2015: Kein Mitglied der grünen Fraktion hat etwas gegen Visionen. Wir teilen ausdrücklich nicht die Äußerungen, die Ihre ganz spezielle Freundin Petra Roth einmal gemacht hat, dass nämlich der, der Visionen hat, einmal zum Arzt gehen solle.
Aber Ihre Visionen für das Jahr 2015, die das Regierungsprogramm einleiten, und Ihre Regierungserklärung beendet haben, sind wenig visionär, sondern haben vor allem ein Ziel: Sie fliehen ins Visionäre, um die bittere Realität zu übertünchen und vor allem, um über Ihre Politikverweigerung den Mantel des Visionären zu decken.
Am Ende der jetzt beginnenden Legislaturperiode, im Jahr 2008, wird die CDU einmal mit und einmal ohne Wurmfortsatz neun Jahre regiert haben.
Nach neun Jahren Regierungszeit müsste doch wenigstens ein Teil der Visionen schon Realität geworden sein. Aber die Tatsache, dass Sie quasi um Verlängerung bis 2015 bitten, deutet auf Ihr Problem mit der Wahrheit hin, und manchmal gleitet diese Verschleierungstaktik unfreiwillig ins Komische ab.
Wenn Sie z. B. in Ihrem Regierungsprogramm erklären: „Wir wollen, dass die hessische Polizei im Jahre 2015 einen Ruf hat, der dazu führt, dass das organisierte Verbrechen einen Bogen um unser Land macht“, dann ist das angesichts von Hunderten unbesetzter Polizeibeamtenstellen unter Ihrer Verantwortung satirereif, Herr Ministerpräsident.
Wenn die Forderung zu finden ist, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und die Betreuung in Jobcentern bis 2015 abgeschlossen sein soll, Herr Ministerpräsident: Ich war bisher davon ausgegangen, dass es in dieser Frage um ein In-Kraft-Treten am 1. Januar 2004 geht.Bis 2015 haben wir angesichts der Probleme auf dem Arbeitsmarkt wirklich keine Zeit,auf die Vollendung Ihrer Visionen zu warten.
Vollends absurd wird es dann – Herr Kollege Walter hat den Satz schon zitiert –,wenn gesagt wird:Wir wollen,dass Hessen im Jahr 2015 in den Verkehrsmeldungen nicht mehr vorkommt.
Herr Reif sagt „prima“. – Wir haben uns überlegt, wie Sie das erreichen wollen. Entweder wird Bouffier ein Verbot von Verkehrsunfällen erlassen,
oder es wird die Abschaffung von Schnee und Eis propagiert, oder Hessen wird umbenannt, oder Radios werden verboten.
Herr Ministerpräsident, das Problem ist schlicht und einfach: An solchen Sätzen wird deutlich, was Ihre Visionen in diesem Zusammenhang wert sind. Sie flüchten sich ins Visionäre, damit Sie im Konkreten keine einzige der aktuellen Problemlagen in Hessen beantworten müssen. Das ist der Kern Ihrer Vision.
Wir werden Sie nicht an Ihren Visionen messen, wir werden Sie in den nächsten fünf Jahren Tag für Tag an der Realität Ihres Regierungshandelns messen.