Protokoll der Sitzung vom 23.04.2003

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hierzu gehört auch der Wein der hessischen Bergstraße.

Ich sage auch: Mit den Staatsweingütern haben wir das größte Weingut in Deutschland.Wir haben hervorragende Qualitäten. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass ein solches Weingut nicht auch entsprechend positive, also schwarze Zahlen entwickelt. Rote Zahlen waren offensichtlich Ihre Philosophie. Dies wollen wir verändern.Wir haben das größte Weingut, wir wollen die beste Qualität des Weins, aber wir wollen auch finanzielle Rahmenbedingungen, die den Bürger vom Steuerzahlen für ein solches Weingut entlasten.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Walter, wenn Sie die Entbürokratisierung und die Kostensituation angesprochen haben, dann will

ich hierzu nur zwei Sätze sagen.Wir haben erstens die Gesetze und Verordnungen auf fünf Jahre befristet und wollen diesen Weg fortsetzen, um zu entsprechenden Überprüfungen zu kommen.

Zweitens wollen wir weiterhin Personalkosten reduzieren. Herr Kollege Walter, offensichtlich ist diese Zahl an Ihnen vorbeigegangen. Wir haben über 700 Millionen € durch Personalkostenreduzierungen eingespart, die wir durch Entbürokratisierung, durch vernünftige Reformen umgesetzt haben. Auch diesen Weg müssen wir weiter fortsetzen. Denn wenn wir 500 neue Lehrer wollen, dann brauchen wir in anderen Bereichen vernünftige Entbürokratisierung und Reduzierungen, um den finanziellen Rahmen für die Einstellung von 500 neuen Lehrern zu haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Kommunalisierung des staatlichen Landrats, um Parallelverwaltungen zu vermeiden. Die Verantwortung der staatlichen Politik bleibt zwar erhalten, aber im Kommunalisieren des staatlichen Landrats liegt eine große Chance zur Schaffung von Synergieeffekten bei den Personalkosten.

Wir wollen, dass die staatlichen Aufgaben, wo möglich, vom Regierungspräsidenten auf die kommunale Ebene übertragen werden. Wir wollen die Zweistufigkeit der Verwaltung,also eine Ebene,die entscheidet,und eine,die die Fach- und Rechtsaufsicht hat.

Wir wollen auch den Weg der Privatisierung, wo möglich, und die Eingliederung der Sonderverwaltungen in die allgemeine Verwaltung fortsetzen. Ziel ist es, den Bürgern und Unternehmen möglichst umfassend aus einer Hand kompetente behördliche Leistungen anzubieten und die Landesverwaltung auf Kernaufgaben zurückzuführen.

Meine Damen und Herren, Sie haben dies sehr oft kritisiert, aber ich glaube, Ihre Kritik geht dabei ins Leere. Wenn wir es schaffen, und dies ist unser Ziel, bis zum Ende des Jahres 2004 die kaufmännische Buchführung in Hessen umgesetzt zu haben,dann haben wir auch die konkrete Chance, nicht nur von der Kameralistik weggekommen zu sein, sondern über Kosten-/Leistungsrechnung zu mehr Effektivität, zu mehr Wirtschaftlichkeit im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu kommen. Dies ist auch ein richtiger Weg, den wir im Hinblick auf die Finanzierung und die Effektivität der Verwaltung eingeleitet und umgesetzt haben.

(Beifall bei der CDU)

Hierzu gehört auch die Einführung des E-Government, die zu Recht immer mehr von den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land nachgefragt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, die Regierungserklärung steht unter dem Gesamtaspekt,dass wir nicht nur in der bundespolitischen Entwicklung unsere Akzente setzen, sondern dass wir auch dort, wo wir die Chance haben, einen Beitrag für eine positive Entwicklung in Europa leisten. Wir haben eine positive Partnerschaft mit der Emilia-Romagna, aus der der Kommissionspräsident Prodi stammt.Wir haben eine positive Entwicklung mit der Aquitaine, aus der das Kommissionsmitglied Barnier stammt. Wir haben jetzt eine positive Entwicklung im Hinblick auf das neue EU-Mitglied Polen, nämlich mit der Region Wielkopolska. Das heißt, wir entwickeln, und zwar alle zusammen in einem Haus in Brüssel, ein sehr konkretes partnerschaftliches Zusammenwirken, das auf ein Europa der Regionen hinzielt. Ich glaube,

auch dies ist eine wichtige Entwicklung.Wir brauchen den Brückenschlag,der jetzt,13 Jahre nach dem Zerreißen des Eisernen Vorhangs, begonnen hat.

Es ist auch die Wahrheit, dass die positive Entwicklung in Europa über Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert entscheidet. Deshalb sehen wir es mit Sorge, wenn vonseiten der Bundesregierung teilweise separierende Aktionen in Europa eingeleitet werden, wenn deutsche Sonderwege gegangen werden. Wir brauchen ein gemeinsames Bewusstsein in Europa,einen Verfassungsvertrag für Europa und eine gemeinsame positive Entwicklung, um zu einer friedlichen und freiheitlichen Zukunft in Europa zu kommen. Deshalb sind solche Wege der Bundesregierung, die teilweise zu Spaltungen geführt haben, von uns auch in Zukunft zu kritisieren, weil sie uns im Grunde genommen in Europa auf ein Abstellgleis führen.

(Beifall bei der CDU)

Wir begrüßen nicht nur die Entwicklung unserer Freundschaft zu unserer Partnerregion Wisconsin in den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern ganz konkret auch die Tatsache, dass wir den Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober in Washington ausrichten. Dies ist ein positives Signal,dass das Land Hessen seine freundschaftlichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nicht nur in schwierigen Zeiten aufrechterhalten hat, sondern auch in Zukunft weiterentwickeln wird. Deshalb begrüßen wir es, dass sich die Landesregierung gerade in diesem Bereich besonders engagiert.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt einen römischen Grundsatz, der lautet: Salus populi suprema lex. Das heißt: Das Wohl des Volkes ist uns oberstes Gesetz. Mit dieser Maxime wollen wir unsere Verantwortung vor Gott und den Menschen in unserem schönen Hessenland auf der Basis dieser Regierungserklärung wahrnehmen. Wir bitten Sie dafür um Ihre Unterstützung. – Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Abg.Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) geht in Richtung des Rednerpults. – Zurufe von der CDU: Halt, wir klatschen noch ein bisschen!)

Sehr verehrter Herr Vorsitzender der Fraktion der GRÜNEN, von so vielen Menschen sind Sie in diesem Saal noch nie beklatscht worden.

(Heiterkeit)

Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beifall nach der Rede des Kollegen Jung ist der Beweis dafür, dass die CDU-Fraktion wirklich zu allem klatscht.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Dr. Jung, Sie haben viel darüber geredet, was SPD und GRÜNE in der Vergangenheit und wo auch immer angeblich falsch gemacht haben. Sie haben viel darüber geredet, welch eine Qualität der Rheingauer Wein hat. Sie haben am Ende als Riesenstaatsmann Jung sogar

angefangen, darüber zu reden, was außenpolitisch Ihrer Meinung nach notwendig sei. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Fangen Sie diese Diskussion nicht an, weil wir sonst darüber diskutieren werden, dass dieser Ministerpräsident der Meinung ist, Präventivschläge seien in Ordnung. Ich glaube,bei der Frage,wer sich an der Stelle isoliert hat, sehen Sie nicht gut aus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie haben aber fast nichts dazu gesagt, was eigentlich Inhalt der Politik der Regierung des Landes Hessen in den nächsten fünf Jahren ist. Herr Kollege Dr. Jung, dazu eine Anmerkung: Sie sind nicht mehr parlamentarischer Geschäftsführer einer Oppositionsfraktion, sondern Sie sind Vorsitzender einer Fraktion, die mit absoluter Mehrheit ausgestattet ist und in den nächsten fünf Jahren regieren wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Wir haben heute zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Regierungserklärung eines Ministerpräsidenten in Hessen gehört, der mit den Stimmen einer Fraktion ins Amt gekommen ist, die über die absolute Mehrheit verfügt und alle Minister stellt. Deswegen zuerst ein Blick zurück.

Die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger des Landes Hessen haben am 2. Februar eine Entscheidung getroffen, die von kaum einem Beobachter für möglich gehalten worden war. Unabhängig davon, aus welchen Motiven heraus diese Entscheidung zustande gekommen ist, unabhängig davon, ob sich einige gefreut oder andere maßlos geärgert haben:Wir haben diese Entscheidung zu respektieren.

(Zurufe von der CDU)

Ein etwas genauerer Blick zurück schadet aber zumindest nicht. Die Union hat die absolute Mehrheit der Mandate gewonnen. Daran besteht kein Zweifel. Für die absolute Mehrheit, in Prozentzahlen gerechnet, hat es nicht gereicht,und vielleicht verstehen wir am allerbesten,was am 2. Februar wirklich passiert ist, wenn wir die so genannten Ausschöpfungsquoten, bezogen auf alle Wahlberechtigten, betrachten. Die stärkste „Partei“ – wenn man sie so nennen darf – sind die Nichtwähler mit 35,4 %. Dann kommt die CDU mit 30,8 %. Es folgt die SPD – das ist die dramatischste Zahl – mit 18,4 %. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erreicht 6,4 %,und die FDP wurde von 5 % aller Wahlberechtigten gewählt.

Außerdem wissen wir aus allen Umfragen, dass sich ein erheblicher Teil derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, aber teilweise auch derjenigen, die nicht gewählt haben, bei dieser Wahl nicht von landespolitischen, sondern von bundespolitischen Erwägungen hat leiten lassen.

Ich erwähne diese Zahlen nicht,um die absolute Mehrheit Ihrer Mandate infrage zu stellen oder zu relativieren, sondern ich erwähne sie, um eine Feststellung zu treffen. Diese Wahl ist vom Ergebnis einer einzigen Partei, nämlich dem Ergebnis der Sozialdemokratischen Partei, entschieden worden. Die hessische Union hat die Wahl nicht gewonnen, sondern die hessische SPD hat sie verloren. Vielleicht sollten die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der CDU dieses im Hinterkopf behalten, vor allem dann, wenn sie wieder einmal vor Kraft nicht laufen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Herr Ministerpräsident,wir GRÜNE haben in den letzten Monaten festgestellt

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Reif, Sie mit Ihren Zwischenrufen sind genau derjenige, den ich mit „vor Kraft nicht laufen können“ gemeint habe –, dass die absolute Mehrheit der Mandate eher einen lähmenden als einen beflügelnden Charakter zu haben scheint. Selbst eine vergleichsweise einfache Aufgabe wie die Bekanntgabe der Zuständigkeit der einzelnen Ministerinnen und Minister war zwischen der Konstituierung des Landtags und der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten anscheinend nicht möglich – übrigens im Gegensatz zur letzten Wahlperiode.

Ein Beispiel, an dem vieles deutlich wurde, war das Gezerre um die Atomaufsicht. Ein designierter Minister, in diesem Fall Herr Grüttner, erklärt in der Öffentlichkeit, dass es zu einer Übertragung von Zuständigkeiten zwischen Ministerien komme. Ein amtierender Minister, in diesem Fall Herr Dietzel, sieht das ganz anders.Am Ende kommt eine geteilte Energieabteilung heraus. Das ist wirklich der größte Murks.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Herr Koch, ich erwähne diese Episode an der Stelle, weil ich noch gut im Ohr habe, dass Sie uns vor drei Wochen und auch heute wieder von diesem Pult aus klare und mutige Entscheidungen angekündigt haben.

(Zurufe von der CDU)

Vielleicht lohnt es sich, an das Zustandekommen genau dieser Landesregierung, deren Arbeitsprogramm für die nächsten fünf Jahre wir heute diskutieren, die von Ihnen genannte Messlatte klarer und mutiger Entscheidungen anzulegen, anders ausgedrückt, zu prüfen, ob Sie der Verantwortung für heute und den Visionen für morgen, die das Handeln dieser Regierung in den nächsten fünf Jahren angeblich bestimmen sollen, gerecht geworden sind.

(Clemens Reif (CDU): Wieso hört Ihnen von der SPD niemand zu? Die sind alle hinausgegangen!)

Sie hatten nach dem Wahlsieg etliche personelle Probleme, Herr Ministerpräsident, die Sie allesamt weder klar noch mutig,noch verantwortungsvoll,sondern immer nach einem einzigen Motto entschieden haben. Dieses Motto hieß: bloß keinen Ärger. Da gab es einen parlamentarischen Geschäftsführer, der den Lohn für drei Jahre Blockade im Schwarzgelduntersuchungsausschuss einforderte.

(Zurufe von der CDU)

Da gab es den Vorsitzenden der Frankfurter CDU, der jetzt Abgeordneter ist und sich ebenfalls zu Höherem berufen fühlt. Da gab es bisherige Fachminister, die gleichzeitig Abgeordnete sind. Damit hatten alle diese Leute vor der geheimen Wahl des Ministerpräsidenten eines gemeinsam: Jeder konnte die entscheidende fehlende Stimme sein. Wenn nur einer Ihrer 56 Abgeordneten vor dem 5. April so verärgert worden wäre, dass er vielleicht auf dumme Gedanken gekommen wäre, dann wäre es mit all den schönen Karriereplänen Essig gewesen. Diese Tatsache ist der einzige Grund, mit dem bestimmte Entscheidungen der letzten zwei Monate in diesem Hause zu erklären sind.