Ich denke, dass auch die heutige Aktuelle Stunde eines der Fettnäpfchen ist, das Sie nicht auslassen wollten, denn die Debatte gibt Gelegenheit, auch das Vorfeld dieser Diskussion ein Stück weit zu beleuchten.Wie war das am Anfang, als die Bundesregierung gesagt hat, sie wolle die Steuerreform auf das Jahr 2004 vorziehen? Da hieß es aus Hessen: nicht mit uns. Das Vorziehen der Steuerreform ist nicht finanzierbar. – Dann wurde die harte Position aufgebaut: keine Schulden für das Vorziehen der Steuerreform.
Problematisch war es, dass dann relativ kurze Zeit später Frau Merkel und auch Herr Stoiber sich den „Steuer runter“-Orden der „Bild“-Zeitung verdienen wollten und schon wenige Tage nachher gesagt haben: Eigentlich ist das Vorziehen der Steuerreform keine schlechte Idee.
Dann wurde gesagt: Wir wollen das aber seriös finanzieren. – Dazu sagt die Hessische Landesregierung:Auch wir wollen das seriös finanzieren; seriös bedeutet für uns: keine Schulden für das Vorziehen der Steuerreform.
Ein größeres Kuddelmuddel als das in der CDU beim Thema Vorziehen der Steuerreform ist kaum vorstellbar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat sich sogar noch in der Debatte im Vermittlungsausschuss fortgesetzt. Dort hat Ministerpräsident Koch vor der Kamera mit ernster Miene gesagt: Ich glaube, ein Kompromiss wird ganz schwierig, denn „das Fenster schließt sich langsam“. – Herr Ministerpräsident, tatsächlich haben Sie mit Ihrem gesamten Körpergewicht gegen dieses Fenster gedrückt und versucht, es zu schließen. Denn eigentlich hatten Sie vor diesem Kompromiss Angst. Sie wollten ihn nicht. Sie wollten keine Entscheidung im Vermittlungsausschuss,
denn Sie haben das Ihrer Parteivorsitzenden Merkel nicht gegönnt. Sie haben das der Bundesregierung nicht gegönnt. Sie wollten nicht, dass es diesem Land besser geht, sondern Sie wollten – und das haben Sie einmal offen gesagt –, dass es in diesem Land schlechter geht; denn „nur, wenn es dem Land schlechter geht, wird es der Union auf Dauer besser gehen“. Tatsächlich sind Sie aber gescheitert, weil wir im Vermittlungsausschuss zu einem Ergebnis gekommen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ergebnis hätte besser sein können für die Menschen in unserem Land, wenn die Hessen nicht diese Verhandlungsposition eingenommen hätten.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Das glauben Sie doch wohl selbst nicht!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Milde, ich weiß nicht, ob es die Übermüdung nach den langen Haushaltsberatungen hier im Hause sind, ob die Gerüche des Wiesbadener Weihnachtsmarktes – ich spreche nur von den Gerüchen, weiter gehe ich gar nicht –
oder die allgemeine vorweihnachtliche Stimmung, die die Sinne der CDU-Fraktion in diesem Hause heute Morgen ein wenig trüben.
Die Rolle von Herrn Ministerpräsidenten Koch bei den Verhandlungen in Berlin als „Erfolg“ zu bezeichnen, das ist – meine Damen und Herren von der CDU, Weihnachten hin oder her – nun wirklich ein schwerer Fall von Autosuggestion, den Sie hier heute Morgen liefern.
Herr Kollege Milde, Sie haben hier geradezu ein Zerrbild der Rolle des Ministerpräsidenten in Berlin dargestellt. Das war der „große Koch“, ohne den in Berlin fast nichts mehr gegangen wäre,der hessischen Interessen „knallhart vertreten“, der sich „teilweise durchgesetzt“ hat, der
„gute Kompromisse errungen“ hat, der „um die Sache gekämpft“ hat. – Herr Kollege Milde, die Wirklichkeit Ihres „großen Koch“ in Berlin sieht doch ein wenig anders aus.
Der angeblich große Koch hat dafür gesorgt, dass es für die Bürgerinnen und Bürger im Land nur eine kleine Steuerreform gibt. Das ist die Wirklichkeit des „großen Koch“.
Der angeblich große Koch hat dafür gesorgt, dass es nur ein kleines Ergebnis für Hessen gibt. Das ist in Wirklichkeit die Rolle,die der Herr Ministerpräsident in Berlin gespielt hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Michael Bodden- berg (CDU): Halten Sie diese Rede doch einmal beim nächsten Tagesordnungspunkt!)
Bleiben wir nur bei Hessen.Gestartet ist Koch mit Steuermehreinnahmen in Höhe von 390 Millionen c,die er nach Hessen holen wollte. Gelandet ist er bei 295 Millionen c. Das ist in Wirklichkeit das Ergebnis, das Herr Koch für unser Bundesland im Bundesrat verhandelt und erreicht hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Frank Gotthardt, Gottfried Milde (Griesheim) und Horst Klee (CDU))
Sie brauchen nur in die „Welt“ vom 17.12.zu schauen.Die haben eine Umfrage veröffentlicht, und danach sind 60 % der Bundesbürger unzufrieden damit, dass jetzt eine kleine Steuerreform herausgekommen ist und nicht die große Steuerreform, die die Bundesregierung gewollt hat.
Herr Kollege Boddenberg, Herr Generalsekretär, 54 % Ihrer eigenen Leute sind damit unzufrieden, dass es keine große Steuerreform gab. Und dass es keine gab, das liegt an Herrn Ministerpräsidenten Koch.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Volker Hoff (CDU): Von Rot-Grün sind 8 % unzufrieden damit!)
Es ist noch viel schlimmer. Der Herr Ministerpräsident Koch wollte noch nicht einmal die kleine Steuerreform. Ich zitiere aus der „Bild“-Zeitung – ich nehme nur Organe, die nicht verdächtig sind, den GRÜNEN ganz nahe zu stehen – vom 16.12:
In kleiner Runde beschwört der Bayrische Ministerpräsident Stoiber (CSU) seine CDU-Kollegen Roland Koch (Hessen), Christian Wulff (Nieder- sachsen) und Peter Müller (Saarland) „Wenn ihr euch verweigert, dann ist das zum Schaden aller Parteien.“
Sie brauchten wieder die Ermahnung des Bayrischen Ministerpräsidenten, um nur der kleinen Steuerreform zuzustimmen. Das ist die Wirklichkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD) – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))
Wir haben noch etwas vorgelegt, das ist doch gar keine Frage. Es geht hier um die Rolle des Ministerpräsidenten und darum, was er verhandelt hat.
Gänzlich zum Zerrbild wird der „große Koch“, wenn wir uns einmal anschauen, wer denn bei den Elefantenrunden überhaupt dabei war. Die entscheidenden Gespräche wurden in dem Neuner-Kreis geführt. Nun kann man darüber streiten, was dieser Neuner-Kreis ist. Er steht in keiner Verfassung. Das ist aber eine eigene Debatte. In diesem Neuner-Kreis aber war der angeblich so einflussreiche hessische Ministerpräsident überhaupt nicht dabei, noch nicht einmal auf der CDU-Seite.
Erzeugen Sie also hier doch nicht das Bild, der Hessische Ministerpräsident wäre eine große Nummer bei den Verhandlungen im Bundesrat gewesen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))
Letztendlich ist es doch so, wie wir in der „Bild“-Zeitung vom vorvergangenem Sonntag lesen konnten – wiederum eine Quelle, die Ihnen nahe steht –: Die Wirklichkeit der Rolle des Hessischen Ministerpräsidenten in der Bundespolitik ist doch die, dass die ganz klare Nummer eins in der CDU Frau Merkel ist, so die Umfrage der „Bild“-Zeitung. Wen wollen die Deutschen als Kanzlerkandidat der CDU – nur als Kandidaten, wohlgemerkt? Dann kommt Herr Stoiber, dann kommt auf Platz drei die Sympathiegranate der CDU,Herr Merz.Selbst der steht mittlerweile vor Herrn Koch. Dann kommt Herr Wulff, gerade einmal ein paar Monate im Amt, auch schon vor Herrn Koch. Und dann kommt der Hessische Ministerpräsident – 7 % der Bevölkerung wollen, dass Herr Koch Kanzlerkandidat der Union wird.
Meine Damen und Herren, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt in den Umfragen bei 10 %. Das ist gut für uns. Ihnen sollte es zu denken geben,
dass weniger Menschen den Hessischen Ministerpräsidenten als Kanzlerkandidaten wollen, als BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in diesem Land wählen. – Vielen Dank.