Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schade, dass der Vorschlag unserer parlamentarischen Geschäftsführerin nicht umgesetzt wurde und wir nicht eine etwas längere Debatte zum Ergebnis des Vermittlungsausschusses organisieren konnten. Die Beiträge meiner drei Vorredner machen deutlich,dass man das,was sich in der Nacht von Sonntag auf Montag und noch einmal in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in Berlin abgespielt hat, schlecht in fünf Minuten unterbringen kann.
Der Titel dieser Aktuellen Stunde ist offensichtlich gewählt worden, bevor man wusste, das man sich um 1 Milliarde c verrechnet hat.
Wenn man da schreibt „Kompromisse in Berlin – Hessens hartes Verhandeln hat sich gelohnt“, so kann ich mir vorstellen – und das aus der Sicht der Union in diesem Hause auch zu Recht –, dass man stolz darauf war, dass die Verschuldensgrenze bei 25 % gehalten wurde. Aber wie gesagt: Das war nur bis Montag, irgendwann. Denn irgendwann wurde festgestellt, dass die Menschen, die um Hans Eichel dieses Land im Finanzministerium mitregieren sollen,sich mal wieder verrechnet hatten, und zwar kräftig verrechnet hatten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber trotzdem sind wir Liberale etwas betrübt über die Zwischentöne dieser Debatte.
Warum sagen wir nicht einfach: „Oh, alle unsere Parteivorsitzenden haben daran teilgenommen“? Fischer ist ja der Parteivorsitzende der GRÜNEN.
Ja, komm, ihr macht da ein Spiel mit zwei anderen, aber eigentlich habt ihr nur einen Einzigen, und das ist der Fischer.
Schröder, Merkel, Westerwelle, Stoiber – die Spitzen des politischen Establishments in diesem Lande. Warum sind wir nicht einmal in der Lage, den Menschen zu vermitteln: „Wir wollten es alle gemeinsam, wir haben verstanden“?
Es muss politisch eine Einigung geben, damit dieses Land aus dem Reformstau herausgeführt wird. Warum eigentlich – das frage ich als Liberaler – kann das niemand von diesem Pult aus sagen?
Warum muss bekrittelt werden? Der eine verströmt ein bisschen Weihrauch für Roland Koch, der Nächste spricht den Weihrauch wieder ab, der Dritte erzählt irgendetwas über die Abfrageergebnisse der GRÜNEN. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist alles Beweihräucherung für uns selber. Die Menschen draußen haben es satt, dass wir uns so miteinander beschäftigen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Die können es nicht mehr ab, wenn wir uns von einem Kompromiss, bei dem alle fünf Vorsitzenden der wichtigsten Parteien in Deutschland vertreten waren, nachher klammheimlich verabschieden. Herr Walter, was soll das, jetzt so zu tun, als wäre das für den hessischen Bürger schlecht oder besser? Jeder von uns könnte erzählen, was uns einer erzählt hat, was in den geheimsten Sitzungen gesagt worden ist. Manche von denen, die hier sind, waren sogar dabei, aber nicht überall dabei.
(Jürgen Walter (SPD): Herr Kollege, das komplett zu erzählen,wäre aber besser gewesen! Das ist doch auch Ihre Position!)
Jeder hat mit irgendjemandem in den letzten 24 Stunden telefoniert, der sogar im engsten Zirkel war. Was hilft denn das weiter, wenn ich jetzt erkläre, das und das hat mir mein Bundesvorsitzender erzählt? – Nein, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir müssen endlich einmal den Mut haben zu sagen: Das politische Establishment im Lande hat verstanden. Wir müssen den Reformstau auflösen.
Das geht in Trippelschritten, offensichtlich nach dem System des kleinsten gemeinsamen Nenners. Das geht aber nicht so, dass 48 Stunden später auf einmal alle in Deckung laufen und wieder jeder versucht, sich irgendwo als Heckenschütze aufzustellen und zu sagen, woran der eigene Chef teilgenommen hat. So absurd ist Politik in Deutschland geworden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, verlassen wir doch endlich diesen Pfad der blöden Rituale, und gehen wir daran, dieses Land wieder nach vorne aufzubauen.
Man kann sich jetzt herausreden und sagen: Jawohl, wir als Liberale finden es besonders gut, dass in diesem Kompromiss etwas zum Thema Kündigungsschutz und Tarifrecht gesagt worden ist.– Es ist doch beachtlich,dass beim Tarifrecht zwar am Sonntagabend noch in den Diskussionen gemauert wurde, heute in der „FAZ“ ein großes Interview mit Herrn Peters aber steht: „Wir haben verstanden.“ Das geht doch jetzt weiter, liebe Leute.
Wir müssen endlich aufhören, uns gegenseitig in irgendeiner Art und Weise anmachen zu wollen, sondern wir müssen sagen: Jawohl, jetzt geht es gemeinsam los. – Dieses Land leidet, wenn auch vergleichsweise auf hohem Niveau. Der mongolische Botschafter hat mir am Montagabend beim Essen gesagt: „Ich möchte gerne einmal eure Sorgen haben.“
Wir haben aber diese Sorgen in unserem Land und könnten es besser organisieren. Deshalb: das Mäkeln weglassen. Als Liberaler könnte ich sagen: Ich bin froh darüber, dass sich die Landesregierung nicht in der einen Position durchgesetzt hat, nämlich bezüglich der Gemeindefinanzen, wo man eine Ausweitung auf die Selbstständigen haben wollte. Karlheinz Weimar hat das hier über Jahre hinweg gefordert, auch in der Koalition.
Das ist ein kleines Zeichen an die Freiberufler, das zu tun, was sie wollen, nämlich Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiter zu schaffen.
Wir wissen doch alle ganz genau, dass wir mit dieser Steuerreform noch keine wirkliche Steuerreform, sondern nur einen ersten Schritt in Richtung einer Steuerreform gemacht haben. Aber Gott sei Dank haben wir den ersten Schritt gemacht.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich deshalb für die FDP-Fraktion abschließend sagen: Wir stehen ein bisschen machtlos vis à vis vor dieser Debatte. Sonntag Abend, alle waren da gewesen, alle haben sich positioniert: Die einen in der ersten Reihe, die anderen in der zweiten Reihe, Joseph Martin Fischer mit zerknittertem Gesicht hinter Schröder, mein Vorsitzender neben Frau Merkel. Das sind die Unterschiede – jetzt sei ein Scherz erlaubt –, wie man sich präsentiert.Alle haben zugestimmt. Am Montag haben sich noch alle darüber geäußert. Okay, es ist mit der 1 Milliarde c, die gefehlt hat – das will ich nicht kritisieren –, ein heftiger Patzer passiert. Als Politiker haben wir aber deutlich gemacht, und das muss auch morgen im Bundestag und im Bundesrat exportiert werden,
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, dass die Opposition gelegentlich ein bisschen Schwierigkeiten hat, einen, der am Ende einen Kompromiss mit unterschrieben hat und vorher immer der Blockierer war, in die richtige Kategorie des Kampfes einzuordnen. Deshalb glaube ich, dass das, was Kollege Hahn vorgeschlagen hat, vielleicht gar nicht unvernünftig ist: einmal zu fragen, unter welchen Gesichtspunkten man jeweils Ergebnisse betrachtet.
Ich hatte dort die Interessen des Landes Hessen zu vertreten. Zu den Interessen des Landes Hessen gehört – darüber reden Sie mit großer Aufregung und Tremolo, den Sie gestern schon in der Stimme hatten – unter anderem die Frage, wie unsere finanziellen Interessen in Zukunft sind. Ich stelle fest, dass wir, als wir diese Verhandlungen begonnen haben – das sehen Sie aus den Veröffentlichungen, die wir damals gemacht haben –, davon ausgegangen sind: Wenn die Bundesregierung ihre Pläne zur Steuersenkung so, wie sie sie vorgelegt hat, umsetzen würde, würde das den hessischen Landeshaushalt um mindestens 440 Millionen c belasten.
Wir haben gewusst, dass an irgendeiner Stelle – welche und wie auch immer – eine zusätzliche Belastung für eine Hilfe, Soforthilfe oder strukturelle Hilfe für die Kommunen auf uns zukommt. Das werden am Ende der Verhandlungen immer noch – ich nenne nur die Zahl, die herausgekommen ist – 120 Millionen c sein. Es hätte mehr werden können.
Wir haben zum Dritten gesehen, dass die Bundesregierung zu Hartz IV vorgeschlagen hatte, etwa 7 % der Umsatzsteueranteile der Länder auf den Bund umzuverteilen, die wir in der Größenordnung von 650 Millionen c für Hessen zu bezahlen gehabt hätten.Die hätten wir über
eine Änderung des Kommunalen Finanzausgleichs den Kommunen wieder wegnehmen müssen, wohl wissend, dass es sehr schwierig gewesen wäre, das im Gegensatz zu den Sozialhilfekosten gerecht zu verteilen.
Das ist ganz schlicht die Ausgangsposition gewesen, mit der der Vermittlungsausschuss vor einigen Tagen begonnen hat, seine Beratung aufzunehmen. Jetzt stelle ich als Ergebnis fest, dass es hinsichtlich der 7 % Umsatzsteuerpunkte bei Hartz gar nichts mehr gibt.Wir haben in einer ganz letzten Runde nach der großen Runde noch die letzten 0,3 % herausfinanziert. Wir müssen deshalb unsere Kommunen über eine Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs überhaupt nicht belasten.
Ich stelle zum Zweiten fest, dass nach allen Reformmaßnahmen, bei allem, was wir beschlossen haben, wir im Soll und im Haben bei der hier vorgelegten Gesamtbelastung von etwa 350 Millionen c sind.Wir wären bei der Durchsetzung der Steuerreform nach Ihren Plänen sonst bei 440 Millionen c – nur an dieser Baustelle! – gewesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer gestern über die Frage Krokodilstränen vergoss, dass wir die Notlagenklausel der Verfassung für die Haushaltsfinanzierung genauso in Anspruch nehmen müssen wie die Bundesregierung, dem will ich klar sagen:Wenn wir nicht so verhandelt hätten, wie wir verhandelt haben, wenn wir nicht dafür gesorgt hätten, dass der gesamte Vermögensanteil des Bundes auch zugunsten der Länder als eine Überweisung in diese Maßnahmen hineingerechnet wird, dann hätten Sie sich heute über eine Belastung von 400 Millionen oder 500 Millionen c aufregen müssen. Dann hätte ich Sie sehen wollen. Das wäre allein durch Ihr Verschulden – von Rot-Grün auf Bundesebene – gekommen. Das haben wir geändert und reduziert. Und das ist in Ordnung.
Wenn Sie mich zum Thema Steuerreform fragen, bleibe ich weiter dabei, dass kein Staat das Recht hat, mehr auszugeben, als er eigentlich strukturell bezahlen kann. Mir hilft es nicht – das werden wir nachher an anderer Stelle sehen –, wenn es nur um Vermögensveräußerungen geht. Vermögen zu veräußern, um strukturelle Kosten zu bezahlen, ist eigentlich eine problematische Geschichte. Warum hat sich Hans Eichel – wie in der Zeitung steht – nachts, nachdem der Kompromiss geschlossen war, zu Wort gemeldet und gesagt, er wolle nur darauf hinweisen, dass er mit diesem Kompromiss die Maastricht-Kriterien im Jahre 2005 nicht erfüllen kann?