Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst einmal möchte ich mich bei Frau Kühne-Hörmann nicht für das Lob bedanken,sondern dafür,dass mir jetzt die Intention Ihres Antrags klar geworden ist. Ich hatte eine Ahnung, was Sie wollten, aber jetzt ist sie mir klar geworden.

(Frank Gotthardt (CDU): Das ist auch eine Form der Begabtenförderung: dass Sie es verstehen!)

Ihr Antrag hat die Intention, von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken und einen imaginären Dritten als Feind zu orten, den Sie jetzt in diversen Diskrepanzen – die Sie glauben,hier herausarbeiten zu müssen – zwischen dem Weimarer Beschluss auf der einen Seite und Äußerungen von Sozialdemokraten auf der anderen Seite verorten wollen.

Ich werde Ihnen nachweisen, dass es dort keine Diskrepanzen gibt. Wir haben 15 Minuten Zeit, und ich werde

auf die Fehler und die Mängel, auf die Versäumnisse der Landesregierung in diesem Bereich hinzuweisen versuchen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Wir sprechen jetzt relativ viel über den Elitebegriff. Deshalb – und weil wir ein bisschen Zeit haben – können wir darüber einige Ausführungen machen.

Wenn man in den „Brockhaus“ schaut, dann findet man dort drei unterschiedliche Elitebegriffe.

Man findet dort die Geldelite. Ich glaube, die ist weder von der CDU noch von der SPD gemeint. Ich glaube, darüber können wir Einigkeit herstellen.

Dann ist die Geburtselite aufgeführt.Auch darüber haben wir schon im Zusammenhang mit Wissenschaft und Kunst in diesem Parlament diskutiert. Aber die ist wohl offensichtlich auch nicht gemeint. Das heißt, es kann nur um eine Leistungselite gehen.

(Zurufe von der CDU)

Diese Leistungselite mit Bedingungen herzustellen, wie Sie sie ausgeführt haben, kann doch nicht ernsthafterweise unsere Sache sein, sondern es geht um die Punkte – das finde ich schon eine gewisse Unverschämtheit, wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag geschrieben haben – in den Weimarer Leitlinien,die von Ihnen als Plattitüden bezeichnet werden. Ich habe im Übrigen den Eindruck, der Entschließungsantrag ist vom Kollegen Jung geschrieben worden, weil das von seiner Diktion her eher an die Zeit erinnert, als er noch parlamentarischer Geschäftsführer war.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass Teile davon in der zufälligen Zusammenführung von ein paar Sachen aus Ihrer Feder gekommen sind. – Gucken wir uns das an, was hart in den Weimarer Leitlinien des Parteivorstandes der SPD steht. Da wird erstens gefordert, dass 40 % eines Geburtsjahrgangs – schade, dass Frau Kollegin Wagner im Moment nicht hier ist – Zugang zu den Hochschulen erhalten sollen.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, das ist als Forderung beklatschenswert. Es wäre übrigens ganz schön, wenn sich die CDU einer solchen Forderung anschließen könnte.

Wir haben eine Situation, dass von 1998 bis heute der Anteil eines Geburtsjahrganges von 28 % auf 35 % gestiegen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, woran liegt das? – Das liegt im Wesentlichen daran, dass die finanzielle Basis und Voraussetzung für Studierende in diesem Land durch eine BAföG-Reform der Bundesregierung und durch erhebliche Finanzmittel erst hergestellt worden ist. Das heißt, wir sind durchaus durch Bundespolitik auf dem Weg, zu 40 % eines Geburtsjahrganges zu kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dies in Ihrem Entschließungsantrag als eine Plattitüde zu bezeichnen, halte ich für ziemlich daneben und unqualifiziert.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt. Es wird in den Weimarer Leitlinien davon gesprochen, dass qualifizierte Zuwanderung und der Abbau bürokratischer Hürden ermöglicht werden sollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil hier immer so viel von Darmstadt und hoffentlich demnächst der

Modelluniversität Darmstadt gesprochen wird:Ich denke, dass diese Forderung eine sehr wichtige ist, gerade für ein weltoffenes Land Hessen.Aber an der Universität Darmstadt ist jetzt realisiert worden, dass die Ausländerbehörde eine Dependance an der Uni einrichten wird, in der demnächst für ausländische Studierende und für wissenschaftliches Personal Bürokratie abgebaut wird, um einen einfacheren Zugang zu ermöglichen.

Das sind die konkreten Schritte. Wenn die SPD zu einer grundsätzlichen Forderung erhebt, dass unsere Wissenschaft international organisiert werden muss und wir Hürden und Bürokratie abbauen wollen, Sie das aber als Plattitüde bezeichnen, dann kennzeichnen Sie Ihre Position als nicht sehr inhaltstief und meiner Ansicht nach als nicht auseinandersetzungsfähig.

(Beifall bei der SPD)

Dritter Punkt. In den Weimarer Leitlinien wird ein klares Bekenntnis zur Spitzenforschung und zu einem weltweiten Wettbewerb ausgesprochen. Wenn dieses Bekenntnis der SPD ausgesprochen wird, dann verstehe ich nicht, wie Sie in Ihrem Entschließungsantrag mit einer solchen Einlassung – wieder mit der Belegung als Plattitüde – umgehen. Das ist keine ernsthafte Auseinandersetzung mit einer Wissenschaftsdiskussion, die momentan auf Bundesebene geführt wird.

(Nicola Beer (FDP): Das ist doch keine Wissenschaftsdiskussion!)

Das ist eine wissenschaftspolitische Diskussion.

(Nicola Beer (FDP): Eine Gespensterdebatte!)

Wenn ich jetzt auf die Fragen eingehe, die wir in Hessen zu besorgen haben, dann sehe ich vier Bereiche, in denen wir einen Handlungsbedarf haben. Der erste Bereich ist für uns zentral und entscheidend, dass wir eine öffentliche Breitenförderung in den Hochschulen brauchen, um Spitze erzeugen zu können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir dies erreichen wollen, dann müssen wir eine bessere finanzielle Verlässlichkeit gegenüber hessischen Hochschulen herstellen, als sie in der Vergangenheit von dieser CDU verbockt worden ist.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Wir haben die Realität, dass der Hochschulpakt gebrochen worden ist. Ich erneuere meine Forderung an diese Landesregierung, dass noch in diesem Jahr auf der Basis der Ergebnisse der Arbeit einer Evaluationskommission ein Hochschulpakt II neu verhandelt wird, um diese Verlässlichkeit zwischen Regierung und den Hochschulen wieder herzustellen.

Zweiter Punkt. Frau Kühne-Hörmann, wir können gerne über die Modelluniversität Darmstadt oder darüber reden, dass die Universität Darmstadt relativ gute Voraussetzungen hätte, in dem von Frau Bulmahn angestoßenen Wettbewerb durchaus Berücksichtigung zu finden. Insofern teile ich in Ihrem Antrag den vorvorletzten Spiegelstrich. Das ist auch unumstritten.Aber warum machen Sie nicht Druck und beschleunigen die Vorlage des Gesetzentwurfes?

Er ist schon x-mal angekündigt, aber er liegt immer noch nicht dem Parlament vor.Ich muss schlicht und ergreifend sagen: Wenn zum dritten Mal ein Gesetzentwurf angekündigt ist und er immer noch nicht das Parlament erreicht hat, dann liegt die Vermutung nahe, dass in einem Bermudadreieck zwischen Staatskanzlei, Wissenschafts

ministerium und Finanzministerium dieser Gesetzentwurf offenbar nicht vorankommt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Entschuldigung, Sie lächeln. Sie trauen sich noch nicht einmal mehr zu sagen, wann er das Plenum erreicht, weil Sie es nicht können, weil die Probleme in dem Chaos des Bermudadreieckes viel zu groß sind. Legen Sie den Gesetzentwurf vor. Ich glaube, über die Grundzüge sind wir uns einig. Dann können wir darüber beraten. Zurzeit liegt er noch nicht vor.

Dritter Punkt. Ich glaube, die Forderung ist richtig, dass wir ein verbessertes Konzept der Landesregierung zum Technologietransfer vorgelegt wissen möchten. Unserer Ansicht nach ist das Generieren von Wissen an unseren Hochschulen in noch nicht ausreichendem Umfang so dargestellt, dass daraus tatsächlich Produkte und letztendlich Geld generiert werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,ich glaube,dass es durchaus ein Recht der Hochschulen ist – übrigens auch ein Recht derer, die Hochschulen finanziell ausstatten –, wenn aus öffentlich generiertem Wissen Produkte generiert werden können, dass auch Rückflüsse organisiert werden.

Ich glaube, dass hier eine ganze Menge zu besorgen ist. Wenn wir nur vergleichsweise an die Effizienzchargen herankommen wollen, wie sie in der privaten Forschung generiert werden, dann wären wir ein Stück weiter und hätten nicht die Finanzprobleme, die momentan vor unserer Tür liegen.

(Beifall des Abg. Bernhard Bender (SPD))

Deshalb zum letzten Punkt in Bezug auf die Forderungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren,ich muss sagen, ich finde das,was jetzt im Programm der Bundesregierung mit einem Wettbewerb aufgelegt worden ist, eine richtige Implikation. Man kann sich darüber streiten, ob man es in der Präsentation so oder so macht. Aber es ist von Frau Bulmahn auch gesagt worden – das unterstreiche ich nachhaltig;wir in Hessen wollen den Bolognaprozess,d.h. das schnellere Einführen von Studiengängen über Bachelor und Master realisieren –, dass dann dieser Prozess mit den entsprechenden finanziellen und qualitativen Bedingungen ausgestattet wird. Ergo: Bundesmittel für Akkreditierung und für die Qualitätssicherung innerhalb der Akkreditierung – das wäre nach meinem Verständnis der richtige Weg, um hier auch auf der Basis der Breite eine Verbesserung im Einvernehmen damit hinzubekommen, dass wir den Bolognaprozess beschleunigt voranbringen können.Ich glaube,dass dies ein Punkt ist,der im Rahmen eines Hochschulpaktes, der durchaus auch von der Bundesregierung aufgelegt werden kann und aufgelegt wird, Berücksichtigung finden kann.

(Beifall bei der SPD)

Eine letzte Bemerkung. Es ist kritisiert worden, dass die Bundesregierung die Mittel im Bereich der Forschungsförderung zurückführe. Ich sage unumwunden: Ich teile diese Kritik. Ich streite in meiner Partei dafür, dass wir diese Forschungsförderung weiter in dem Umfang auf Bundesebene erhalten können. Natürlich tue ich das.

Aber dies mit einer Kritik daran zu verbinden, der Bund wolle sich in Kompetenzen der Länder einmischen, halte ich für völlig daneben. Wir haben – das müssen wir fachlich solide diskutieren – im Bereich der Forschungsförde

rung und der Hochschulbauförderung von der Finanzierung und der Einflussnahme her immer unterschiedliche Tatbestände gehabt. Das sagt im Übrigen auch die Stellungnahme des Wissenschaftsrates. Es waren durchaus immer Modelle, die im Grundsatz eine ausgewogene Forschungsförderung ermöglicht haben. Es war dabei immer klar, dass in diesem Bereich die Kompetenzen letztendlich bei den Ländern liegen.Wenn wir aber eine Situation haben, dass der Bund eine Notwendigkeit von zusätzlicher Unterstützung – in dem Fall von Spitzenforschung – betreiben will,dann ist es wert,über diese Vorschläge qualifiziert zu reden.

Was Ihren Antrag angeht, bin ich deshalb mit der Formulierung des viertletzten Spiegelstrichs durchaus einverstanden. Darüber sollten wir meiner Ansicht nach konstruktiv reden. Das wird allerdings nicht möglich sein, da Sie einen Entschließungsantrag gestellt haben, der heute abschließend beraten wird. Er enthält mehr oder minder ein Konglomerat von Forderungen und Ablehnungen hinsichtlich der Bundes- und der Landesebene. Er trägt sozusagen die alte Handschrift von Franz Josef Jung. Wir werden diesen Entschließungsantrag ablehnen, nicht weil er von Franz Josef Jung geschrieben worden ist, sondern weil er ein Konglomerat ist, das kein konstruktiver Beitrag zur Wissenschaftspolitik in Hessen ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank,Herr Siebel.– Frau Beer,Sie haben das Wort für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht,wie es Ihnen geht.Ich habe in den letzten Tagen und Wochen den Blätterwald und die Diskussion im Fernsehen verfolgt. Ich muss ganz ehrlich sagen: Entgegen Ihren Ausführungen, Herr Kollege Siebel, dies sei eine Wissenschaftsdebatte,halte ich dies für eine gespenstige Debatte.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Rot-Grün auf dem sinkenden Ast in Berlin: absolutes Umfragetief – ich weiß nicht, ob es 24 % oder schon 14 % waren, Herr Kollege Kahl;