Rot-Grün auf dem sinkenden Ast in Berlin: absolutes Umfragetief – ich weiß nicht, ob es 24 % oder schon 14 % waren, Herr Kollege Kahl;
das „Projekt 18“ ist bei Ihnen tatsächlich bald realisiert. Aus den großen Reformankündigungen des Bundeskanzlers werden zum Ende des letzten Jahres Minireförmchen, von denen wir alle wissen, dass sie nicht ausreichend sind. Jetzt hat der Bundeskanzler ein neues Schlagwort gefunden: Innovation, Eliteuniversität. Das Letzte von gestern: „brain up“. – Wenn es richtig modern ist, dann wird es Englisch.
Herr Kollege Siebel, ich finde es schon mutig und auf jeden Fall bemerkenswert, dass die SPD das Wort „Elite“ nunmehr in den Mund nimmt. Damit hat die Kollegin Kühne-Hörmann völlig Recht. In den Weimarer Leitlinien steht es nicht. Dort beschränkt man sich auf „Spitzenleistungen“. Mutig, aber eher im Sinne von gewagt, finde ich es von Frau Bulmahn, mit einem derart unaus
Wenigstens hat sie mittlerweile gelernt, dass es mit einer Eliteuniversität nicht zu machen ist. Jetzt sind es fünf. Dafür soll es 250 Millionen c geben, die in den Zukunftsbereich investiert werden sollen. Meine Damen und Herren, das ist nicht mehr als ein Placebo, aber ein sehr gefährliches. Lieber Herr Kollege Siebel, fünf Eliteuniversitäten sind nicht der heilige Gral der Hochschulpolitik, sondern wohl nur fünf Unis unter der Fuchtel von Berlin.
Mit einer Zentralisierung der Hochschulpolitik, die in Wahrheit hinter der wohlfeilen Idee der Eliteuniversität von Frau Bulmahn steht, ist das Problem nicht zu lösen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, erfolgreiche Bildungssysteme wie das der USA oder der Schweiz sind nicht stärker zentralisiert als das deutsche – im Gegenteil.
Sie nutzen aber das kreative Potenzial konkurrierender Ideen, um den bildungspolitischen Output zu optimieren. In Berlin ist man nicht schlauer als in Wiesbaden oder München. Einheitsbrei auf niedrigem Niveau ist allemal schlechter als Wettbewerbsföderalismus.
Statt Zentralismuswahn à la Bulmahn brauchen wir die verstärkte Förderung von Spitzenleistungen an verschiedenen Fachrichtungen an unterschiedlichen Hochschulen: Centers of Excellence,Verstärkung der Graduate Schools.
Lieber Kollege Siebel, Hessens Hochschulen haben eine ganze Menge zu bieten. Statt sich in Länderkompetenzen einzumischen, kann der Bund seinen Beitrag zur Qualitätssteigerung in Forschung und Lehre leisten, indem er die Mittel für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen deutlich erhöht und nicht kürzt, wie das in der Vergangenheit geschehen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Sache muss auch klar sein: Es bestehen erhebliche Zweifel, wo die 250 Millionen c plötzlich herkommen sollen. Mit Herrn Eichel ist das offensichtlich nicht abgestimmt.
Denn laut „dpa“-Meldungen hat Frau Bulmahn geäußert, wenn sie einen solchen konkreten Vorschlag mache, könne sie nicht jedes Detail – 250 Millionen c – vorher aushandeln. Das sei der sicherste Weg seiner Beerdigung. – Von daher muss ich ganz ehrlich sagen, dass die Kosten in Höhe von 250 Millionen c nicht sonderlich solide abgesichert sind.
Herr Kollege Siebel, auch das Stichwort Erbschaftsteuer, das Sie in Ihren Weimarer Leitlinien erwähnen, kann nur bedeuten: Universität finanziert, Aufschwung abgewürgt, Deutschland bleibt Wachstumsschlusslicht in der EU. – Das kann es auch nicht sein.
Wenn man sich die Realitäten anguckt, dann ist es doch wesentlich wahrscheinlicher, dass dieses Geld aus den
Kürzungen kommt, die im Bulmahn-Ressort jetzt erst erfolgt sind: Kürzungen in Höhe von 239 Millionen c bei Bildung und Forschung. Hinzu kommen noch einmal 175 Millionen c Kürzungen bei dem Hochschulbau. – Frau Kollegin Kühne-Hörmann hat schon darauf hingewiesen, dass dies bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu ausgesprochen schwierigen Situationen geführt hat. Sie wollten sogar die Hand an die DFG legen. Entgegen ihren Weimarer Leitlinien, die Sie in die Luft halten, sind diese Kürzungen im Zukunftsbereich erfolgt – die Kollegin Kühne-Hörmann hat darauf hingewiesen –: Genomforschung, Nanowissenschaften, Produktionssysteme, Biotechnologie. – Das alles ist sehr widersprüchlich, sodass ich mir die Frage stelle, ebenso wie der geneigte Leser der Blätterlandschaften in den letzten Wochen: Für wie vergesslich hält die SPD uns eigentlich?
Sie werden vielmehr – alle Kürzungen zusammengerechnet – das, was Sie jetzt eingesammelt haben, 2006 – drei Ausrufezeichen; da war doch noch irgendetwas: Bundestagswahl – auf fünf Universitäten umverteilen. Herr Kollege Siebel, so naiv können Sie doch gar nicht sein, dass Sie glauben, dass derartige aus dem Boden gestampfte Edelgard-Harvard-Bulmahn-Universitäten mit solch einer Finanzausstattung auskommen. Harvard hat einen 2,5-Milliarden-Dollar-Etat, Yale einen 2-Milliarden-Dollar-Etat für round about jeweils 10.000 Studierende. Nur im Vergleich: Die hessischen Hochschulen müssen mit 1,1 Milliarden c auskommen – 12 Hochschulen mit insgesamt 160.000 Studierenden.
Meine Damen und Herren, dazu gehört auch, dass ordentlich ausgestattete Hochschulen endlich wieder den Wettbewerb um die besten Professoren und Nachwuchswissenschaftler aufnehmen können.Wir haben momentan – dagegen tut die Bundesregierung überhaupt nichts – eine regelrechte Flucht von Nachwuchswissenschaftlern ins Ausland. Das ist schleichender Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Daher müssen die Forschungsbedingungen verbessert werden, gerade in Zukunftsbereichen der Nano-, der Bio- und der Gentechnologie. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass die Vernetzung zwischen den außeruniversitären Forschungsinstituten und den Hochschulen weiterhin bestehen bleibt. Der Rosinenpickerei von Frau Bulmahn bei der Forschungsförderung, indem sie sich die großen Institutionen heraussucht und die Leibniz-Institute an die Länder abschiebt, ist auf jeden Fall eine Absage zu erteilen,
denn hier drohen Zentralismus und Einmischung aus Berlin. Meine Damen und Herren, wir, die FDP, sowohl hier im Land als auch im Bund, fordern statt des bulmahnschen Zentralisierungswahns einen echten Wettbewerb zwischen den Universitäten in den Ländern.
Wichtig sind Maßnahmen, die das wissenschaftliche Niveau an den Hochschulen anheben und wissenschaftlich herausragende Leistungen der Professoren und Studierenden fördern, um die deutschen Universitäten international wettbewerbsfähiger zu machen. Wir wollen einen echten Wettbewerb zwischen Hochschulen, und zwar in größtmöglicher Eigenständigkeit. Dazu gehört für uns, dass die Hochschulen, gerade was die Regelungen im Bund, aber auch im Land betreffen, von bürokratischen Fesseln befreit werden. Herr Kollege Siebel, es wäre am
besten, das Hochschulrahmengesetz – das hat Frau Kollegin Kühne-Hörmann richtig angesprochen – abzuschaffen, mindestens aber sehr, sehr kritisch zu entschlacken. Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag wird hierzu in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringen.
Weiterhin ist die ZVS abzuschaffen, diese moderne Form der Studentenlandverschickung – wie ich es immer nenne –,und in eine reine Dienstleistungsagentur für die Länder umzuorganisieren. Die Studierenden sollen sich zukünftig ihre Hochschulen aussuchen können.
Die Hochschulen haben um die Studierenden zu werben, und auch die Hochschulen sollen in der Lage sein, sich ihre Studierenden auszusuchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns da aber bitte nichts vormachen. Das muss dann auch für die Zahl der Studierenden gelten. Das bedeutet, dass auch die Kapazitätsverordnung abzuschaffen ist. In unseren Augen ist es rein die Sache der Länder und der Hochschulen, miteinander die Zahl der Studierenden auszuhandeln, die an den jeweiligen Hochschulen ausgebildet werden sollen.
Liebe Mitglieder von der CDU, damit es hier nicht zu harmonisch wird, will ich noch Folgendes sagen:Auch in Hessen ist der Autonomieprozess dringend weiterzuführen. – Lieber Herr Minister Corts, es reicht nicht aus – Frau Kollegin Kühne-Hörmann hat das ausgeführt –, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, die ihre Vorgängerin erworben hat. Frau Kollegin Kühne-Hörmann hat zu Recht die Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes angesprochen. Sie hat zu Recht die Zielvereinbarungen, den Hochschulpakt und die leistungsorientierte Mittelzuweisung angesprochen. Mit diesen Projekten hat Ihre Vorgängerin in der Wissenschaftspolitik der Bundesrepublik Meilensteine gesetzt.
Es ist notwendig, weitere Schritte auf dem Weg zur Autonomie zu gehen. Die waren auch bereits angelegt. Die Stichworte dazu lauten: Bauherrneigenschaft und Personalhoheit für die Hochschulen. Frau Kühne-Hörmann, da hat Herr Kollege Siebel durchaus Recht:Auch wir warten ausgesprochen ungeduldig auf den seit über einem halben Jahr angekündigten Entwurf für die Modellhochschule Darmstadt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das verläuft parallel zu der in Berlin geführten Diskussion. Was nützt uns denn e i n e Modellhochschule? Ziel der ganzen Aktion muss es sein, dass wir alle zwölf hessischen Hochschulen für den internationalen Wettbewerb fit machen.
Liebe Kollegin Kühne-Hörmann, diese Aussage kann ich mir nicht verkneifen. Die CDU kann nicht ausschließlich mit dem Finger nach Berlin zeigen. Nein, Sie stellen jetzt die Mehrheitsfraktion dieses Hauses. Das heißt, Sie sind in der Pflicht, hier aktiv zu werden.
Lieber Herr Kollege Boddenberg, in den letzten Monaten wurde da leider nicht vorwärts, sondern nur rückwärts gegangen.
Das bedeutet zuvörderst, dass die Hochschulen finanziell ausreichend ausgestattet werden müssen. Lieber Herr Kollege Boddenberg, die Hessische Landesregierung und die CDU-Fraktion dieses Hauses haben die Mittel für die Hochschulen und die Forschungsförderung um 100 Millionen c gekürzt. Das ist nicht der vorwärts gerichtete, in die Zukunft weisende Weg. Das ist mindestens eine doppelte Rolle rückwärts in die Vergangenheit. Man kommt damit wieder zu der Unterfinanzierung, wie sie in Zeiten von Rot-Grün bestanden hat. Herr Minister Corts, es ist deshalb völlig richtig, dass Sie aufzufordern sind, die Verhandlungen über die Fortsetzung des Hochschulpakts über das Jahr 2005 hinaus zügig aufzunehmen.
Für meine Fraktion betone ich: Wenn das, was Sie in diesem Hause und was die CDU-Fraktion in diesem Hause immer hinsichtlich des hohen Werts der Bildung und der Hochschulpolitik behaupten, wahr ist, dann wäre es richtig und anständig – ich fordere das jetzt auch von Ihnen –, wenn Sie mit den Verhandlungen über die Fortführung des Hochschulpakts auf der Grundlage des vor den Kürzungen, die nach dem Motto „Operation sichere Zukunft“ erfolgten, ursprünglich vereinbarten Niveaus beginnen würden. Das heißt, dass die Hochschulen das, was Sie gekürzt haben – de facto war das ein Bruch des Hochschulpakts –,in den Folgejahren entsprechend wieder aufholen würden.
Wenn die Verhandlungen angelaufen sind, werden wir sehen, was die Hochschul- und Forschungspolitik der CDU in Hessen wirklich wert ist. Ich habe die Hoffnung, dass die Diskussion dieser Tage das ein wenig befördern wird. Ich werde mir allerdings allzu viel Optimismus momentan noch verkneifen. Denn die in den letzten Wochen vorgenommenen Kürzungen haben gezeigt, dass die CDU in dieser Hinsicht genauso, wie es Frau Bulmahn in Berlin momentan tut, leider nur Sonntagsreden hält. – Herzlichen Dank.
Frau Beer, danke schön. – Frau Sorge, ich darf Ihnen das Rederecht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einräumen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir alle möchten gute und wettbewerbsfähige Hochschulen mit Studierenden, die im internationalen Vergleich nicht nur bestehen, sondern auf den vorderen Plätzen rangieren. Dabei besteht allerdings die Frage:Wie kommen wir dorthin? – Die Eliteförderung wird nicht nur jüngst, sondern schon seit längerem als der Weg zu hochwertigen Wissenschaftlern und einem hochwertigen Niveau immer wieder gern diskutiert. Jetzt geistert das seit Anfang des Jahres durch Talkshows und Feuilletons.
Merkwürdig daran ist aber, dass ausgerechnet in Zeiten knapper Kassen und der Kürzungen in der Bildung plötzlich die Diskussion um die Förderung der Eliten so an Bedeutung gewinnt. Da kann man schon den Verdacht hegen, es werde nach dem Motto verfahren: Wir sparen in der Breite und konzentrieren uns auf einen kleinen Kreis; wir fördern nur wenige, die aber intensiv; der Rest der