Merkwürdig daran ist aber, dass ausgerechnet in Zeiten knapper Kassen und der Kürzungen in der Bildung plötzlich die Diskussion um die Förderung der Eliten so an Bedeutung gewinnt. Da kann man schon den Verdacht hegen, es werde nach dem Motto verfahren: Wir sparen in der Breite und konzentrieren uns auf einen kleinen Kreis; wir fördern nur wenige, die aber intensiv; der Rest der
Studierenden ist uns egal. – Dass dies ein Trugschluss und nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit falsch ist, lehren uns die Vergleichsstudien aus anderen Ländern. Es kommt nicht nur darauf an, eine Hand voll Spitzenkräfte zu haben, die, Frau Kollegin Beer hat es gerade angesprochen, im schlechtesten Fall nach ihrer Ausbildung mit lukrativen Verträgen in andere Länder abgeworben werden. Vielmehr muss das Ausbildungsniveau in Deutschland insgesamt angehoben werden.
Studien der OECD und andere Studien belegen uns immer wieder: Bezogen auf den Anteil der Studierenden gehören wir im Vergleich zu anderen Ländern zu den Schlusslichtern. Wir wären wirklich in die falsche Richtung unterwegs, wenn wir daraus den Schluss ziehen würden, dass wir uns noch mehr auf einige wenige Universitäten konzentrieren sollten, anstatt mehr Geld in die Hand zu nehmen und Bildung, Forschung und Lehre in der Breite zu verbessern.
Bildung ist der wichtigste Rohstoff, den die Bundesrepublik und damit auch Hessen hat. Nur einen exklusiven Kreis zu fördern ist deshalb zu kurz gedacht. Wir können es uns einfach nicht erlauben, Reserven bei Begabten brachliegen zu lassen. Aus der PISA-Studie konnte man lernen: Länder, die eine breite Förderung betrieben haben, haben am besten abgeschnitten. Das heißt: Nur wenn man sich eine breite Begabtenförderung leistet, kann man auch in der Spitze gut sein.
Dazu gehört auch,die Grenzen für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu öffnen. Auch hier zeigt sich wieder deutlich, wie dringend wir ein liberales Zuwanderungsgesetz brauchen.
Leider wird das von der CDU immer noch blockiert. Hier sollte die Union einmal über ihren Schatten springen, anstatt von Internationalität immer nur in Sonntagsreden zu sprechen. Wer sich dem internationalen Wettbewerb stellen will, der muss auch Internationalität im eigenen Land zulassen können.
Meine Damen und Herren von der CDU, natürlich haben Sie mit der Aussage Recht, dass Bildung Ländersache ist und sich der Bund nicht über die Maßen einmischen soll. Wir sollten dabei aber eines nicht vergessen: Die Bundesländer müssen dann an einem Strang ziehen und einheitliche Rahmenbedingungen schaffen. – Die Systeme müssen transparenter und der Wechsel von einer Hochschule zur anderen muss erleichtert werden. Es kann doch nicht sein, dass wir europaweit vergleichbare Systeme schaffen, in der Bundesrepublik aber immer mehr unterschiedliche Systeme kreieren. Das geschieht gerade beispielsweise mit den verschiedenen Modellen, die es zu Bildungsgutscheinen und Langzeitstudiengebühren gibt.
Abgesehen davon, dass man mit Leuchtturmprojekten nicht das Niveau insgesamt anhebt, hat das von Bundesbildungsministerin Bulmahn geplante Modell der Eliteuniversitäten noch eine weitere Schwäche. Die für die Hochschulen jeweils zugesicherte Förderung soll nur über fünf Jahre erfolgen.Das ist natürlich bei weitem nicht ausreichend, um eine wirklich nachhaltige Entwicklung an einer Hochschule zu garantieren. Man muss leider dazu
sagen, dass die Vorstellung, mit diesen Beträgen kleine Harvard-Universitäten schaffen zu können,richtig absurd ist.
Angesichts des aktuellen Zustands der Hochschulen in Deutschland reicht es nicht aus, einfach nur Geld in die Universitäten zu pumpen. Zum einen muss man die 50 Millionen c, die es pro Jahr geben soll, als Peanuts bezeichnen. Zum anderen benötigen wir aber auch Anreize für strukturelle Verbesserungen. Geld in das bestehende System zu pumpen reicht einfach nicht aus. Wer bei der Hochschulausbildung wirklich etwas bewegen will, der muss nicht nur Geld in die Hand nehmen. Er muss damit ein Konzept zur Verbesserung der Qualität verbinden. Geld kann als Anstoß zur Durchführung einer gründlichen Reform dienen. In diese neuen Strukturen müsste allerdings wesentlich mehr Geld investiert werden, als jetzt vorgesehen ist. Dies zeigt ebenfalls der internationale Vergleich. Selbst in den Staaten, in denen Studiengebühren erhoben werden, wird noch mehr Geld pro Studierenden investiert, als es in der Bundesrepublik der Fall ist.
Wenn wir über internationale Wettbewerbe an den Hochschulen, über Autonomie und mehr Eigenverantwortung diskutieren, dann müssen wir auch über Leistungsvergleiche, leistungsgerechte Bezahlung und darüber diskutieren, ob Professoren unbedingt Beamte sein müssen.
Wir brauchen endlich die im Rahmen der neuen Hochschulsteuerung vorgesehene Evaluation. Wir brauchen bessere Mittel zur politischen Steuerung, aber auch Vergleiche, die den Studierenden mehr Informationen darüber geben, was an den jeweiligen Hochschulen angeboten wird.Studierende müssen in die Lage versetzt werden, sich Universitäten nach bestimmten Kriterien auszusuchen. Studierende sollen zukünftig entscheiden können: Was bietet mir die jeweilige Hochschule in dem jeweiligen Fachbereich? Wo lehrt das engagierteste Personal? Wo werden die besten Studienbedingungen geboten? Welche Uni kann mir garantieren, dass ich die benötigten Bücher in ausreichender Zahl vorfinde? Oder solche banalen Sachen: Welche Uni kann mir einen Sitzplatz in jedem von mir gewünschten Seminar garantieren? In welcher Hochschule werde ich am besten betreut? – Diese Kriterien müssen dann auch eine Verbindlichkeit haben. Das verstehen wir unter Förderung und Anhebung des Niveaus.
Erst wenn wir bei einem solchen Stadium an Studienbedingungen und partnerschaftlichem Umgang zwischen Studierenden und Hochschulen angekommen sind, dürfen wir überhaupt über Beiträge der Studierenden oder Sanktionen bei längerer Studienzeit nachdenken.Wichtig bei dieser ganzen Debatte ist: Studieren darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig gemacht werden. Bildungsferne Schichten dürfen nicht vom Studium abgeschreckt werden, wie z. B. durch die jetzt in Hessen eingeführten Strafgebühren für Studierende.
Um eine Qualitätsverbesserung an den Hochschulen langfristig zu erreichen, brauchen diese natürlich auch Planungssicherheit. Es kann nicht sein, dass die Landesregierung immer dann, wenn sie meint, sie bräuchte irgendwoher noch Geld, einfach bei den Hochschulen zugreifen kann.Wofür wird der Hochschulpakt denn geschlossen?
Vor diesem Hintergrund erscheint der Ruf der CDU nach Eliten geradezu zynisch. Sie, Frau Kühne-Hörmann, Ihre Fraktion, Ihre Landesregierung haben den Hochschulpakt doch gebrochen. Sie nehmen den Hochschulen doch das Geld und die Planungssicherheit. Daher unterstützen wir die Forderung der SPD, den Hochschulpakt neu auszuhandeln, aber nur dann, wenn der Wissenschaftsminister unter der Feinjustierung, wie er es immer nennt, nicht wieder nur die Kürzung des Etats versteht.
Die Autonomie muss weitergeführt werden. Es müssen aber auch Standards gesetzt werden. Wir hatten gerade heute Vormittag die Diskussion über die Lehrerausbildung. Bei einer Neuverhandlung des Hochschulpakts könnte die CDU beweisen, was ihr das Bildungsniveau der Hessinnen und Hessen wert ist,aber auch,wie ernst es ihr mit der Weiterführung der Hochschulautonomie ist.
Was mich an Ihrem Antrag ärgert, meine Damen und Herren von der CDU, ist das Gerede über Elitenförderung, während Sie gleichzeitig die Mittel für die Hochschulen kürzen und die Studierenden für die schlechten Studienbedingungen bestrafen, um dadurch Geld in den Landeshaushalt zu pumpen.
Meine Damen und Herren, das ist wirklich scheinheilig. Während die hessische CDU die Pläne der Bundesbildungsministerin in Bezug auf Eliteförderung in ihrem Antrag begrüßt, kritisiert sie der hessische Wissenschaftsminister in seiner Presseerklärung vom 27. Januar als Blendwerk. Komisch. Aber mein Lieblingssatz aus dem CDUAntrag lautet:
Der Landtag hält demgegenüber die seit 1999 erfolgreiche Hochschulpolitik der Hessischen Landesregierung... für zukunftsweisend.
Erfolgreich? Den Erfolg hat man im letzten Jahr sehen können: an den zahlreichen Studentendemos, an den Streiks an den Hochschulen, an der Auseinandersetzung mit den Hochschulpräsidenten, an einem Gesetzentwurf, der so gnadenlos bei allen Experten durchgefallen ist,dass es wirklich nicht mehr zu toppen ist, und jüngst bei der Verordnung daran, dass es die Studierenden waren, die der Landesregierung Nachhilfe bei der Formulierung der Verordnung geben mussten. Vielleicht hätten die Vertreter der Landesregierung selbst etwas länger studieren sollen. Das hätte ihnen in dem Punkt sicher gut getan.
Vielleicht sollte man statt „erfolgreich“ lieber „folgenreich“ sagen. Diese Hochschulpolitik hat zumindest zu einer Mobilisierung der Studierenden, zu einem Zusammenhalt von Professoren und Studierenden, natürlich gegen die Landesregierung, und zu einer Politisierung der Studierenden geführt. Sie führte aber auch zu einer großen Verunsicherung innerhalb der Hochschulen und unter den Menschen, die sich überlegen, ob sie studieren sollen oder nicht. Viele verzweifelte Briefe erreichen uns, in denen die Menschen die Ungerechtigkeiten, die mit dem StuGuG verbunden sind, nicht fassen können. Viele Studierende sind jetzt vor große finanzielle Probleme gestellt worden, und vielen wird nichts anderes übrig bleiben, als ihr Studium abzubrechen und eben keinen akademischen Abschluss machen zu können.
Meine Damen und Herren, Zweitstudien, die eigentlich eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bieten sollten und die das Engagement der Studierenden in diesem Punkt beweisen, werden nun unmöglich gemacht. Allein in Frankfurt bekommt knapp die Hälfte der Studierenden einen Gebührenbescheid. Das ist vollkommen absurd. Die weitreichendste Folge ist aber: Das Vertrauen in die Landesregierung ist komplett flöten gegangen. Das erste Jahr des Wissenschaftsministers war geprägt von Ankündigungen. Wir hatten gerade wieder die Ankündigung eines Lehrerbildungsgesetzes. Das wurde schon einmal angekündigt. „Auf jeden Fall vor den Sommerferien“, hieß es da. Die Rede war allerdings von 2003.
Herr Corts hat den Mund voll genommen, vor allem mit wachsweichen Formulierungen. Ich frage mich immer wieder:Wie soll man sich mit einem Minister auseinander setzen, der bei seinen fadenscheinigen Argumenten immer wieder selbst lachen muss? Ich sage nur: Das Vertrauen der Hochschulen hat er mit seinem Gebaren zumindest erfolgreich verspielt.
Noch kurz zur TU Darmstadt. In Bezug auf die TU Darmstadt sind sich alle Fraktionen einig. Die TU soll als Modellhochschule weiter reichende Kompetenzen bekommen. Dazu gehört, dass die Modellhochschule Darmstadt endlich die schon lange angekündigte Bauherrneigenschaft und auch Dienstherrneigenschaft erhält – eine weitere vollmundige Versprechung des Herrn Corts, bei der man vergeblich versucht, ihn beim Wort zu nehmen. Dies hat aber nicht nur er verschleppt. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde dies mehrfach angekündigt,aber nicht umgesetzt. Es ist aber Voraussetzung, um den angekündigten Rückzug des Staates aus der Detailsteuerung abzusichern. Darüber hinaus ist eine rechtliche Absicherung des zunächst zeitlich befristeten Modellversuchs möglichst über die Formulierung eines speziellen Gesetzes für die TU Darmstadt dringend geboten. Die Landesregierung muss endlich bestätigen, dass sie den begonnenen Prozess weiterführen will, und eine Aussage zu der angestrebten Form der Weiterführung machen.
Auch in den anderen Hochschulen muss der Autonomieprozess vorangebracht werden. Die Autonomie darf nicht an den Führungsgremien der Hochschulen Halt machen, sondern muss auch innerhalb der Hochschulen durch demokratische und transparente Entscheidungsstrukturen fortgeführt werden. Frau Wolff hat es heute wieder angesprochen. Sie spricht von Standards in der Lehrerausbildung. Sie spricht von Standards, die gesetzt werden müssen. Sie vergisst dabei aber immer wieder, zu sagen, dass es die Landesregierung ist, die verantwortlich dafür ist, die Standards zu setzen.
Wir fordern deshalb von der Landesregierung, die politische Verantwortung zu übernehmen. Wir fordern auch dazu auf, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass dieser begonnene Prozess, der richtig ist, in den Hochschulen weitergeführt wird. Daher fordern wir dringend mehr Demokratie in den Hochschulen.
Wie Sie meiner Rede bereits entnommen haben dürften: Der CDU-Antrag hat uns nicht überzeugt. Wir werden ihn aus den genannten Gründen ablehnen. Dem Antrag der SPD werden wir zustimmen, auch wenn ich hier noch
einmal deutlich sagen will, dass die in der Begründung zum Ausdruck gebrachte Begeisterung für die Weimarer Leitlinien „Innovation – unser Land gerecht erneuern“ bei uns leider nicht auf richtig fruchtbaren Boden gestoßen ist.
Sie sind ganz exakt in der Zeit geblieben. Auch dafür danke schön, Frau Sorge. – Für die Landesregierung darf ich Herrn Staatsminister Corts das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Sie haben heute zwei Anträge in einer verbundenen Debatte behandelt, die sich im Kern mit den Weimarer Leitlinien der SPD beschäftigen.Auch wenn der SPD-Antrag diverse Forderungen erhebt, so ist seine Begründung doch bei weitem interessanter. Zu den Weimarer Leitlinien, die mitnichten als, wie Sie es sagen, „konstruktive und nach vorn gerichtete Diskussion auch über die Forschung in Hessen“ angesehen werden, werden hier Behauptungen aufgestellt, die in ihrer Vordergründigkeit und der Verdrehung der Tatsachen bemerkenswert sind.
Nicht durch die Anstrengung der Bundesregierung, sondern durch die Anstrengung der Länder, die erhebliche Mittel in den Ausbau der Hochschulen gesteckt haben, ist der Anteil der Studierenden in den letzten Jahren gestiegen. Herr Siebel, wie Sie es dargestellt haben, beruht auch die Verbesserung der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz auf gemeinsamen Anstrengungen des Bundes und der Länder. – Sie nicken, das freut mich, das ist vorhin so nicht zum Ausdruck gekommen.
Die Antragsteller der SPD übersehen auch, dass es der Bund gewesen ist, der die Mittel für den Hochschulbau nicht nur eingefroren hat, wie Sie es schreiben. Zwar dehnt sich etwas aus, wenn es eingefroren ist, und wird größer;
aber in Ihrem Fall haben Sie im Haushaltsjahr 2004 das Ganze um 175 Millionen c gesenkt. Das ist in der Tat kontraproduktiv, da hat die SPD-Fraktion völlig Recht. Immerhin enthält die Begründung einige wenige zutreffende Anmerkungen.
In der Tat liegt die Stärke der hessischen Hochschulen in einem breit angelegten Ausbildungsangebot, dessen Stärke weiterentwickelt werden muss. Das ist eine hervorragende Basis zur Entwicklung von Spitzenleistungen in Forschung und Lehre. Darüber führen die Präsidenten der hessischen Hochschulen mit dem Wissenschaftsministerium intensive Gespräche.Wir sind uns einig in der Zielsetzung, das hessische Hochschulwesen weiterzuentwickeln und wettbewerbsfähiger zu gestalten, insbesondere durch gezielte Schwerpunktbildung und Entwicklung von Exzellenzzentren. Sie haben wahrscheinlich von den Präsidenten gehört, dass wir aus den mehr als 1.200 Studiengängen mittlerweile 60 Schwerpunkte herausgefiltert haben.
Es ist – dies musste wiederholt schon an dieser Stelle festgestellt werden – nicht ohne Reiz, festzustellen, dass gerade die Partei, die in ihrer Regierungsverantwortung einen beispiellosen Kahlschlag in der hessischen Wissenschaftsförderung verursacht hat, sich jetzt als Speerspitze einer zukunftsgerichteten Entwicklung unseres Hochschul- und Wissenschaftssystems geriert.Um einfach noch einmal die Zahlen in Erinnerung zu rufen: Der Tiefpunkt, den wir hatten, war 1997. Herr Siebel, damals war der Anteil am Gesamthaushalt 7,05 %, gerade einmal 970 Millionen c – ich habe es gleich umgerechnet.Im Jahre 2004 liegen wir bei 7,51 % am Gesamthaushalt, so viel hatten wir insgesamt noch nie in Hessen. Das muss man auch immer relativ sehen.