Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Erhebung im Jahre 2001 stattgefunden hat und dass es an dem Ergebnis dieser Studie gute und schlechte Seiten gibt, dass man das weder in Gänze positiv würdigen noch in Gänze schlecht machen kann. Mit der Politik der CDU in Hessen hat das nicht viel zu tun.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Wenn Sie der Meinung sind, Ihre Politik habe viel damit zu tun, dann müssten Sie sich aber auch zuschreiben lassen, dass damals 10 % der Viertklässler leider nur wenige Worte lesen konnten. Sie sollten deshalb hier nicht immer nur schwarz-weiß malen, sondern zur Kenntnis nehmen, dass es ein differenziertes Bild von Schule gibt, dass es positive Reformbemühungen gibt, dass aber nicht alles Gold ist, was glänzt, und vor allen Dingen nicht alles mit der CDU-Politik zusammenhängt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Die Grundschulen haben bei IGLU besser abgeschnitten als die Sekundarstufen I bei PISA.Das ist der positive Befund. Darüber haben wir schon im letzten Jahr gesprochen, und das hat IGLU national noch einmal bestätigt. Das ist erfreulich. Hessen ist, man höre und staune, national unter sieben Ländern auf dem dritten Platz gelandet.

(Zurufe von der CDU)

Man kann sagen: guter Durchschnitt. Das ist doch etwas.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Da sind Quantensprünge drin! Hessen war früher auf dem letzten Platz!)

Hessen war nicht auf dem letzten Platz. Hessen war bei IGLU Dritter unter sieben ausgewählten Ländern,die bei der Studie mitgemacht haben. Ich will Ihnen doch nur mitteilen, wo Sie das Ergebnis einzuordnen haben. Herr Irmer, das scheint Ihnen schwer zu fallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Die Reformpolitik hat die Grundschulpädagogik mehr verbessert als die Pädagogik für die Sekundarstufe I. Das ist der positive Befund. Dabei kann ich allerdings für RotGrün in Anspruch nehmen, dass wir die Reformpädagogik an den Grundschulen noch gefördert haben, während dies bei Ihrer Politik kaum zu erkennen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Die Grundschullehrer sind besser in der Lage, die Kinder individuell zu fördern und auch gemischte Lerngruppen zu unterrichten, als die Lehrer in der Sekundarstufe I. Aber es bleibt doch der Befund,dass wir,international gesehen, im unteren Drittel sind, dass die Risikogruppe, auch in der Grundschule, nach wie vor zu groß ist, obwohl die Streuung nicht so breit ist wie bei PISA, und dass sich der soziale Hintergrund bereits bei den Leistungen in den Grundschulen bemerkbar macht. Die Empfehlungen der Grundschulen an die Viertklässler bezüglich der weiterführenden Schulen richten sich in erster Linie danach,was die Schüler für Elternhäuser haben, weniger nach ihren Leistungen. Das ist ein schwieriger Befund. Darüber müssten wir hier sachlich diskutieren und dürfen nicht einfach sagen: Es ist alles in Butter, wir haben ein gutes Zeugnis bekommen. – Sie verstecken sich hinter den Realitäten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Verbesserungen sind dringend notwendig. Die frühkindliche Bildung muss stärker in den Blickpunkt gerückt werden. Wir haben heute noch eine Debatte dazu. Wir warten seit zwei Jahren auf einen Bildungsplan des Landes.Wir GRÜNEN haben ein Konzept vorgelegt. Die FDP hat ein Konzept vorgelegt. Die SPD hat ein Konzept vorgelegt. Nur die Landesregierung kommt nicht zu Potte.Frau Kölsch,deshalb sollten Sie hier nicht davon reden, dass die frühkindliche Bildung bei Ihnen hoch im Kurs stehe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen eine bessere Kooperation mit der Grundschule und gleitende Eingangsphasen, damit die Kinder früher in die Schule kommen können, aber auch individuell gefördert werden. Dabei müssen wir die Lehrerinnen und Lehrer unterstützen, damit sie in der Lage sind, diese Aufgabe noch besser zu leisten,als es bislang der Fall war.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Ich halte überhaupt nichts von einer Elitegrundschule, Herr Reif. Ich halte sehr viel davon, dass die Kinder entsprechend ihren Talenten, Leistungen und Möglichkeiten so gefördert werden, dass alle ein gutes Lernziel erreichen, dass wir kein Schulabbrecher mehr haben, sondern nur noch junge Menschen, die einen Schulabschluss machen, damit sie in der Lage sind, einen Beruf zu ergreifen und ihr Leben zu meistern. Dafür bin ich, Herr Reif.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Hinz, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wir brauchen ein längeres gemeinsames Lernen über die vierte Klasse hinaus, damit das, was in der Grundschulpädagogik positiv angelegt ist, in die Sekundarstufe I hinübergerettet wird. Wir brauchen vor allen Dingen eine verstärkte Lehreraus- und -fortbildung – darüber haben wir gestern schon debattiert –, damit die Lehrerinnen und Lehrer noch besser in der Lage sind, die Kinder in der Grundschule und in der Sekundarstufe zu fördern. Dann wären wir auf dem richtigen Weg. Dafür müssten Sie Ihr Weltbild aber etwas verrücken, Frau Kölsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Bei euch war Hessen noch auf einem Abstiegsplatz! Hören Sie auf!)

Das Wort hat Frau Kollegin Habermann von der SPDFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kölsch, offensichtlich haben Sie nicht realisiert, dass Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben. Ich hätte gern vor Ihnen geredet, damit Sie das hätten kommentieren können, was ich sagen werde, nicht das, was Sie denken, dass ich sagen werde.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben heute Morgen mit einem Spruch von Wilhelm Busch begonnen. Ich will daran anschließen. Es gibt im IGLU-Bericht einen Text zur Überprüfung von Lesekompetenz und Textverständnis, der mich sehr an das erinnert, was Sie mit dieser Aktuellen Stunde zu inszenieren versuchen. Er heißt: Der Hase kündigt das Erdbeben an. – So wenig, wie die riesige Frucht, die in der Geschichte vom Baum fällt, ein Erdbeben auslösen konnte, so wenig haben die Ergebnisse der IGLU-Untersuchung mit Ihrer Schulpolitik zu tun.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der wichtigtuerische Hase muss das am Ende der Geschichte einsehen. Bei der CDU warten wir wahrscheinlich vergeblich auf solche Einsichten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Habermanns Märchenstunde!)

Dabei ist es recht einfach, Herr Irmer, Ihnen die Federn, mit denen Sie sich schmücken wollen, auszurupfen. Am innerdeutschen Leistungsvergleich haben von 16 Bundesländern lediglich sieben teilgenommen. Von diesen wurden nur sechs in die Bewertung aufgenommen.

(Zurufe von der CDU)

Der dritte Platz in der Rangliste relativiert sich so recht schnell.Außerdem ist es geradezu abenteuerlich,wenn Sie suggerieren wollen, das Abschneiden der hessischen Grundschulen habe etwas mit der Erweiterung der Stundentafel zu tun. Die erste Erweiterung der Stundentafel wurde am 19.April 2000 per Erlass auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

In den Genuss dieser Erweiterung kamen die Grundschulen erst ab dem Schuljahr 2000/2001. Die IGLU-Erhebungen wurden aber im April und Mai des Jahres 2001 durchgeführt. Wer hier einen kausalen Zusammenhang konstruiert, argumentiert unredlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kölsch,ich habe in meiner Presseerklärung nur diese zeitliche Entwicklung dargestellt und nicht auf die Erfolge rot-grüner Bildungspolitik rekurriert.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Irmer,das ist Ihr hilfloser Versuch,das Scheitern und die Stagnation hessischer Bildungspolitik mit selbst attestierten Erfolgen zu vertuschen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Bei Ihnen gab es nur Horrormeldungen!)

Die Ergebnisse von IGLU haben mehr Beachtung und Aufarbeitung verdient, als von Ihnen als Feigenblatt in einer Aktuellen Stunde zitiert zu werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Ergebnis ist, dass die Grundschulbildung in Deutschland im Ländervergleich wesentlich bessere Erfolge als die der Sekundarstufe I aufweist.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): In der Sekundarstufe ist Bremen hinten!)

Dies hat sicherlich viel damit zu tun, dass die Lehrkräfte an den Grundschulen didaktisch und methodisch wesentlich besser als die Kollegen in den höheren Klassen und Stufen auf ihre Aufgabe vorbereitet sind.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Es stimmt doch nicht, was Sie sagen!)

Nach Einschätzung der Experten wirkt sich auch die Arbeit in heterogenen Lerngruppen positiv auf die Lernerfolge aller Kinder aus.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Irmer, wenn Sie so viel dazu zu sagen haben: Hätten Sie doch geredet. Reden Sie mir nicht dauernd dazwischen.

Meine Damen und Herren, trotzdem sind die Erkenntnisse aus PISA schon im Grundschulbereich spürbar. Der soziale Status der Eltern beeinflusst in der Grundschule spürbar den Bildungsweg eines Kindes. Wer hier etwas verändern will, muss die frühkindliche Bildung stärken sowie die Arbeit der Vorschuleinrichtungen aufwerten und besser mit der Grundschule verzahnen.