Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

Dann kommt Herr Staatsminister Rhiel an dieses Pult und sagt,er brauche etwas länger Zeit,um die ganze Komplexität seines Tuns darzustellen. Man kann am Ende Ihrer Rede nur sagen: Herr Staatsminister, Sie haben zwar lang geredet, aber nicht viel gesagt. – Das ist die Wirtschaftspolitik, die in diesem Lande gemacht wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Lassen Sie mich bei Herrn Kollegen Reif anfangen. Ihre Rede hatte drei Bausteine, wenn ich eine Struktur richtig erkannt habe. Ich habe mich redlich bemüht. Der erste Baustein war die Darstellung der Biografie des Herrn Ministers. Danke, dass Sie sie uns noch einmal zur Kenntnis gegeben haben. Der zweite Baustein war: Berlin ist schuld. – Das kennen wir auch schon länger.

(Clemens Reif (CDU): Das musste dem Al-Wazir einmal gesagt werden!)

Das Dritte war der Rückblick auf die letzten vier Jahre. – Ich will gern auf die drei Bausteine Ihrer Rede eingehen. Sie haben die Biografie von Herrn Staatsminister Rhiel gelobt. Herr Reif, Sie haben einen Fehler gemacht. Sie haben im weiteren Verlauf Ihrer Rede gesagt, Sie hätten die Zusammenarbeit mit der FDP gerne fortgesetzt. Was anderes soll das bedeuten, als dass Sie sich Herrn Posch als Wirtschaftsminister zurückwünschen?

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ich kann sagen: Sie haben die Biografie von Herrn Staatsminister Rhiel richtig zitiert. Mit dem Oberbürgermeisteramt in Fulda war der Zenit erreicht.Da hätte er weiterarbeiten sollen, bis er von einem GRÜNEN als Oberbürgermeister von Fulda abgelöst worden wäre.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der FDP – Clemens Reif (CDU): Eher wird der Mond eckig!)

Das wäre für Fulda gut gewesen. Das wäre für Hessen gut gewesen.

Der zweite Teil Ihrer Rede: Berlin ist schuld. – Das haben wir alles hinreichend gehört. Ich würde wirklich den Vorschlag machen, wir nehmen uns in diesem Hause einmal richtig viel Zeit und führen eine bundespolitisch-wirtschaftspolitische Debatte. Das würde ich einmal vorschlagen. Das machen wir einmal. Dann können wir nämlich, wenn es um hessische Wirtschaftspolitik geht, über hessische Wirtschaftspolitik reden. Wenn wir einmal die Bundespolitik in einem Block machen würden, gäbe es in der Tat viel zu besprechen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Reif, in Ihren Ausflügen in die Bundesrepublik haben Sie angesprochen, der Bundeskanzler schlage vor, einen Industriekommissar auf EU-Ebene zu schaffen.In Ihrer Rede kam es mir so vor, so wenig Sie über Hessen gesagt haben, so viel haben Sie über Bundespolitik und Europa gesprochen.Ich glaube,das war eine Bewerbung.Wir werden gerne nach Berlin weiterreichen, dass Sie in Europa Industriekommissar werden wollen. Das machen wir gerne. Aber wir haben in Hessen ein paar andere Pro

bleme. Herr Reif, über die hätten wir von Ihnen gerne etwas gehört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Reif (CDU): Ich will mich doch nicht verschlechtern, Herr Kollege!)

Man muss Ihren Antrag einfach einmal vorlesen. Sie selbst machen es nicht. Sie wissen, dass er ein ziemlich dünnes Brett ist.

(Michael Boddenberg (CDU): Ein Papier!)

Dringlicher Entschließungsantrag... betreffend Hessen auf dem Weg an die Spitze

(Clemens Reif (CDU): Genau!)

Der Landtag wolle beschließen:

Der Landtag begrüßt die intensiven,zielgerichteten und erfolgreichen Maßnahmen der Hessischen Landesregierung, um Hessen an die Spitze der wirtschaftsstärksten Länder in Deutschland zu führen.

Der Landtag stellt fest, dass diese Aktivitäten eindeutig ihre positive Wirkung zeigen.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Zwei Seiten Begründung! – Dr.Walter Lübcke (CDU): Dreimal lesen! – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Nein, Herr Dr. Lübcke, das ist der gesamte Antrag – damit es keine Irritationen gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was mir dazu einfällt, ist: tote Hosen in der Wirtschaftspolitik in Hessen. Mir fallen sogar die „Toten Hosen“ ein, die Musikband. Da gibt es eine wunderbare Textpassage. Die möchte ich leicht abwandeln. Die ist wohl die Philosophie: „Es gibt Tausend gute Gründe, auf diesen Wirtschaftsminister stolz zu sein. Warum fällt uns jetzt bloß kein einziger mehr ein?“ Das ist das Wesen Ihres Antrages, den Sie heute zur Wirtschaftspolitik vorgelegt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Staatsminister Rhiel, da legen drei Oppositionsfraktionen Anträge mit konkreten Forderungen vor, in denen Sie zum Handeln aufgefordert werden,wo Sachstände abgefragt werden, wie der Bearbeitungsstand in Ihrem Hause ist. Wir haben zu all diesen Punkten von Ihnen nichts gehört.

Ich möchte nur auf die zehn Punkte eingehen, die meine Fraktion in ihrem Antrag stehen hatte. Man kann doch von einem Wirtschaftsminister erwarten, wenn ihm Untätigkeit vorgeworfen wird, dass er zumindest in den zehn angesprochenen Punkten diesen Vorwurf widerlegt. Das haben Sie nicht getan. Ich rufe Ihnen die Punke gerne in Erinnerung.

Wir haben gesagt: „IBH“. Da hatten Sie eben eine Formulierung, Sie dürften uns im Moment so viel sagen, dass... Ehrlich gesagt, mir wäre ein Konzept lieber, als dass Sie uns mitteilen, was Sie uns im Moment sagen dürfen.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Sie müssen zuhören! – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Zweiter Punkt, Herr Minister Rhiel:Ausbildung.Wir werden morgen noch einmal Gelegenheit haben, darüber zu reden.Wir haben von Ihnen nichts gehört, wie Sie sich der

Situation stellen wollen, dass wir in unserem Land zu wenige Lehrstellen haben.

Dritter Punkt, den meine Fraktion angesprochen hat: Der ganze Bereich Umweltschutz schafft Arbeitsplätze. – Wir haben vom ehemaligen Wirtschaftsminister Posch noch eine Statistik bekommen, dass es einer der wenigen Bereiche mit signifikanten Wachstumsraten ist. Wir haben von Ihnen nicht gehört,wie Sie das in Hessen fördern wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vierter Punkt, den wir angesprochen haben – alles hessische Probleme, nicht die Ablenkungsmanöver von Herrn Reif auf Bundesebene: Zu der Neuorganisation der Sparkassen vor allem im Rhein-Main-Gebiet haben wir nichts gehört.

Die Wohnungsbauförderung hatten Sie gekürzt und haben keine Perspektiven aufgezeigt, wie wir das weiterentwickeln wollen.

Beim Flughafen Frankfurt sind Sie als Genehmigungsbehörde dabei, Ihren Job nicht richtig zu machen. Sie haben eine komische Arbeitsteilung. Sie als Genehmigungsbehörde kriegen es nicht hin. Der Herr Ministerpräsident will, dass die Nordwestbahn kommt.Wir sagen: Die Nordwestbahn ist Unsinn; man soll das einstellen und die Wirtschaftspolitik auf Wesentliches konzentrieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Kassel-Calden. Im Landeshaushalt 2002 und 2003 stehen Mittel für die Substanzerhaltung von Kassel-Calden. Diese Mittel werden nicht oder nicht vollständig abgerufen.Dann stellt sich der neue Aufsichtsratsvorsitzende des Flughafens, Herr Staatsminister Weimar, hin und sagt, die Substanz des Flughafens sei marode – eine bemerkenswerte Aussage eines Aufsichtsratsvorsitzenden, dessen Aufgabe es ist, die Substanz zu erhalten, und der die Mittel nicht in den Flughafen gesteckt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Was sagen Sie denn zu Kassel-Calden?)

Herr Kollege Boddenberg,wir haben eine klare Position zu Kassel-Calden. Das kann ich Ihnen sagen. Wir haben gesagt:Wir wollen den Flughafen in seiner bisherigen Kapazität erhalten.Wir wollen den Standort sanieren.

(Zurufe der Abg. Michael Boddenberg und Dr. Walter Lübcke (CDU))

Herr Kollege Boddenberg, wir wollen das, was Sie an zusätzlichen Mitteln für einen unsinnigen Flughafen aufwenden, für einen überdimensionierten Flughafen, für einen Flughafen, für den es überhaupt keinen Markt in der Region gibt, wenn Sie sich die Konkurrenz zu anderen Flughäfen angucken,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

in ein Strukturprogramm für Nordhessen stecken, weil das wirklich Arbeitsplätze in der Region schaffen würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Achter Punkt, den wir angesprochen haben: ÖPNV. Eine Novelle des ÖPNV-Gesetzes liegt nicht vor.Zu neuen Impulsen für den ÖPNV, der natürlich ein ganz wichtiger Standortfaktor ist, weil er Mobilität organisiert, haben wir

nichts von Ihnen in Ihrer halbstündigen oder vierzigminütigen Rede – ich habe irgendwann die Übersicht und das Interesse verloren – nichts gehört.

(Minister Dr. Alois Rhiel: Sie haben die Übersicht verloren!)

Neunter Punkt, den wir angesprochen haben: Ballungsraumgesetz. Der Staatsgerichtshof wird in den nächsten Wochen entscheiden. Das ist völlig klar.

Herr Kollege Wagner, sind Sie dann so lieb?