Protokoll der Sitzung vom 13.06.2004

Machen Sie den Weg in Berlin frei. Das wäre für viele Leute, die in diesem Lande betroffen sind, ein Lösungsansatz.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Bezüglich der ersten Frage komme ich auf das zurück,was ich eingangs gesagt habe. Sie hatten auf dieser Reise anscheinend eine selektive Wahrnehmung. Sie haben sich immer nur das herausgesucht – auch in Dänemark –, was Ihnen politisch opportun erschien. Da müssen Sie dann aber damit rechnen,dass ich Ihnen das entgegenhalte,was wir als politisch opportun und richtig empfinden. Ich glaube, das gehört zur Fairness dazu.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie reden einen Unsinn!)

Frau Schönhut-Keil regt sich auf.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit Recht!)

Das zeigt, dass das, was wir hier vortragen, in die richtige Richtung geht.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

Lassen Sie mich zum Abschluss etwas zum Thema Holland sagen. Das Gesamtsystem, das wir in Holland vorfinden, unterscheidet sich extrem von dem, was wir in Deutschland vorfinden. Die Kollegen in Holland haben Arbeitskosten, die sehr viel geringer sind als die in Deutschland. Sie haben ein völlig anderes Arbeits- und Tarifrecht. Sie haben ein völlig anders gestaltetes Steuersystem.All das führt dazu,dass in Holland momentan eine andere Investitionsmentalität herrscht. Ich glaube, auch darin sind wir uns einig. Ich frage Sie von der Sozialdemokratischen Partei in diesem Lande:Was wollen Sie tun, damit die Arbeitskosten in diesem Lande sinken? Wenn Sie mir darauf einmal eine Antwort geben könnten, wäre ich dankbar. Das wäre hervorragend.

(Petra Fuhrmann (SPD): Fragen Sie doch, was die Regierung getan hat! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist unglaublich!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt konkret auf den Antrag der SPD-Fraktion eingehen, weil um den Antrag vorhin wie um den heißen Brei herumgeredet worden ist. Ich werde jetzt kurz auf den Antrag eingehen.

(Zurufe von der SPD)

Sie sagen, die Integration von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt müsse gefördert werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Darüber herrscht unter allen Parteien dieses Hauses Übereinstimmung. Ich denke allerdings, wenn man sich recht erinnert, dann war es gerade die SPD, die in diesem Hause in ihrer Regierungszeit, vor allen Dingen in den Neunzigerjahren, insbesondere den zweiten Arbeitsmarkt ausgebaut hat. Dazu würde ich gerne etwas von Ihnen hören. Vielleicht haben wir im Ausschuss die Gelegenheit dazu.

Zweitens. Die Kooperation der Sozialpartner mit der Politik ist sicherlich ein wichtiger Schritt. Das will ich nicht bestreiten. Aus unserer Sicht ist die Kooperation ein Punkt, über den man reden kann. Man muss vor allem darüber reden, wie man das weiterführt. Es macht aber keinen Sinn, in diesem Bereich Kooperation zu fordern und zu fördern, wenn es keine Abstimmung unter den Parteien und auch keine richtigen Leitlinien gibt. Was sagen z. B. die Sozialpartner, die an Flächentarifverträge gebunden sind? Sie sind darauf schon eingegangen. Ich glaube, da werden wir von den Sozialpartnern,gerade von den Tarifvertragsparteien, nichts Neues hören.Wir Liberale sind aber der Meinung, da muss es eine Änderung geben. Dort werden Sie mit Kooperation und Gesprächen sicherlich nicht weiterkommen, sondern da muss es eine politische Entscheidung geben.

(Beifall bei der FDP – Petra Fuhrmann (SPD): Du lieber Himmel! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Schauen Sie sich die Tarifverträge an!)

Sie fordern in Ihrem Antrag außerdem eine regionale und kommunale Steuerung der Arbeitsmarktpolitik.Das kann ich nur unterstützen. Dazu habe ich eingangs schon etwas gesagt. Sie sehen doch die Situation bei der Umsetzung von Hartz IV. Ich glaube, wir stehen von der politischen Forderung her auf einer Seite. Aber es geht hier doch um die Umsetzung in die Praxis.Wenn wir uns neben den politischen Grabenkämpfen, die wir hier führen, darauf einigen könnten, dass wir die Kommunen stärken müssen, dass wir den Kommunen die Möglichkeit geben müssen, das umzusetzen, dass wir die Kommunen nicht unter Druck setzen sollten, dass wir fair mit den Kommunen umgehen sollten, auch vonseiten des Bundes, dann wäre

ich sofort mit Ihnen einer Meinung. Was aber in der Praxis gemacht wird, ist alles andere als fair.

Ich will zu dem Bericht über die Reise noch eine Anmerkung machen. Ich glaube, wir haben in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren viel über die Arbeitsmarktpolitik geredet. Passiert ist aber sehr wenig. Die Strukturen sind immer noch die gleichen. Wir haben eine Bundesagentur für Arbeit, wir haben eine nicht sortierte und nicht kooperierende Arbeits- und Sozialverwaltung.Vieles sollte auf den Weg gebracht werden.Wenn wir ehrlich sind: Es ist nichts auf den Weg gebracht worden.

(Zuruf der Abg. Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Schönhut-Keil, hier können Sie auch mit Ihren Zwischenrufen nicht weiterkommen.

(Beifall bei der FDP)

In diesem Land geht es um fast 6 Millionen Arbeitslose. Da hilft es nichts, den Kopf zu schütteln.

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Doch, weil Sie so viel Unsinn reden!)

Es geht hier um die Umsetzung in die Praxis, und da ist bisher von Ihnen nichts gekommen.

Wir werden den Antrag der Union, den wir zum großen Teil für richtig halten, unterstützen. Wir halten das OFFENSIV-Gesetz in diesem Fall für den richtigen Weg. Ich glaube, dass die Kritik gegenüber dem OFFENSIV-Gesetz überhaupt nicht angebracht ist. Mit diesem Gesetz ist der richtige Weg eingeschlagen worden. Wenn man sich die Ergebnisse der Ausschussreise anschaut, dann kann man sagen, die Landesregierung wird an diesem Punkt eher bestätigt als widerlegt.

(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das scheinen wir unterschiedlich auszulegen. Regen Sie sich nicht auf.Wir fühlen uns jedenfalls bestätigt.

Ich möchte als Fazit erwähnen: Die SPD sollte, bevor sie derartige Anträge stellt, ihre selektive Wahrnehmung etwas zurückfahren. Ich bin in Teilen Ihrer Meinung, dass der Antrag richtige Aussagen enthält. Er ist aber nur eine selektive Schau der Dinge, keine Gesamtschau. Wenn man aber den Arbeitsmarkt betrachtet, dann muss man eine Gesamtschau vornehmen.Das haben Sie nicht getan. Deshalb kann man Ihren Antrag nicht unterstützen. Ich hoffe, dass dieses Haus Ihren Antrag ablehnen wird.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Krämer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Reisen bildet – das war mein erster Gedanke, als ich die Überschrift Ihres Antrags gelesen habe. Beim Studium des Textes bin ich zwar etwas in Zweifel geraten, aber immerhin, die Anfänge Ihrer Ausführungen, Herr Abg. Schäfer-Gümbel, haben mich fast wieder auf die Straße des Optimismus zurückgebracht.

Reisen bildet. Sie haben mit Schalmeienklängen begonnen.Sie haben aber sehr schnell die Schalmei zur Seite gepackt und am Ende wieder die große Trommel herausgeholt,indem Sie die Landesregierung in Bausch und Bogen verdammt haben und in Grabenkämpfe zurückgefallen sind, die man eigentlich überwinden müsste, wenn man Lehren aus dieser Reise ziehen will.

Meine Damen und Herren, bei allen Beteiligten besteht sicher Konsens, dass man weder das dänische noch das holländische, noch ein anderes Modell 1 : 1 auf Hessen oder Deutschland übertragen kann. Eines kann man aber von diesen Modellen lernen: dass es drei Begriffe gibt, die in beiden Systemen eine große Rolle spielen, nämlich Flexibilität, Regionalisierung und Konsens. Es muss zunächst einen Konsens darüber geben, was die Arbeitsmarktpolitik eigentlich bezwecken soll. Eigentlich bezweckt sie doch,Arbeit zu ermöglichen.

Ich glaube, von diesem Konsens sind wir in Deutschland leider noch weit entfernt – dass Arbeitsmarktpolitik Arbeit ermöglichen soll und dass dazu sämtliche Akteure am Arbeitsmarkt ihren Beitrag leisten müssen und können. Das war das Interessante, das wir z. B. in den Niederlanden in Gesprächen mit anderen politischen Gruppierungen gesehen haben: ob das die Partei Groen Links war, Frau Kollegin Schönhut-Keil,

(Evelin Schönhut-Keil (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Na endlich!)

oder ob das die Partij van de Arbeid war, mit der Herr Schäfer-Gümbel reden konnte. Der Konsens zwischen den Parteien in den Niederlanden, aber wohl auch in Dänemark, ist größer als bei uns.

Natürlich ist es richtig, dass nur eine Entbürokratisierung und eine Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik zu nachhaltigen Erfolgen am Arbeitsmarkt führen können. Es wäre auch gut, wenn dies allgemein in diesem Haus und in der deutschen Politik insgesamt Konsens wäre und erkannt würde, insbesondere beim Thema Regionalisierung.

Herr Schäfer-Gümbel, es hat mich gefreut, dass Sie am Anfang die Regionalisierung angesprochen haben. Aber dann müssen den Worten Taten folgen. Wo ist die Unterstützung für jene Kommunen, die optieren wollen? Wo ist die Unterstützung für den Kreisbeigeordneten Pipa im Main-Kinzig-Kreis, der an unserer Reise teilgenommen hat und der klare Worte dazu gefunden hat, welche Rolle die Kommunen im Arbeitsmarktgeschehen spielen könnten, wenn man sie nur lassen würde, wie sie wollen?

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn ich mir den Antrag genau betrachte, dann sind wir leider noch ein ganzes Stück von dem entfernt, was notwendig ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, natürlich war es diese Landesregierung, die als Erste und am konsequentesten mit ihrem Entwurf des Existenzgrundlagengesetzes den Ansatz einer regionalisierten Arbeitsmarktpolitik vorgelegt hat.

Herr Staatssekretär, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Fuhrmann zu?

(Staatssekretär Gerd Krämer: Selbstverständlich!)

Bitte.

Vielen herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Ich möchte Ihnen gerne zwei konkrete Fragen stellen – und zwar zum Vorgehen der Hessischen Landesregierung –, die unmittelbar in diesem Zusammenhang stehen. Das ist jetzt keine Kurzintervention,sondern es sind wirklich zwei Fragen.

Erste Frage: Wird die Landesregierung ihre Zusage einhalten, die im Vermittlungsausschuss gegeben wurde, dass das Wohngeld bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ohne Abstriche an die Kommunen weitergegeben wird?

Zweitens.

Eigentlich haben Sie nur eine Frage. Dies ist ein richtiges hessisches „eigentlich“. – Ich möchte Sie bitten, die eine Frage zu stellen. Zur anderen Frage können Sie sich noch einmal melden, vielleicht ist der Staatssekretär so gnädig, sie zu gestatten. – Bitte, Herr Krämer.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Frau Abg. Fuhrmann, die Landesregierung wird sämtliche Zusagen, die sie gegeben hat, einhalten. Viel mehr treibt uns im Moment aber die Frage um, ob die Bundestagsmehrheit die Zusage, die sie hinsichtlich des Optionsgesetzes gegeben hat, einhalten wird. Davon sind wir im Moment noch weit entfernt.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Herr Krämer, darf Frau Fuhrmann noch einmal fragen?

Liebe Frau Präsidentin, ich bin ein bisschen sparsam, weil ich weiß, dass auch meine Uhr tickt und mir die Zeit für die Fragen nicht gutgeschrieben wird.Wir müssen das also nachher noch vertiefen.