Ich komme zum Schluss. – Dazu werden allein aus den genannten Vorhaben knapp 1,4 Milliarden c während der Programmlaufzeit – sieben Jahre – von der Landesregierung akquiriert und mit der passenden Summe voll kofinanziert. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Liebe Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage nach der regionalen Strukturpolitik geht ein bisschen tiefer und weiter, als die SPD sie stellt. Wie es scheint, interessiert sich die SPD ausschließlich für die Frage, wie es dem Land Hessen gelingt – ich sage es einmal etwas vereinfacht –, alle Mittel in Brüssel abzugreifen, die man abgreifen kann. Unsere Frage dagegen geht etwas weiter. Sie stellt nämlich die Verwendung der Mittel in den Mittelpunkt: Gelingt es uns, die Strukturmittel für die Vorhaben einzusetzen, die wirklich Sinn machen?
Dieser Frage kommt eine immer größere Bedeutung zu; denn immerhin fließt nicht weniger als ein Drittel des EUHaushalts in die Strukturpolitik. In den Jahren 2000 bis 2006 ist das eine Viertelbillion c – eine fast unvorstellbar große Zahl. Deutschland ist zwar der größte Zahler – mit etwa einem Viertel dieser Summe –, aber nach Spanien und Italien auch der größte Empfänger von Mitteln aus dem Strukturfonds-Topf.
Am 1. Mai kommen zehn neue Mitglieder hinzu. Ich freue mich bei dieser Gelegenheit, dass es vielleicht doch noch gelingt, den Entwurf für eine europäische Verfassung auf den Weg zu bringen, da Polen und wohl auch Spanien einlenken.
Es kommen also zehn Länder hinzu. Das senkt zunächst einmal europaweit den 75-%-Durchschnitt. Zum Zweiten hat die Bundesregierung gesagt, dass der EU-Haushalt auf keinen Fall ausgeweitet werden solle. Beides hat die unausweichliche Folge, dass weniger Strukturfondsmittel nach Deutschland fließen werden. Dann rächt es sich, wenn die EU-Mittel nicht für zusätzliche Vorhaben – also für den europäischen Mehrwert – eingesetzt werden, sondern als willkommenes Vehikel für den Ersatz fehlender Haushaltsmittel dienen.
Ich nenne jetzt einige Beispiele und bitte die nordhessischen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere den Kollegen Heidel, im Voraus um Vergebung. Ich habe wirklich ein Herz für den Kurpark in Bad Emstal, für die Freizeitanlage am Werratalsee und für das Internetportal Kassel.
Aber ich frage mich allen Ernstes,ob das Argument der so genannten Additionalität für die Inanspruchnahme von EU-Strukturfondsmitteln in diesen Fällen herangezogen werden kann. Sind das Vorhaben, die ohne die Europäische Union nicht stattgefunden hätten? Sind diese Vorhaben wirklich durch Mittel der Strukturfonds initiiert, oder – wenn wir ganz ehrlich sind – handelt es sich nicht vielleicht doch um Vorhaben, die auch so durchgeführt worden wären? Ich lasse die Frage unbeantwortet im Raum stehen.
Viel zu häufig fehlen wirklich sinnvolle regionale Konzepte und Ansätze. Stattdessen wird europäisches Geld viel zu oft genutzt, um Landesgeld einzusparen. Dies geschieht, indem vormalig mit Landesmitteln finanzierten Programmen bzw. Vorhaben der Deckmantel einer europäischen Dimension umgehängt wird. Die dann ersparten Summen dienen der Entlastung des Landeshaushalts. Dies kann aber nicht der Sinn europäischer Förderung sein.
Aus liberaler Sicht ist die Strukturpolitik Anreiz und Antrieb für eine Region und bei ihrer Konzeption von vornherein davon auszugehen, dass die Fördermittel nach einer Übergangsphase auslaufen. Strukturfonds, die zu einer Dauersubvention bestimmter Regionen führen, verfehlen ihr Ziel.
Deutschland – damit auch Hessen – befindet sich in einem europapolitischen Förderdilemma. Ich will das deutlich einräumen. Das müssen wir als Landespolitiker auch sehen.Einerseits besteht natürlich ein nachvollziehbares Interesse, alle Mittel auszunutzen, die man für das Land Hessen nur bekommen kann. Da der deutsche Anteil an den EU-Finanzen aber nicht steigen darf, sondern sogar sinken soll, müssen wir andererseits darauf achten, dass die Strukturpolitik der Europäischen Union nicht ausufert.Woher, wenn nicht durch sinkende Ausgaben, sollen sinkende Beiträge kommen?
Welche Ausgaben sollen denn sinken? Die Ausgaben für die Agrarpolitik werden kaum sinken. Die Ausgaben für die Strukturpolitik sollen nicht sinken.
Deshalb müssen wir uns fragen:Wie kann es gelingen,diesen Haushalt entsprechend zu gestalten? Da stecken wir in einem Dilemma.
Je mehr Mittel wir von Europa haben wollen, umso mehr Mittel müssen wir vorher selbst eingezahlt haben. Dann haben wir aber am Schluss überhaupt nichts mehr gewonnen.
Die EU-Strukturpolitik darf nicht zu einem Milliarden verschlingenden Länderfinanzausgleich auf höherer Ebene verkommen; denn dass ein Finanzausgleich weder die Finanzen ausgleicht noch Leistungsanreize schafft,das wissen wir inzwischen aufgrund der Erfahrungen mit dem Länderfinanzausgleich in Deutschland ganz genau.
Deswegen ist dreierlei notwendig: Erstens. Die Verantwortung für den Einsatz der Regionalfondsmittel gehört auf die regionale Ebene,wo die Entscheidungen getroffen werden können, wo man den Bedarf wirklich kennt.
Das heißt für Deutschland: Die Verantwortung gehört auf die Länderebene. – Die Europäische Union hat genug damit zu tun, darauf zu achten, dass die Richtlinien der Förderpolitik eingehalten werden. Sie kann nicht auch noch die Entscheidungen treffen.
Zweitens. In den Mittelpunkt der Förderpolitik – dies gilt insbesondere für den Regionalfonds EFRE – sind Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in ausgewählten Branchen der Regionen zu stellen. Darüber hinaus bedarf es der Bereitstellung von Risikokapital und von Risikokapitalgarantien für kleine und mittlere Unternehmen. Außerdem brauchen wir Markteintrittshilfen für bislang nur regional tätige kleine und mittlere Unternehmen, die auf andere Märkte expandieren wollen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Der Sozialfonds ESF soll sich auf seine Kernaufgabe konzentrieren, die Verhinderung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Konzentration der Mittel auf Innovation, Wachstum und Mittelstandsförderung, bewusst wechselnde Förderschwerpunkte zur Vermeidung von Dauerunterstützung, strikte Beachtung des Mehrwerts europäischer Förderungen und Ansiedlung der Verwendungsentscheidung auf der Ebene, die am nächsten am Bedarf ist, nämlich die Länder – dies alles wird dazu führen, dass es uns gelingen wird, die Politik der Strukturförderung noch effizienter zu gestalten, als es der Fall ist, und mit weniger Mitteln auszukommen, als wir im Augenblick haben.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es bleibt zu hoffen, dass sich die Kolleginnen und Kollegen engagierter für die Europawahl einsetzen, als sie sich diesem Thema durch ihre Anwesenheit im Plenum widmen.
Über die Bedeutung der Strukturfonds ist schon einiges gesagt worden. Sie sind ein notwendiges Instrument der strukturellen Förderung,insbesondere der strukturschwachen Regionen. In Zahlen gesagt: Im Bewilligungszeitraum fließen 460 Millionen c nach Hessen. Das ist eine große Summe zur Gestaltung der Struktur in unserem Lande.
Ohne Zweifel sind die Strukturfonds aber reformbedürftig. Ich denke, das sollte auch ein Thema im Europaausschuss sein. Es steht außer Frage, dass die Förderrichtlinien, die Indikatoren angepasst und verändert werden
müssen. Es muss gelingen, Programme zu bündeln, überflüssige Zwischenbehörden und Bewilligungsschwellen abzubauen und das gesamte Bewilligungsverfahren zu vereinfachen und zu verkürzen. Außerdem fordern wir eine größere Transparenz für die Mittelbereitstellung und eine größere Klarheit im Aufbau der Fonds.
Zusätzlich muss künftig die Förderungswürdigkeit strukturschwacher Gebiete aus der regionalen statt aus der nationalen Sicht bewertet werden. Wir lehnen Pauschalzahlungen ab und fordern nach wie vor eine projektbezogene Förderung.
Dabei sollen die Maßnahmen horizontal und auch über die Ländergrenzen hinweg förderungswürdig sein. Das entspricht nämlich dem europäischen Gedanken.
Die Große Anfrage richtete sich an die Hessische Landesregierung und stellte Fragen zu dem Umgang mit den Mitteln aus den Fonds, den die Hessische Landesregierung an dieser Stelle pflegt.Wir können der Antwort entnehmen, in welchen Bereichen die Landesregierung kofinanziert.An vielen Stellen schweigt sie sich aber vornehm aus, in welcher Höhe sie die einzelnen Programme tatsächlich fördert. Herr Lennert, Sie haben die Landesregierung sehr pauschal gelobt. Ich denke, das hätte man doch ein wenig differenzierter betrachten sollen.
(Aloys Lenz (CDU): Sie können auch differenziert loben! Hauptsache,Sie loben Herrn Riebel! Das tut ihm gut!)
Wenn das ein Anlass zum Trommeln wäre, hätten Sie das getan. Es fällt schon auf, wenn Sie das nicht tun.
Ich gehe auf die Details noch ein,allerdings nicht in dem Sinne, wie Sie es sich wünschen, Herr Lenz.
Hessen wird auch in 2004 die erforderlichen Kofinanzierungsmittel für eine Inanspruchnahme aller zur Verfügung stehenden EU-Mittel in Höhe von 40,6 Millionen c bereitstellen.
Das hört sich eigentlich so an, als bliebe alles so, wie es ist, als würde bei keinem dieser Programme gekürzt. Ein wenig später steht in der Antwort aber folgender Satz:
Die beabsichtigten Mittelkürzungen betreffen die so genannten „zusätzlichen staatlichen Beihilfen“, die zusätzlich für die jeweiligen Maßnahmen als „top-ups“... zur Verfügung gestellt werden.
Das waren also genau die Mittel, mit denen die Landesregierung hätte gestaltend eingreifen können und nicht nur das mitgenommen hätte, was ihr zur Verfügung gestellt wird, ohne selber eigene Akzente zu setzen.