Vielen Dank Herr Minister. – Es gibt zu diesen beiden Aktuellen Stunden keine Wortmeldungen mehr. Damit sind Punkt 81 und 83 behandelt.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Sicherheitsrisiko Koch und Bouffier: Mehr Straf- taten – weniger Polizisten und Staatsanwälte) – Drucks. 16/2088 –
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Politik der CDU-Landesregierung gefährdet massiv die innere Sicherheit in Hessen. Ihre Politik schwächt die Polizei, und sie führt zu massiven Frustrationen und Verärgerung bei vielen Bürgern in Hessen.
Durch die verordnete Mehrarbeit bis zu 42 Wochenstunden – gestern wurde verniedlichend von Herrn Koch gesagt, die Beamten wurden gebeten, das so zu machen –, durch weniger Weihnachts- und Urlaubsgeld gibt es weitere massive Belastungen bei den fast 20.000 Polizeibeamten. So wirkt sich die Arbeitszeitverlängerung für die Polizeibeamten, die im Schichtdienst arbeiten, teilweise bis zu einer Mehrbelastung von 14, 15 Tagen im Jahr aus. Das sind keine Peanuts, das ist eine unglaubliche Mehrbelastung auf dem Rücken der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.
Innenminister Bouffier hat immer wieder, zuletzt bei der kursorischen Lesung des Haushaltsplanes, betont, es gebe keine Stellenkürzungen im Bereich der Vollzugspolizei. Nun ist die Katze aus dem Sack. 360 Stellen bei Vollzugsbeamten, 608 Stellen im Angestelltenbereich sollen in den nächsten Jahren gestrichen werden. Meine Damen und Herren, das ist ein Wortbruch gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern in Hessen.
Im Ergebnis bedeutet es, es gibt zukünftig weniger Polizeibeamte vor Ort, es gibt weniger Streifen und damit weniger effektive Kriminalitätsbekämpfung. Das ist genau der falsche Weg. Die Polizei muss weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar bleiben. Mit weniger Polizei ist das naturgemäß so nicht möglich.
Es ist auch der falsche Weg vor dem Hintergrund, dass in Hessen die Kriminalität vermutlich wieder steigen wird:
nach den uns vorliegenden Erkenntnissen – Sie haben im Innenausschuss nicht widersprochen – in diesem Jahr wahrscheinlich ein Anstieg der Kriminalität um 5 %, in den letzten zwei Jahren ein voraussichtlicher Anstieg der
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Boris Rhein (CDU): Sagen Sie einmal etwas zur Aufklärungsquote!)
In der „Bild“-Zeitung ist zu lesen: „Die Polizei klagt an“. – Damit klagt sie nicht nur den Ministerpräsidenten, sondern auch den zuständigen Innenminister an – zu Recht, meine Damen und Herren. Die Belastungen sind jetzt schon extrem.Allein in Frankfurt hat fast jeder Polizeibeamte 200 Überstunden mit sich herumzutragen. Weitere Großeinsätze werden ständig ausgerufen und lassen die enormen Belastungen wachsen. Frustration, Verärgerung und eine tiefe Verunsicherung sind der Fall.
Mit Placebomaßnahmen wie freiwilliger Polizeidienst, Wachpolizei und Videoüberwachung leisten Sie keinen wirklichen Beitrag zur Stärkung der inneren Sicherheit, Herr Innenminister.
Eine Videoüberwachung macht nur Sinn, wenn Sie auch das Personal rund um die Uhr zur Verfügung stellen. Sonst ist es nur ein Schaufensterantrag,wie Ihre ganze Politik eine Schaufensterpolitik ist.
Ich weiß, die Wahrheit tut weh. Die wollen Sie nicht hören.Wir sagen sie Ihnen trotzdem immer wieder.
Eine weitere Ungerechtigkeit: Die Einführung freiwilliger Polizeidienste drücken Sie auf die kommunale Ebene ab. Das ist ein Skandal. Diejenigen, die im Park Streife laufen,bekommen 7 c die Stunde.Feuerwehrleute,die ihr Leben aufs Spiel setzen, bekommen nichts, weil die Kommunen das nicht bezahlen können. Sie schaffen ein Ehrenamt erster und zweiter Klasse. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal.
Wer sich, wie dieser Innenminister, dann hinstellt und sagt: „All die Maßnahmen im Bereich des Innenministeriums sind zwar unangenehm, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die müssen wir machen“, wer behauptet, sie würden keine Einschränkung der polizeilichen Arbeit darstellen und den Schutz der Bürger nicht tangieren, der leidet entweder an Realitätsverlust oder täuscht bewusst die Öffentlichkeit. Beides ist gleich schlimm, um das an der Stelle deutlich zu sagen.
Herr Bouffier, schauen Sie sich einmal Ihre Reden an. Ihre Rede aus dem Jahr 1995, gerichtet an den damaligen Innenminister Gerhard Bökel, über Kürzungen im Polizeibereich – der Untergang des Abendlandes wurde heraufbeschworen. Das, was Sie machen, ist zehnmal schlim
mer und dramatischer in den Auswirkungen. Deswegen ist das Heuchelei pur, was Sie heute hier machen.
Hinzu kommt die Streichung von 160 Stellen bei den Staatsanwälten und Richtern.Auch das wird die Kriminalitätsbekämpfung behindern. Meine Damen und Herren, es bleibt dabei, diese Landesregierung und gerade dieser Innenminister werden immer mehr zu einem Sicherheitsrisiko in unserem Lande, und die politische Verantwortung dafür tragen Sie. Nein, meine Damen und Herren, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in die Polizei und die Sicherheit verlieren, dann hat das katastrophale Auswirkungen auf das, was wir alle wollen: den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität durch eine motivierte und gut ausgebildete Polizei,die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verdient.
Mit all den Maßnahmen, die Sie auf den Weg gebracht haben, wird genau das Vertrauen zerstört. Das ist einer der falschen Ansätze Ihrer Politik, einer falschen Politik, die auf dem Rücken der Beschäftigten, aber auch der Menschen in Hessen ausgeführt wird. Sie tragen die politische Verantwortung.
Wir fordern Sie auf: Kehren Sie um. Halten Sie einfach Ihre Wahlversprechen, und erzählen Sie keine „Tatsachen“, Sie müssten jetzt die Politik ändern, weil die Rahmenbedingungen schlecht seien. – Hier gilt der Satz auch für Sie, wenn Sie noch ein Stückchen Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit bewahren wollen: Das, was Sie vor der Wahl versprochen haben, muss auch nach der Wahl gelten. – Daher: keine Stellenkürzungen bei der Vollzugspolizei. Hierzu fordern wir Sie auf. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Rudolph, Ihr Beitrag, den Sie eben vorgetragen haben, war ein Luftballon ohne Hülle. Er platzte, ohne zu knallen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie kann der ohne Hülle platzen?)
Ich möchte an dieser Stelle gern die Gelegenheit nutzen, Ihr Erinnerungsvermögen ein wenig aufzufrischen. Es ist nämlich noch nicht allzu lange her, dass Rot-Grün in diesem Lande regiert hat. SPD und GRÜNE haben damals die Polizei mit museumsreifen Schrottschleudern auf Verbrecherjagd geschickt.
Sie von SPD und GRÜNEN haben die Polizei mit einem Fahndungssystem namens HEPOLAS belästigt, das leider nicht funktioniert hat.
Sie von SPD und GRÜNEN haben allein zwischen 1995 und 1999 bei der Polizei 400 Vollzugsstellen abgebaut.
Sie von SPD und GRÜNEN haben zwischen 1995 und 1999 die Ausbildungszahlen bei der hessischen Polizei massiv heruntergefahren – auf 181 Ausbildungsstellen im Jahre 1996. So viel zur Geschichte.
(Florian Rentsch (FDP): Unfassbar! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Kann man das noch einmal wiederholen?)