Wer wünscht Abschnitt I zuzustimmen? – Gegenprobe. – Stimmenthaltung? – Damit ist Abschnitt I einstimmig zugestimmt worden.
Wer wünscht Abschnitt II zuzustimmen? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist Abschnitt II mit den Stimmen der Fraktion der CDU gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen worden.
Meine Damen und Herren, bevor ich Tagesordnungspunkt 34 aufrufe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist: der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Personalvermittlungsstelle, Drucks. 16/2270. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall.Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 80 und wird zusammen mit den Tagesordnungspunkten 10 und 53 aufgerufen.
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Masterplan Bürokratieabbau des Bundes als Vorbild für die Landespolitik – Drucks. 16/2261 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend erfolgreicher Bürokratieabbau in Hessen – Drucks. 16/2265 –
auf. Wir haben 15 Minuten Redezeit vereinbart. – Herr Posch, es ist Ihr Setzantrag, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die allgemeine Unruhe im Saal lässt den Eindruck aufkommen,
als hätte dieses Thema nichts mit dem vorherigen Tagesordnungspunkt zu tun. Ich will das ausdrücklich verneinen. Das Thema Abbau von Bürokratie in Deutschland hat etwas mit der Osterweiterung der Europäischen
Union zu tun. Herr Kollege Bökel hat eben zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nach der Erweiterung der Europäischen Union im Wettbewerb mit den Beitrittsländern befindet. Sie haben völlig Recht; aber wir werden diesen Wettbewerb in der Europäischen Union nur dann bestehen, wenn wir in der Frage des Bürokratieabbaus in Deutschland etwas bewerkstelligen.
Die Wettbewerbsfähigkeit in unserem Lande ist dadurch beeinträchtigt, dass wir heute in unserem Lande Bürokratiekosten haben, die die Investitionsbereitschaft reduzieren. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir in der gegenwärtigen politischen und wirtschaftspolitischen Diskussion und Entwicklung benötigen.
Eine Vielzahl staatlicher Hilfen für deutsche Unternehmen,Subventionen und Förderprogramme,wäre entbehrlich, wenn die Bürokratiekosten in diesem Land zu Gründung niedriger wären. Jeder Euro niedrigere Genehmigungsgebühren, jedes schnellere Verfahren von Unternehmen oder zum Bau von Infrastruktur würden Spielraum für Investitionen und damit für den Erhalt und die Schaffung neuer Arbeitsplätze schaffen.
Wir haben es in Deutschland mit einer Entwicklung zu tun, dass die Gesetzgeber auf allen Ebenen geglaubt haben, alles und jedes regeln zu müssen. Die Gesetzgeber in Deutschland haben sich von der Überzeugung leiten lassen, Einzelfallgerechtigkeit in die Gesetze bringen zu müssen. Je mehr Einzelfallgerechtigkeit wir im Gesetz schaffen wollen, umso mehr Ungerechtigkeit haben wir am Schluss.
Die gute Absicht des Gesetzgebers, vieles im Detail zu regeln, bewirkt in Wahrheit das Gegenteil, weil damit die ökonomische Entwicklung dieses Landes schwer geschädigt wird. Bei der Frage des Bürokratieabbaus handelt es sich nicht um eine Frage des Verwaltungsabbaus, nicht um ein Tätigkeitsgebiet für Gesetzestechniker und Verwaltungsreformer, sondern es ist ein wirtschaftspolitisches Thema par excellence.
Das hat mittlerweile auch der Bundeswirtschaftsminister erkannt und deswegen erneut Vorschläge zum Bürokratieabbau vorgelegt. Der Bundeswirtschaftsminister kann einem Leid tun, denn die Kosten, die er über einen Bürokratieabbau einsparen würde, werden durch ein solch unsinniges Gesetzesvorhaben wie die Ausbildungsabgabe gerade einmal wieder kassiert.
Wir werden es an anderer Stelle in diesen Tagen noch zu diskutieren haben und haben uns auch in den letzten Plenarsitzungen mit dem Thema Ausbildungsplatzabgabe befasst. Diese Ausbildungsplatzabgabe verursacht einen Verwaltungsaufwand von 70 Millionen c und benötigt eine zusätzliche Behörde mit 500 Mitarbeitern. Das ist exakt das Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen, nämlich kein Bürokratieabbau.
Wie sieht die Situation in Hessen aus? – In der Legislaturperiode von 1999 bis 2003 haben wir 40 % der Verwal
tungsvorschriften und 15 % der Rechtsverordnungen,insgesamt 3.500 Regelungen in Form von Verwaltungsvorschriften aufgehoben. Wir haben das Landesplanungsrecht entrümpelt, und wir haben die Hessische Bauverordnung geändert, sodass genehmigungsfreies Bauen erlaubt wird. Weiterhin haben wir die Gesetze befristet. Dies hat die CDU-Fraktion zu einem zusätzlichen Antrag veranlasst, den wir ohne weiteres mittragen können, denn es ist das Ergebnis der Arbeit, die wir in den letzten vier Jahren gemeinsam erbracht haben.
Das ist eine eindrucksvolle Bilanz, ich füge aber hinzu:All das, was wir auf Landesebene tun, reicht nicht aus. Insgesamt ist das, was auf Bundesebene und Landesebene zu tun ist, bei Weitem noch nicht ausreichend. Die Länder haben nur einen eingeschränkten Spielraum, selbstständig Bürokratiekosten zu reduzieren, weil die Grundlagen vieler Vorschriften nicht in den Landesgesetzen, sondern in den Bundesgesetzen sind. Ich nenne nur ein paar Beispiele aus dem Katalog von Herrn Clement: Beseitigung von Drittwidersprüchen im Baurecht, eine Zweistufigkeit anstelle einer Dreistufigkeit bei der Aufstellung von Bebauungsplänen und Flächennutzungsplänen, die Umnutzung landwirtschaftlich genutzter Flächen im Außenbereich.All das sind Dinge, bei denen der eigentliche Regelungsbedarf nicht auf Landesebene sondern auf Bundesebene ist. Aus diesem Grund kann ich die Landesregierung nur auffordern, die Vorschläge im Bundesrat zu unterstützen, damit wir dann die gesetzliche Grundlage haben, die Folgebeschlüsse auf Landesebene umzusetzen.
Wie sieht die Situation eines mittelständischen Unternehmers aus? – Ich lasse noch einmal Revue passieren, was Ihnen wahrscheinlich auch häufig widerfährt:Wenn heute ein Sohn eines Unternehmers zum Bürgermeister kommt und sagt, er wolle das Unternehmens seines Vaters übernehmen und eine neue Maschinenhalle bauen, dann sagt der Bürgermeister, das sei wunderbar, man werde eine Baugenehmigung erteilen, und dann sei alles in Ordnung. Beim nächsten Gespräch sagt der Bürgermeister, er habe sich vertan, es gehe nicht mit einer Baugenehmigung, es müsse ein Bebauungsplan aufgestellt und der Flächennutzungsplan geändert werden. Bei der nächsten Besprechung sagt er dann, es sei gar nicht so einfach, dafür müsse der Regionalplan geändert werden, und zu dem Regionalplan müsse ein Abweichungsverfahren kommen. Ob man das hinbekomme, wisse man gar nicht so genau. Notfalls müsse die Regionalversammlung angewiesen werden, dieses Abweichungsverfahren durchzukriegen.
Meine Damen und Herren, Sie wissen das, ich könnte das jetzt bis zum Ende durchdeklinieren. Aber dass der Unternehmer sagt, er überlege sich, ob er die Maschinenhalle noch baue, ist doch wohl nachvollziehbar.
Hinzu kommt, dass am 20. Juni – wir sollten uns damit aktuell befassen – eine Regelung in Kraft treten wird, wonach auch bei den Bebauungsplänen und Flächennutzungsplänen die so genannte Plan-UVP durchzuführen ist. Ergo sagt der Bürgermeister, er werde seine Stadtverordneten bitten, den Aufstellungsbeschluss noch vor dem 20.06.2004 zu fassen, damit er dies nicht tun müsse.
Dies ist ein Beispiel, wie ein Unternehmer heute behandelt wird, welches bürokratische Gestrüpp er durchkämpfen muss, wenn er so etwas machen will.
Meine Damen und Herren,die Weltbank hat eine Analyse vorgelegt, in der sie 130 Staaten daraufhin untersucht hat, wo das bürokratische Dickicht am dichtesten ist. Dabei hat sich herausgestellt, die bürokratischen Hindernisse, die bei einer Unternehmensgründung zu überwinden sind und die staatlichen Eingriffe in den Arbeitsmarkt sind die entscheidenden Kriterien. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen durchgehen. Es steht allerdings fest, dass sich die Bundesrepublik Deutschland sowohl bei der Unternehmensgründung als auch beim Arbeitsmarkt immer auf den hintersten Rängen befindet. Bei der Regulierung des Arbeitsmarkts liegen gerade noch Spanien, Portugal und Griechenland hinter uns.
Wir befinden uns in allen diesen Bereichen im letzten Drittel, und das kann nicht angehen. Wenn man in Dänemark mit der höchsten Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt die schnellste Möglichkeit hat, ein Unternehmen zu gründen, dann will doch wohl niemand hier in diesem Lande behaupten, dass dort unsoziale Verhältnisse bestehen. Man hat dort die Situation erkannt und war bereit, etwas zu verändern.
Wir diskutieren im Moment die Einhaltung der 3-%-Defizitgrenze durch die Staaten der Europäischen Union. Ich bin sicher, auch dafür gilt das, was ich eben zur Osterweiterung der Europäischen Union gesagt habe. Wenn der Arbeitsmarkt in diesem Land flexibler wäre, hätten wir kein Problem,einen wirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Dann könnten letztendlich auch Probleme wie die Einhaltung der 3-%-Defizitgrenze bewältigt werden.
Erlauben Sie mir,auf zwei weitere Fragen einzugehen,mit denen wir uns beschäftigen müssen. Der Bundeswirtschaftsminister hat sie angesprochen. Zunächst einmal geht es um die Verdingungsordnung. Wir sind auf dem besten Wege, im Vergaberecht einen bürokratischen Dschungel entstehen zu lassen, der dem ursprünglichen Gedanken, einen europaweiten Wettbewerb zuzulassen, entgegenwirkt. Es macht keinen Sinn, dass wir bei der Vergabe nach VOB eine Grenze von 6 Millionen c haben. Ein mittelständisches Unternehmen, das wegen eines solchen Investitionsvolumens nach Luxemburg laufen muss, um sich dort die Antragsformulare abzuholen und sie anschließend auszufüllen, wird sich an einer derartigen Ausschreibung nicht beteiligen, und das zu Recht. Aber das schadet der wirtschaftlichen Entwicklung.
Deswegen möchte ich die Landesregierung auffordern, in dieser Frage aktiv zu werden. Ich weiß, dass im Bundestag über dieses Thema diskutiert wird. Ich sehe überhaupt keinen Grund dafür, eine solche Grenze beizubehalten. Nach Ansicht der FDP wäre es durchaus vertretbar, diese Grenze auf einen Betrag von 25 Millionen c anzuheben. Das würde bedeuten, dass regionale Unternehmen eine wesentlich größere Chance hätten, auf dem hessischen Markt aktiv zu werden und Bauinvestitionen zu tätigen. Wir müssen davon abgehen, bei einem Auftrag, dessen Volumen knapp über dieser Schwelle liegt, ein europaweites Vergabeverfahren durchzuführen. Das ist schlicht und ergreifend nicht mehr vertretbar.
Lassen Sie mich deswegen einen zweiten Punkt ansprechen, den wir hier in einem anderen Zusammenhang immer wieder diskutiert haben. Es geht um die Genehmigungsverfahren. Die FDP-Fraktion hat in einer der letzten Plenarsitzungen einen Antrag eingebracht, den wir in dem zuständigen Ausschuss behandeln. Darin geht es um das Verhältnis der Planfeststellungsverfahren zu den Raumordnungsverfahren:Wo können wir darauf verzichten?
(Jürgen Walter (SPD): Sie schaffen doch lauter neue Gremien! Das haben wir gestern gehört! Das finden Sie gut! Ist das Entbürokratisierung? – Gegenruf des Abg.Jörg-Uwe Hahn (FDP):Das war doch nur ein Scherz!)
Mit Verlaub, Sie haben nicht zugehört. Wir diskutieren das Thema im Ausschuss, und der Ausschuss ist kein zusätzliches Gremium.
Ich habe über das größte Projekt, das wir im Rahmen der hessischen Landespolitik zu realisieren haben, noch einmal nachgedacht. Es handelt sich um den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Wir als Politiker – als Gesetzgeber – nehmen es fast klaglos hin, dass es eine unglaubliche Zahl von Möglichkeiten gibt,ein solches Verfahren zu torpedieren. Ich bin einmal durchgegangen, wie viele Möglichkeiten es bei einem solch großen Projekt gibt, den Rechtsweg zu beschreiten. Dabei bin ich auf zwölf Möglichkeiten gekommen.
Das fängt mit der Klagemöglichkeit an, wenn es darum geht, Betretungsrechte auszusprechen. Weiter geht es mit den unterschiedlichen Verfahren hinsichtlich der luftverkehrsrechtlichen Genehmigungen, der Betriebsgenehmigungen und der Planfeststellung. Hinzu kommt, dass wir die europarechtlichen Regelungen immer mehr als ein Instrument begreifen müssen, das in nationale Verwaltungsstreitverfahren Eingang findet. Jede Rechtsstreitigkeit kann, wenn man sich auf europarechtliche Regelungen beruft, dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden.
Klagen wegen der Betretungsrechte, Klagen gegen den Bestand, Klagen gegen Lärmkontingente, Klagen gegen den Landesentwicklungsplan – all das halten wir nicht für vertretbar. Wir sind der Auffassung, dass wir, wenn das Land Hessen wettbewerbsfähig bleiben will, weiter gehende Reformen in Angriff nehmen müssen, die beispielsweise darin bestehen, solche Verfahren zusammenzuführen.
Deswegen will ich einem Eindruck gleich widersprechen. Es geht nicht darum, die Belange der Menschen nicht mehr ausreichend zu berücksichtigen. Ich kann sowohl die Belange der Menschen als auch die des Umwelt- und des Naturschutzes in gleicher Weise berücksichtigen. Aber man braucht nicht eine solche Vielschichtigkeit der Verfahren zu haben; denn diese Vielschichtigkeit der Verfahren – mit ihren jeweiligen Rechtsmöglichkeiten – führt dazu, dass wir nicht mehr in der Lage sind, große Infrastrukturvorhaben zu realisieren.