Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

Ich möchte Ihnen zum Schluss auch sagen, was Bundesbankpräsident Axel Weber heute gesagt hat. Er fordert die Bundesregierung zum Festhalten am Sparkurs auf. Einsparpotenzial gebe es vor allen Dingen bei hohen konsumtiven Staatsausgaben.

Meine Damen und Herren, wenn Sie selbst schon nicht zu Weisheiten kommen, hören Sie wenigstens auf Leute, die etwas davon verstehen. Alle sagen, dass das Defizitkriterium von 3 % nicht gerissen werden darf. Sparen ist angesagt, nicht Geldausgeben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Milde. – Das Wort hat Kollege Kahl, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Milde, wenn die Worte Schulden und Chaos fallen, sind wir sofort bei dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU)

Der zweite Punkt. Wenn es um die Entmachtung des Finanzministers geht, sind wir genau wieder bei diesem Finanzminister, denn der Haushalt 2004 ist von der Staatskanzlei gemacht worden,und der Finanzminister muss ihn ausführen. Das sind die Realitäten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU und des Ministers Karlheinz Weimar)

Diese Aktuelle Stunde ist weiter nichts als eine doppelte Ablenkung, eine Ablenkung von Ihrer widersprüchlichen Finanzpolitik auf Bundesebene und ganz besonders eine Ablenkung von Ihrer Verantwortung für die Rekordschulden des Landes Hessen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auf Bundesebene propagieren Sie ein Steuerkonzept, das mindestens 10 bis 16 Milliarden c an Steuermindereinnahmen bringen wird, und eine Kopfpauschale im Gesundheitswesen, die den Steuerzahler deutlich mehr als 20 Milliarden c kostet. Beide Vorschläge sind das glatte Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit. Sie sind nicht finanzierbar und ruinieren die Staatsfinanzen. Das ist die Realität.

(Beifall bei der SPD)

Was fällt Ihnen zu Herrn Merz nur ein? – Weitere Kürzungen und weitere drastische Einschnitte ins soziale Netz – mehr haben Sie in Berlin doch nicht drauf, um das klar und deutlich zu sagen. Und die Kommunalfinanzen? – Sie wollen doch auf Bundesebene die Gewerbesteuer abschaffen, die wichtigste Einnahmequelle für die Kommunen. Dies gefährdet die kommunale Selbstverwaltung.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie über Schulden reden, sind wir sofort bei Ihrer Finanzpolitik. Dazu nur einige wenige Fakten: das RheinMain-Gebiet steigt ab, schlechte Daten bei der Arbeitslosigkeit, Hessen hat schlechte Daten, schlechtere Daten als Rheinland-Pfalz, bei der Jugendarbeitslosigkeit ebenfalls schlechte Daten. – Ganz harte Fakten sind: die Finanzkraft, ein objektives Kriterium für die Steuerkraft im Vergleich zu anderen Bundesländern – auch hier hat Hessen deutlich schlechtere Ergebnisse –,

(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU):Als wer denn?)

vier verfassungswidrige Haushalte in Folge und ein Schuldenrekord nach dem anderen. Als Ergebnis wurde Hessen im Ranking folgerichtig abgestuft.Das ist die Realität.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Auswirkung auf die Kommunen? – Über Jahre haben Sie aus dem KFA den Kommunen Gelder vorenthalten.

(Clemens Reif (CDU):Woher wissen Sie das alles?)

Mit Ihrer „Operation düstere Zukunft“ gefährden Sie die soziale Infrastruktur vor Ort und kippen den Kommunen die Probleme vor deren Tür. – Jetzt nur noch eine Zahl. Die Schlüsselzuweisungen haben Sie trotz Steuermehreinnahmen in diesem Jahr um über 18 % gekürzt. Das ist beispiellos in der hessischen Geschichte.

(Beifall bei der SPD)

Mit einer solchen finanzpolitischen Negativbilanz Schuldzuweisungen in Richtung Berlin zu äußern ist und bleibt eine reine Ablenkung.

Wenige Bemerkungen zu Berlin und Deutschland: Deutschland braucht Wachstum. Die jüngste Prognose der OECD bescheinigt, dass Deutschland wieder Exportweltmeister ist. Trotz des starken Euros hat die deutsche Wirtschaft ihre internationale Konkurrenzfähigkeit unter

Beweis gestellt. Die Agenda 2010 wird von der OECD eindeutig und ausdrücklich begrüßt.

(Beifall bei der SPD)

Aktuell muss die Finanzpolitik für bessere Wachstumswerte sorgen. Dazu gehört auch die Mobilisierung der öffentlichen und privaten Nachfrage. Mittelfristig gibt es auch im Interesse der Generationengerechtigkeit keine Alternative zum Konsolidierungskurs, wobei klar ist, die Konsolidierung kann nur mit mehr Wachstum gelingen.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig – das ist die Schwierigkeit – müssen durch klare Prioritätensetzung auch Mittel für Zukunftsinvestitionen, Forschung und Bildung frei gemacht werden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Kollege Milde, die Bundesregierung stellt sich diesen Herausforderungen auch in schwierigen Zeiten.Auch hier bietet Hessen das negative Kontrastprogramm durch von Ihnen beschlossene Einschnitte bei der Bildung und beim Hochschulpakt.Auch das machen Sie falsch. Sie gefährden die Zukunft des Landes.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, über die Finanzpolitik ließe sich noch mit vielen Fakten reden. Dafür ist eine Aktuelle Stunde alles andere als geeignet. Stellen wir zum Schluss ganz klar fest, weil in Ihrem Antrag betreffend eine Aktuelle Stunde „ruiniert Länder und Kommunen“ stand: Meine Damen und Herren, das Ruinieren der Länderfinanzen und der Kommunalfinanzen machen in Hessen Koch und Weimar selbst – mit immer neuen Schuldenrekorden.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kahl. – Das Wort hat der Kollege von Hunnius, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kahl,auch die Tatsache,dass Sie aus der sympathischen Gemeinde Vöhl kommen, erlaubt Ihnen noch nicht, hier jeden Unsinn zu erzählen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie haben gerade gesagt, mittelfristig gebe es keine Alternative zum Konsolidierungskurs. Da haben Sie voll und ganz Recht. Ich füge hinzu: Die Mittelfrist beginnt mit dem Abtritt der Regierung in Berlin.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lachen bei der SPD)

Deutschland ist Spitze. Da gebe ich Ihnen Recht. Aber Deutschland ist Spitze im Aufnehmen von Schulden.

(Beifall bei der FDP)

2004 und 2005 macht Deutschland mehr Schulden als jedes andere Land im Euro-Raum, mehr Schulden als Frankreich, Italien, Griechenland, die Niederlande, Portugal, Luxemburg, Österreich, Irland und Belgien.

(Zurufe von der SPD)

Spanien und Finnland haben ihren Haushalt sogar ohne neue Schulden hinbekommen.Auf deutsche „Spitzenleistung“ können drei Männer stolz sein: erstens Bundeskanzler Gerhard Schröder, der sich am Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen wollte, zweitens Bundesarbeits- und Wirtschaftsminister Clement, der den Arbeitslosen mit einer modernen Arbeitsverwaltung neue Perspektiven geben wollte, und drittens Bundesfinanzminister Hans Eichel, der als Haushaltskonsolidierer antrat, aber nur in einem Jahr Schulden abbaute. Da half ihm der UMTS-Zufall.

(Beifall bei der FDP)

Seitdem pfeift er auf die Stabilitätskriterien.

An dem Scherbenhaufen, vor dem die Bundesregierung steht, sind nicht in erster Linie die schwache Weltwirtschaft, nicht der starke Euro und nicht der böse Stabilitätspakt schuld.Denn diese drei Einflussfaktoren gibt es auch in Frankreich, Italien, Griechenland, den Niederlanden, Portugal,Luxemburg,Österreich,Irland,Belgien,Spanien und Finnland. Nein, der entscheidende Unterschied zwischen Deutschland und den übrigen elf Ländern des Euro-Raumes ist Folgender: Deutschland ist mit einer Regierung gestraft, die noch nicht einmal dazu fähig ist, die eigene Unfähigkeit zu erkennen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Bei der Einhaltung der Stabilitätskriterien geht es doch nicht darum, starre Regeln auf einem inzwischen vergilbten Papier zu erfüllen. Es geht auch nicht darum, einen Brüsseler Kommissar zufrieden zu stellen,sondern es geht um nichts weniger als das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Stabilität der Währung und die Verlässlichkeit der Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Beides ist dank der völlig verfehlten Politik in Berlin dahin. Der auf Betreiben Deutschlands abgeschlossene Europäische Stabilitätspakt wird zum vierten Mal in Folge vorsätzlich verletzt. Er hat, wie die „Wirtschaftswoche“ schreibt, „für die Berliner Regierung politisch keine Bedeutung mehr“. Das ist weiß Gott schlimm genug.