Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat mit dem OFFENSIV-Gesetz bereits Vorschläge gemacht,die wir schon vier Jahre lang und seit Beginn dieser Legislaturperiode hätten anpacken können. Das haben Sie aber verhindert.
Ich komme zum Schluss. Für die Union gilt:Was vernünftig ist, werden wir mittragen. Die Bundesregierung ist am Zug. Wir sind der Meinung der FDP, dass den Ankündigungen endlich Taten folgen müssen.
Wenn der Bundeskanzler aber nicht mehr fähig ist, in wichtigen Reformvorhaben eigene Mehrheiten aufzustellen, sollte er besser im Kanzleramt und im Willy-BrandtHaus die Koffer packen und gehen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Brückmann und Herr Denzin, meine Fraktion und ich sind sehr verwundert über den bisherigen Verlauf der Debatte, denn das, was bisher von der FDP und der CDU – vor allem von der CDU – hier gesagt worden ist, wird dem Ernst der Themen, die wir hier und heute diskutieren, wirklich nicht gerecht.
Herr Brückmann,die Frage ist – die sollten gerade Sie sich stellen –: Haben Sie in der bisherigen Debatte und in Ihrem Debattenbeitrag Wege aufgezeigt, wie die unzweifelhaft vorhandenen Probleme in diesem Lande zu lösen sind,oder haben Sie nur kleines parteipolitisches Karo benutzt? Ich muss sagen: leider kleines parteipolitisches Karo.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Was wollen Sie denn noch hören? Wer regiert denn in Deutschland?)
Sie haben richtigerweise einen Punkt angesprochen, nämlich die Tatsache, dass wir im April dieses Jahres eine sehr, sehr hohe Arbeitslosenzahl – bundesweit 4,5 Millionen – hatten. Das ist eine Zahl, die niemanden in diesem Parlament, der Verantwortung trägt, ruhig lassen darf. Sie haben allerdings eines vergessen: Vor einer Stunde hat das Landesarbeitsamt die hessischen Zahlen veröffentlicht. Wir haben im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von 13,4 % bei den Erwerbslosen in Hessen.Was noch schlimmer ist: Bei den unter 25-Jährigen haben wir einen Zuwachs von 17,3 %. Deswegen reicht hier das kleine parteipolitische Karo nicht mehr, sondern wir müssen die Probleme in diesem Lande lösen.
Der Antrag der FDP,auch wenn er ein Setzpunkt der FDP ist – auch wenn kaum noch ein FDP-ler im Raum ist; das
ist bezeichnend für das, was wir heute Morgen erlebt haben –, war natürlich der Versuch, hier ein Spielchen zu treiben. Herr Denzin, wie Ihre Rede gezeigt hat, haben Sie dieses Spielchen allerdings nicht zu Ende gedacht.Wer hier nämlich sagt, er wolle mit der Unterstützung der Agenda 2010 Ernst machen, muss dann unserem Ergänzungsantrag zustimmen oder ihn übernehmen.
Natürlich ist in der Agenda 2010 auch enthalten, dass mit dem Monopol der Kassenärztlichen Vereinigung im Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland endlich Schluss gemacht wird. Das ist ein wichtiger Schritt.
In der Agenda 2010, die die FDP unterstützen will, ist auch etwas enthalten, was wir GRÜNEN schon seit langem fordern, nämlich dass es bei der Gründung von Betrieben im Handwerk keinen Meisterzwang mehr geben darf.
Herr Denzin, natürlich ist darin auch enthalten, dass wir mehr Ausbildungsplätze brauchen, dass aber, wenn die Wirtschaft ihre Zusagen nicht einhält, auch eine Ausbildungsumlage konkret beschlossen wird.
Dabei hilft es nicht, wenn man sagt: „Na gut, wir unterstützen die Agenda 2010 komplett“,um dann,wenn einem drei bestimmte Punkte nicht gefallen, hinzuzufügen: So konkret kann man das nicht sehen, man muss das Ganze globaler betrachten. – Herr Kollege Denzin, so geht das nicht.
Deswegen: Beweisen Sie das nachher.Wir werden bei den Abstimmungen sehen, wie Sie sich verhalten. Wenn Sie unserem Änderungsantrag, der Ihren Antrag ergänzen soll, nicht zustimmen, beweisen Sie, dass es Ihnen hier nur um Klamauk ging, nicht aber darum, die Probleme in diesem Land wirklich zu lösen.
Für die Union gilt das ebenfalls. Die Lage ist zu ernst, als dass wir uns weiterhin solche Spielchen leisten könnten. Ich möchte Ihnen an konkreten Punkten sagen, wo Sie Spielchen treiben.
Sie sagen immer, es müsse sich alles ändern, und wir benötigten Gesamtreformen. Dann nehmen Sie einen kleinen Einzelpunkt nach dem anderen heraus und sagen: hier aber nicht. – Dazu möchte ich Ihnen drei Beispiele nennen, die hier heute und morgen auf der Tagesordnung stehen.
Wer sagt,er sei für Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt, kann doch nicht ernsthaft im Parlament einen Antrag einbringen, wonach der Meisterbrief weiterhin die Voraussetzung bleiben müsse, um im Handwerk einen Betrieb gründen zu können. Dieser Antrag steht hier auf der Tagesordnung. Er ist von der CDU eingebracht worden.
Wer der Meinung ist, dass wir die Lohnnebenkosten senken und gerade im Hinblick auf die Krankenkassen zu Lösungen kommen müssten, kann sich nicht hierhin stel
len und sagen – das ist morgen Abend ebenfalls auf der Tagesordnung –: Die Positivliste darf nicht sein. – Meine Damen und Herren, so billig geht es nicht mehr.
Wenn sich CDU und CSU einigen und wenn ich lese, dass der CSU-Chef Edmund Stoiber gestern gesagt hat, ein Konsens mit der Bundesregierung sei möglich, erfolge aber nur auf der Basis der Unionspolitik, muss ich schlicht und einfach feststellen, dass Sie Konsens mit Kapitulation verwechseln und nicht daran interessiert sind, dass wir hier zu gemeinsamen Lösungen kommen.
Es ist kein Geheimnis, dass wir hessischen GRÜNEN zwar an einigen Punkten der Agenda 2010 Verbesserungen im Detail wollen, dass wir uns aber von einigen in der SPD, die Fundamentalkritik üben, unterscheiden. Wir kennen den „Hessischen Landboten“, und wir schätzen Georg Büchner. Wir bezweifeln nur, dass er uns im Jahr 2003 wirklich weiterhilft.
In jeder Partei gibt es Kritiker. Diese heißen einmal Ottmar Schreiner, dann Christian Ströbele oder auch Gerald Weiß – der hat sich gestern ebenfalls dementsprechend geäußert. Ich glaube, es ist gut, dass es diese Kritiker gibt; denn wir wären keine demokratischen Parteien mehr, wenn wir angesichts solch harter Einschnitte, die teilweise auch in der Agenda 2010 enthalten sind, einfach nur noch sagten, es werde nicht mehr diskutiert.
SPD und GRÜNE haben für den nächsten Monat Sonderparteitage einberufen, damit am Ende die unterschiedlichen Positionen zu einem gemeinsamen Weg zusammengeführt werden, der auch beschlossen wird. Dann wird es nämlich spannend, weil sich die Frage stellt, wie sich die Hessische Landesregierung bei den zustimmungspflichtigen Teilen im Bundesrat verhält. Es wird interessant, zu sehen, ob Sie daran interessiert sind, Probleme in diesem Land zu lösen, oder nur daran, hier etwas zu blockieren.
Meine Damen und Herren, diese Blockade schadet Ihnen irgendwann selbst. Ich sage Ihnen auch, warum das so ist. Jede Opposition von heute ist die Regierung von morgen. Ich hoffe, dass es im Hessischen Landtag schneller geht.
Ich hoffe, dass das auf Bundesebene erst eines möglichst fernen Tages der Fall ist. Aber irgendwann wird das passieren.
Je mehr Sie blockieren und die nötigen Reformen in diesem Land verschleppen, umso schwieriger wird es, wenn Sie eines hoffentlich fernen Tages auch auf Bundesebene einmal wieder die Regierungsverantwortung übernehmen. Deswegen ist es eine Gesamtaufgabe der Gesellschaft, diese Probleme zu lösen. So einfach ist die Sache.
In der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik hat sich in den letzten 20 Jahren ein großer Handlungsbedarf aufgestaut. Deswegen finde ich es auch spannend, wenn die FDP von „Reformstau“ redet. Die FDP war nämlich bis 1998 insgesamt 27 Jahre in Folge an der Bundesregierung beteiligt.
Wir haben 1998 angefangen, bestimmte Punkte zu korrigieren. Wir haben die kapitalgedeckte private Vorsorge als zweite Säule in die Rentenversicherung eingeführt. Wir haben eine Steuerreform umgesetzt, die alle Steuerzahlerinnen und -zahler entlastet, die sowohl den Eingangssteuersatz als auch den Spitzensteuersatz gesenkt, die den Eingangsfreibetrag erhöht und insgesamt dazu geführt hat, dass die Steuerquote in Deutschland – auch im europäischen Vergleich – nicht mehr das Problem ist.
Wir haben in Deutschland nicht zu hohe Steuerquoten, sondern zu hohe Lohnnebenkosten und deshalb eine zu hohe Abgabenquote. Deswegen muss man bei den Lohnnebenkosten anfangen, statt weiterhin die Ideologie von einer zu hohen Steuerquote vor sich herzutragen.
Wir glauben, dass wir in den letzten vier Jahren vieles auf den Weg gebracht haben.Aber wir sind uns auch der Tatsache bewusst, dass diese Schritte nicht ausgereicht haben, um die sozialen Sicherungssysteme auf eine langfristig solide Basis zu stellen.
Deswegen haben wir eine Aufgabe. Vor der Aufgabe stehen wir und auch dieses ganze Land.Wir müssen nämlich erklären, warum wir das machen, was wir jetzt machen, und dass es drei Bereiche gibt. Wir müssen die kurzfristigen Probleme der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme in der Rentenversicherung, im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit und in der Krankenversicherung lösen. Wir müssen die Lohnnebenkosten mittelfristig nicht nur stabilisieren, sondern sogar senken, weil – ich habe schon die Abgabenquote angesprochen – das eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu mehr Beschäftigung in Deutschland ist. Das bedeutet mehr Arbeit durch eine Entlastung der Arbeitgeber. Es bedeutet aber auch mehr Nettoverdienst für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das wird in der Diskussion oft vergessen.
Außerdem müssen wir langfristig die Sicherung und die Neudefinition des Sozialstaats betreiben. Dabei gilt, dass wir Probleme haben, vor denen jeder steht, der in der Verantwortung ist, ob er nun in der Landesregierung oder in der Bundesregierung Verantwortung trägt: demographischer Wandel, Veränderungen in der Arbeitswelt – z. B. auch die Frage nach der Lebensarbeitszeit, nach dem Berufseintritt und dem Berufsaustritt –, eine Globalisierung, die nicht gestoppt ist, Herr Denzin, sondern die dazu führt, dass inzwischen nicht nur einzelne Unternehmen, sondern einzelne Volkswirtschaften miteinander konkurrieren, und vielfältige, wachsende Ansprüche an die Leistungen des Sozialstaats.
Deshalb ist es richtig und notwendig, dass die Maßnahmenbündel der Agenda 2010 in ein langfristiges Konzept einer solidarischen Gesellschaft eingebunden und auch weiterentwickelt werden. Wir halten viele der in der Agenda 2010 vorgeschlagenen Maßnahmen, die Wirtschaft und Arbeit, soziale Sicherungssysteme, das Gesundheitswesen, die Konsolidierung des Haushalts, die Stärkung der Investitionskraft der Kommunen und die Verstetigung der Einnahmen der Kommunen betreffen, für einen richtigen Schritt.