Nein, nein, ich unterstelle hier jedem ernsthaftes Ringen, jedem. Das ist ein Thema, das auch sehr ins Innere geht. Deshalb unterstelle ich wirklich jedem hier bestes Wollen.
Aber klar muss sein: Entweder gilt der Grundsatz – Aufenthaltsrecht ja, wer keines hat, muss gehen; in der Not Hilfe; wenn die Not vorbei ist, dann gehen wir nach Hause –, oder wir nehmen eine andere Grundhaltung ein. Die Masse der Fälle, um die es geht, stammt aus BosnienHerzegowina, der Türkei oder Rumänien. Da müssen wir den Menschen auch sagen, dass Rumänien in die EU aufgenommen werden will, in der NATO ist, wir aber in der Lage sind – aus Gründen, die man dann erklären muss –, zu sagen, dorthin können wir Menschen nicht mehr zurückbringen.
Dann sollten wir das auch so miteinander verhandeln. Man kann diese Position ja haben. – Doch, doch, ich weiß genau, wovon ich rede. Denn ich bekomme immer diese Briefe, nach dem Motto, das sei alles unmenschlich. – Das ist nicht unmenschlich.
Deshalb bleibe ich dabei: An der Rechtslage hat sich eigentlich nur ein einziger Sachverhalt verändert.
Jetzt kann gemäß § 23a durch die Feststellung einer Kommission ein Härtefall erkannt werden. Frau Kollegin Waschke, die Kommission entscheidet nicht. Die Kommission kann nur Vorschläge an den Innenminister machen,und der muss am Schluss entscheiden.Aufgrund dieser Möglichkeit, dass eine Kommission erkannt hat, das sei ein Härtefall, hätten wir die Möglichkeit, jenseits des üblichen Ausländerrechts zu sagen, er kann hier bleiben. Darin liegt die Besonderheit.
Darum geht es. Und ich sage Ihnen für die Landesregierung: Da machen wir mit. Es bleibt beim Grundsatz. Warum die Einrichtung einer Kommission? – Die Einrichtung einer Kommission deshalb, um prüfen zu können: Haben wir einen Fall, der so außergewöhnlich ist, wo die Dinge so stehen, dass die formale Rechtsfrage keinen Handlungsspielraum gibt, der aber nach Meinung dieses Gremiums und im Ergebnis auch nach meiner Meinung dazu führt, zu sagen, das ist dieser berühmte Ausnahmefall? – Um die Chance zu haben, zu prüfen, ob es einen solchen Fall gibt – den wird es geben – und wie wir damit
umgehen, vertreten wir die Auffassung, es soll eine Kommission geben. Das können wir also einmal zur Seite legen.
Vorher habe ich ganz bewusst gesagt, dass es eine Ausnahme ist,und es wird die seltene Ausnahme und nicht die Regel sein.All denjenigen, die mir – auch öffentlich – mitteilen, was sie machen soll, sage ich heute im Landtag, damit ich es nicht wiederholen muss: Das werden Enttäuschungen sein. – Ich habe in Gesprächen mit Bischöfen und Kirchenpräsidenten des Landes gesagt: Ich kenne Ihre Synodalbeschlüsse. Diesen Synodalbeschlüssen werde ich nicht entsprechen, denn darin steht wörtlich und so ähnlich wie in den Anträgen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Entscheidung im Moment einmal auszusetzen, sodass alle die, die hier schon länger leben und wie auch immer integriert sind,via Härtefall ein Daueraufenthaltsrecht bekommen sollen. – Das geht nicht.
Weil das viele Menschen sind, wird es Enttäuschungen geben. Wir werden gemeinsam darum zu ringen haben – da sind wir noch nicht am Ende der Debatte –, wie wir ein Kriterium finden und was klug ist, ob man das alles aufschreiben oder der Situation überlassen soll. Ich halte beides für eine kluge Überlegung.Aber es muss deutlich werden, dass es nicht sein kann, dass aus dem Ausnahmefall der Regelfall wird.Also eine Kommission.
Zweiter Punkt. Meine Damen und Herren, ich will Sie nicht so lange auf das Mittagessen warten lassen. Aber es ist ein Thema, was uns alle außergewöhnlich beschäftigt. Wer soll diese Kommission eigentlich sein? Ich vertrete ausdrücklich die Auffassung, dass ich es für wichtig halte, den Petitionsausschuss mit dieser Aufgabe zu betrauen. Warum?
Ich bin dankbar, dass wir die Dinge deutlich herausarbeiten. Deshalb bin ich für Klarheit. Kollege Frömmrich, ich habe gar nichts gegen die Kirchen. Ich arbeite hervorragend mit ihnen zusammen. Viel spannender war das, was Dr. Jürgens gesagt hat. Er hat mit Tremolo in der Stimme erklärt: Wir wollen staatsferne und nicht staatsnahe Gremien haben. – Genau das wollen wir nicht, lieber Herr Dr. Jürgens.
Es kann doch nicht sein, dass wir für entscheidende Fragen des Staates, die Frage der Arbeitserlaubnis, all das, was daran hängt, irgendjemand Hochwerten mit viel Sachverstand, aber ohne jede Verantwortung nehmen
Es kann doch nicht sein, dass eine solche Frage erörtert wird, ohne das gesamte Interesse zu berücksichtigen. Zu diesem gesamten Interesse gehört die Frage – damit wir wissen, von was wir reden –, wie wir mit einer Familie, bestehend aus neun Personen, umgehen, kein einziger erwerbstätig, weil sieben Kinder, Frau nicht erwerbsfähig und der Mann – –
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber die Erwerbstätigkeit steht doch in der Härtefallregelung!)
Natürlich ist das wahr. Es sind alles praktische Fälle, die Sie kennen.Wenn man dann entscheidet und sagt, wir halten das für eine besonders tragische Geschichte, das könnte ein Härtefall sein, muss man die Entscheidung mit treffen und sagen: Dann bezahlen wir für diese Familie auch die nächsten Jahrzehnte Sozialhilfe. – Das halte ich gegebenenfalls für richtig. Ich sage es aber vorher.
Das zweite Thema in diesem Zusammenhang. Wenn sich eine Gemeinschaft entscheidet, zu sagen: „Du bleibst letztlich in Form einer Gnade hier, obwohl die Rechtsregeln anders sind“, dann muss man überlegen: Finden wir beim Publikum dafür auch die Akzeptanz – nicht nur heute und auf der Bühne, wenn alle Gutmenschen beisammen sind? Ist diese Akzeptanz auch in Stadtvierteln vorhanden, die schwierig sind, in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit?
Ist diese Akzeptanz auch bei Menschen vorhanden, die sich Sorgen um ihre eigene Zukunft machen? – Dann wird die Sache immer spannend. Ich sage Ihnen, dann müssen wir vielleicht gemeinsam kämpfen und sagen: Jawohl, wir sind dieser Meinung. – Aber das herauszuschieben auf die Ebene aller Guten und Edlen, und zurück bleiben die, die für das Unfeine zuständig sind, das ist genau das, was nach meiner Überzeugung falsch ist, meine Damen und Herren.
Ich füge hinzu, die Kommission wird im Wege der Selbstbefassung tätig. Es gibt keinen individuellen Rechtsanspruch irgendeines Anspruchstellers. Ich denke, das ist auch im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz richtig. Schauen Sie sich aber einmal die Arbeit des Petitionsausschusses an. 60 % der Petitionen sind Ausländerpetitionen. Das heißt, wir haben dort schon ein hohes Maß der Befassung mit diesem Thema. Niemand ist ausgeschlossen, weitere Sachkunde herbeizuführen.
Wenn ich in einem Brief, den ich von einer Kirchengemeinde bekommen habe,lese,es würde sich immer wieder herausstellen, dass grobe Fehler bei den Behörden stattfinden – meine Damen und Herren,es gibt keinen Rechtsbereich, der so intensiv, so häufig durch Gerichte überprüft wird wie dieser Sachverhalt. Deshalb glaube ich, dass es dort nicht nur die Sachkunde gibt,es gibt dort auch die Gesamtverantwortung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, ich kann das für alle 110 Abgeordneten und diejenigen, die in dem Ausschuss tätig sind, sagen:
Dort gibt es doch keine Menschen, die vernagelt sind, die nicht auch Herz haben, die nicht auch Gefühle haben, aber Menschen, die auch eine Gesamtverantwortung haben. – Deswegen halte ich es für richtig, so zu verfahren, wie es von den Fraktionen der CDU und der FDP vorgetragen worden ist.
Herr Bouffier, Frau Waschke hat sich für eine Zwischenfrage zu Wort gemeldet. Lassen Sie grundsätzlich keine Fragen zu? – Dann ist das beantwortet.
Ich möchte eine abschließende Bemerkung zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN machen, in dem sie wörtlich fordern, nahezu wortgleich, man solle alles bei den Abschiebungen aussetzen. Wir reden bei dem ganzen Thema, um das es geht, immer von Menschen, die rechtskräftig vollziehbar ausreisepflichtig sind, wo alle Gerichtsverfahren und Sonstiges vorbei sind. Dann sagen Sie: „bei denen möglicherweise dringende humanitäre oder persönliche Gründe eine weitere Anwesenheit... rechtfertigen könnten“.
Die anderen sagen: diejenigen, die „integriert“ sind. – Wenn Sie ehrlich gewesen sind, hätten Sie geschrieben: „Wir möchten, dass ihr bis zum 01.01.2005 niemanden mehr abschiebt“,dann aber von vornherein erklären müssen, dass es nicht sein könnte.
Zum Zweiten ist es auch nicht ehrlich. Was nutzt es, das bis zum 01.01.2005 auszusetzen, wenn Sie anschließend den Menschen nicht eine klare Antwort geben? – Die Antwort, die Sie geben wollen, kann man geben.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Baden-Württemberg regieren die GRÜNEN mit absoluter Mehrheit, oder?)
Herr Al-Wazir, die kann man geben, nur bleiben Sie dann klar und wahrhaftig. Wenn Sie all denen, die wir nicht abschieben sollen, ein Aufenthaltsrecht geben wollen, dann geht das nicht über die Härtefallkommission und die Härteklausel, sondern dann müssen Sie springen und sagen: Wir müssen das Ausländerrecht verändern. – Dann können Sie sich um Mehrheiten bemühen.
Ich halte es für falsch. Meine allgemeine These ist: Wer Menschen etwas nach dem Motto „Wir schaffen das, ihr könnt bleiben“ ins Schaufenster stellt, ohne eine Antwort zu geben, wie es wirklich geht, der erweckt Hoffnungen in dieser Frage, die ich verstehe. Die sagen: Irgendwie wird es so weit kommen, und dann sind wir hier. – Dann kommen wir in eine ganz schwierige Situation. Das ist meine abschließende Bemerkung. Diejenigen, die ausgereist sind, weil das Gesetz und die Rechtsprechung es ergeben haben, sind gegenüber denjenigen dumm, die mit allen Mitteln, mit rechtsstaatlich korrekten, aber gelegentlich auch mit anderen Mitteln wie Untertauchen – rund ein Drittel –, ihren Aufenthalt hier verlängert haben.
Herr Al-Wazir, wenn ich dann noch sehe, dass wir mittlerweile bei denen, die ins Land kommen, 90 % über Schlepper im Lande haben, dann gehört auch das mit zu bedenken, wie wir reagieren. Für die besteht die Frage doch darin, dass sie irgendwie im Land bleiben müssen und sich darauf verlassen können, dass wir dann unseren Frieden mit ihnen machen. Das hat auch Auswirkungen auf diese Frage.Das kann man unterschiedlich behandeln.
Ich akzeptiere für diese Landesregierung nicht, dass man sich ein Segment herausgreift und sagt: Wir sind für die Armen und Schwachen. – Bei der nächsten Gelegenheit wird dann aber erzählt: In den Grundsätzen sind wir natürlich stark. – So kommen wir nicht durch. Deshalb appelliere ich an Sie: Man kann engagiert unterschiedlicher Meinung sein. Aber Sie sollten wenigstens die Kraft haben, Ihre Position einmal klar zu formulieren. – Vielen Dank.