Protokoll der Sitzung vom 07.10.2004

Meine Damen und Herren, wir brauchen wieder Investitionen in diesem Land, um mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zum Thema Gesundheitskosten sage ich Ihnen:Wenn wir nicht die Kraft haben, die Lohn- und die Lohnnebenkosten herunterzufahren und die Belastungen zu verringern – dazu gehören auch die Gesundheitskosten –, dann werden wir nicht vorankommen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der für Ihre Bundesregierung tätige Gutachter hat gesagt: Die Einführung der Bürgerversicherung kostet 1 Million Arbeitsplätze, die Einführung von Gesundheitsprämien schafft 1 Million Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie können sich das ja anschauen. Wir stehen in dieser Frage vor dem Problem, ob wir für eine wettbewerbsorientierte Prämiengestaltung sind, wenn es um die Gesundheitskosten geht, oder ob wir weiterhin in der Staatsmedizin bleiben, die zu einer ZweiKlassen-Medizin führen wird. Das ist Ihr Konzept. Genau das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen endlich die Kraft haben, den Sozialismus im Gesundheitswesen abzuschaffen.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist die Einführung von Gesundheitsprämien der richtige Weg. Wir brauchen hier aber einen sozialen Ausgleich, den wir über die Steuern herstellen wollen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sind die wesentlichen Punkte unseres Grundkonzepts. Wir wollen, dass die Menschen wieder in Arbeit kommen. Wir wollen Wachstum in Deutschland schaffen. Deshalb hat unser Antrag sehr konkrete Vorstellungen formuliert. Das Ergebnis Ihrer Politik ist: Deutschland wird immer ärmer, und wir haben eine unglaublich hohe Arbeitslosigkeit. Deshalb ist Ihr Konzept falsch, und Ihr Antrag muss abgelehnt werden. Die Union ist die Hoffnung für Deutschland.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Leitantrag ist die Grundlage unserer Politik.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin SchönhutKeil, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Jung, Sie mögen glauben, dass eine neue Bundesregierung das beste Konjunkturprogramm sei. Ihre heutige Rede war aber allenfalls das beste Programm für die Steigerung unseres Blutdrucks.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mehr haben Ihre Sprechblasen nicht gebracht. Verehrte Kollegen,ich empfehle Ihnen aber trotzdem,das 78 Seiten starke Konvolut für den nächsten Bundesparteitag der CDU zu studieren. Ich habe nämlich selten eine Zusammenballung von so viel unbezahlbarem Blödsinn gelesen wie in diesem Programm.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es zeigt sich auch schon relativ deutlich, dass Sie ein Problem haben. Im Moment sind Sie auf dem mühseligen Weg von Ihrer alten schönen Illusion zurück in die Realität. Bis vor kurzem haben Sie geglaubt, Sie hätten die Zweidrittel-Blockademehrheit im Bundesrat in der Tasche und die Bundestagswahl 2006 sei quasi schon entschieden, Sie kämen im Schlafwagen zur Macht.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Dann würden wir keinen solchen Leitantrag machen!)

Meine Damen und Herren, seitdem sich die Christdemokraten locker in Chamäleon-Demokraten verwandeln, merkt auch der geneigte Wähler und die geneigte Wählerin, dass es mit Ihren Zielvorstellungen nicht so arg weit her ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen das auch ganz böse sagen:Wer im Bundesrat Hartz IV pausenlos verschärft und dann die Spitze der Demonstrationen anführt, der ist an Unglaubwürdigkeit nicht mehr zu überbieten. Und das merken die Wähler. Das sehen wir jetzt auch an den Umfragen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): In Hessen liegen wir immer noch am höchsten in Deutschland!)

Meine Damen und Herren, die Öffentlichkeit hat inzwischen registriert, dass die Union für allzu viele Probleme jeweils unterschiedliche Lösungen anpreist und verspricht. Schlimm für Sie ist, dass sich diese Lösungen nicht nur nicht vertragen, sondern sich teilweise diametral widersprechen. Ich möchte Ihnen einmal ein Beispiel liefern: den Kündigungsschutz.

Im Leitantrag zur Wirtschaftspolitik, den Ihr Bundesvorstand in dieser Woche beschlossen hat, machen Sie neue Vorschläge, wie der Kündigungsschutz umgebaut werden soll. – Unter Lafontaine wurde der Kündigungsschutz reformiert, Clement hat ihn zum 1. Januar 2004 erneut verändert. Ich sage Ihnen ganz klar: Ob der Kündigungs

schutz in Unternehmen ab 5, ab 10 oder ab 20 Mitarbeitern gilt, wird allein über das wirtschaftliche Wohlergehen dieses Landes nicht entscheiden.

(Dieter Posch (FDP): Nicht allein, aber auch!)

Ich füge hinzu: Es wäre wirklich sehr schön, wenn allein durch diese schlichte Veränderung beim Kündigungsschutz Prosperität und Vollbeschäftigung – wie Sie das versprechen – herzustellen wäre. Dann wären wir vielleicht sofort dabei.

(Frank Gotthardt (CDU):Aber nur vielleicht!)

Aber das einzige, was Sie derzeit bei Ihrem Meisterspiel erreichen, ist, dass die Menschen zunehmend das Vertrauen in die Zukunft verlieren. Meine Damen und Herren, nur wenn die Konsumenten sich hinreichend sicher fühlen, kaufen sie wieder ein. Nur wenn nach dem Export auch die Konsumnachfrage anspringt, kommt es zu einem nachhaltigen Aufschwung. Diskussionen um den Kündigungsschutz schaffen derzeit keine Beschäftigung, sondern sie vernichten sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen kann ich Ihnen nur raten, diese Debatte so schnell wie möglich wieder einzustellen.

Mein zweiter Punkt. Geradezu in das Chronikerprogramm der CDU müsste der legendäre Streit der Unionsparteien zur Gesundheitspolitik aufgenommen werden. Die Schwesterpartei in Bayern reagiert allzu allergisch auf die merkelsche Medizin der Kopfpauschale als Krankenversicherungsbeitrag.

Das können wir auch verstehen. Meine Damen und Herren, das ist so windig, dass schon die CSU immer wieder versucht, Ihnen das Thema abzukaufen. Ihr Finanzminister liegt uns seit Jahren damit in den Ohren, dass die Steuereinnahmen wegbrechen. Dafür haben Sie dem Wahlvolk 2003 eine großzügige Steuerreform versprochen. Es wurde geschätzt, dass dieses Steuergeschenk Bund, Ländern und Kommunen Jahr für Jahr 45 Milliarden c kosten würde.

Meine Damen und Herren, die volkswirtschaftliche Steuerquote in Deutschland ist von 24 % im Jahre 1980 auf gegenwärtig 21 % gesunken,trotz der hohen Zusatzbelastung der deutschen Einheit. Sie versprechen in Ihrem Antrag zusätzliche Steuergeschenke von 45 Milliarden c – plus 25 Milliarden c zur Finanzierung der Kopfpauschale. Finanzierung aber Fehlanzeige. Meine Damen und Herren, so wird man nicht Bundeskanzler.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, in Ihrem Leitantrag versprechen Sie den Arbeitnehmern, die längere Zeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, dass sie auch länger als 12 Monate Arbeitslosengeld erhalten werden. Das klingt sehr gut. Aber wie das zu Ihrer gleichzeitigen Forderung passt, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von jetzt 6,5 % auf 5 % und mittelfristig sogar auf 4 % sinken wird

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Indem wir die fremd finanzierten Dinge herausnehmen, das ist doch logisch!)

auch dazu haben Sie nichts gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Doch! Sie haben es nicht genau genug gelesen!)

Sie verteilen Geldgeschenke, ohne sich um die Finanzierung zu kümmern. Regierungsfähig ist das überhaupt nicht.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss und füge einen weiteren Punkt hinzu: Sie wollen den Niedriglohnsektor beleben und „echte Vollerwerbsarbeitsplätze durch staatliche Finanzierung“ erreichen.Sie gehen sogar so weit,zu behaupten, der haushaltsnahe Dienstleistungssektor könne zu einem Schlüssel zur Bewältigung der Beschäftigungsprobleme in Deutschland werden.

Meine Damen und Herren, die dafür notwendigen Mittel wollen Sie aus der Zusammenlegung von Arbeitslosenund Sozialhilfe finanzieren. Noch gestern haben Sie uns dazu erklärt, unsere Position sei windig, da gebe es überhaupt keine Mittel. – Auch das können Sie hier überhaupt nicht erklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Posch, FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Aktuellen Stunde ist ein Vorwurf erhoben worden, den ich für meine Fraktion – auch wenn er sich nicht unmittelbar an uns gerichtet hat – so nicht stehen lassen kann.