Protokoll der Sitzung vom 24.11.2004

(Beifall bei der FDP)

Herr Ministerpräsident und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wenn wir schon bei Mut sind, dann seien Sie bei zwei andern Dingen auch mutig, und übernehmen Sie die Ideen, die die FDP lautstark gesagt hat – in diesem Punkt lautstark, bei anderen Punkten ganz bewusst nicht lautstark. Ändern Sie endlich das Sparkassengesetz.

(Beifall bei der FDP)

Wieso muss eigentlich ein Staat, ein Bundesland, irgendjemandem vorschreiben, wie er sich gesellschaftsrechtlich auf einem Gebiet zu verhalten hat? – Man kann zum ausgeschiedenen Präsidenten des Bundesverbandes der Banken stehen, wie man will.Aber er hat in seiner Abschiedsrede am vergangenen Donnerstag oder Freitag vollkommen Recht gehabt, als er gesagt hat:Wir als Privatbanken erwarten vom Staat eigentlich nur noch – da ist er schon weit hinter das zurückgegangen, was er früher gefordert hat –, dass er uns nicht noch mit Rahmengesetzgebung bei der Entfaltung des Banken- und Sparkassenmarktes in unserem Land belastet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als FDP haben wir einen entsprechenden Gesetzentwurf für eine derartige Deregulierung des Sparkassengesetzes in Hessen vorgelegt. Sie haben es mit der Begründung abgelehnt, die Kommunen dürften das nicht tun. Wir Liberale sind Manns und Frau genug, zu sagen:Wir möchten den Kommunen, den Haltern der Anteile an den Sparkassen, die Möglichkeit geben, dass sie frei entscheiden können, was für sie richtig oder falsch ist,aber nicht,dass der Hessische Landtag vorgibt, was für sie klug ist.

(Beifall bei der FDP)

Seien Sie in einem weiteren Punkt mutig.Das ist die Frage der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Union, so schwach sind Sie auch wieder nicht,dass Sie auf jede etwas gemeinere Äußerung eines Ihrer hauptamtlichen CDU-Wahlbeamten derart Rücksicht nehmen müssten, wie Sie das beim kommunalen Wirtschaftsrecht getan haben. Wir haben – ich will keine Namen nennen, aber einige sitzen sogar in der ersten Reihe – viele gemeinsame Podien durchgeführt.Wir waren bei der IHK und bei den Handwerkskammern. Wir haben uns gemeinsam angehört, was die Präsidenten im Sommer dieses Jahres im Hause des Handwerks in Wiesbaden gesagt haben. Hören Sie doch auf, den Kommunen Gärtchen zu lassen, damit sie in der wirtschaftlichen Konkurrenz gegenüber den Pri

vaten machen dürfen, was sie wollen. Hier gilt Deregulierung ebenfalls als das Motto der Zeit.

(Beifall bei der FDP)

Hier kann es nicht angehen, dass Sie allein dem Wunsch einiger Hauptamtlicher in Ihren Reihen – wir können die Landräte und Oberbürgermeister benennen –, ordnungspolitischen Unsinn zu verzapfen, folgen, wie Sie es in Ihrer HGO-Novelle in diesem Bereich verzapft haben.

Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen. Er gehört mit dem zusammen, der sich mit der Erhöhung der Kosten für die Selbstdarstellung der Landesregierung beschäftigt.

Wir haben manchmal das Gefühl, dass Sie wirklich all das glauben, was der Sprecher der Landesregierung propagandistisch aufgearbeitet hat.Ich habe manchmal wirklich das Gefühl, dass der Finanzminister wirklich glaubt, dass er eine seriöse Haushaltspolitik macht. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Kultusministerin wirklich glaubt, dass sie alles erdenklich Gute für die Schülerinnen und Schüler unseres Landes unternimmt. Ich nehme jetzt einmal drei aus der Ministerriege, die hier sitzen. Wir befürchten, dass der Minister für Wissenschaft und Kunst wirklich glaubt, dass er die Hochschulen in die Freiheit entlässt. Sie verkünden das immer wieder, oder, um es anders zu formulieren: Sie lassen das immer wieder verkünden. – Aber das ist von der Wahrheit nicht immer gedeckt. Deshalb möchte ich Ihnen für meine Fraktion und als Person den freundschaftlichen Rat geben: Glauben Sie nicht all das, was in Ihren Presseerklärungen steht. Denn es stimmt nicht alles, was dort steht.

(Beifall bei der FDP)

Mittlerweile wird hilflos nach Rankings gesucht, in denen das Land Hessen etwas besser dasteht.Darüber kann man wirklich nur noch grinsen.Es gibt eine Erklärung der Hessischen Staatskanzlei vom 25. Oktober 2004. Sie ist also fast auf den Tag genau einen Monat alt. Dort wurde verkündet:

Hessen bundesweit bei Zuwachs der Pro-Kopf-Verschuldung auf Platz 3

Wer sich tatsächlich getraut hat, diese Pressemitteilung zu lesen, bekam mitgeteilt, dass das auf die erfolgreiche „Operation sichere Zukunft“ zurückzuführen sei. Wenn man die Verschuldensdaten vom 31. Dezember 2003 mit denen vom 30.Juni 2004 krampfhaft vergleicht und daraus eine Presseerklärung macht, dann hat man ein Problem.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann Ihnen auch sagen, worin das Problem besteht. Als wir in der Zeit von 1999 bis 2003 dieses Land gemeinsam regiert haben, haben wir eine Aufholjagd begonnen. Es gab fast kein Ranking, in dem das Land Hessen nicht von einem niedrigen Platz auf einen höheren gekommen ist. Das betraf die Bildung, die Wirtschaft und die Arbeitsplätze. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass der gerade ausgeschiedene Wirtschaftsminister von BadenWürttemberg, Walter Döring, in einer internen Sitzung einmal sehr heftig gesagt hat, langsam werde es ihm lästig, dass Baden-Württemberg von Hessen überall überholt wird. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wie kann man sich denn dann mit einem derartigen PillePalle-Ranking zufrieden geben? Sie müssen weiter für die Aufholjagd kämpfen und dürfen nicht versuchen, beim Abstiegskampf mitzuspielen.

(Beifall bei der FDP)

Dass Letzteres der Fall ist, hat der Ministerpräsident leider auch in seinem Redebeitrag wieder deutlich gemacht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Ihnen für das Haushaltsjahr 2005 umfassende, aber nicht ausufernde und zerfaserte Vorschläge unterbreitet, wie man einen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen könnte, der auf die Bildung fokussiert ist. Sie haben ohne große Diskussion während der Sitzung im Haushaltsausschuss diese liberale Alternative für eine vernünftige Zukunft in Hessen mit Ihrer Mehrheit beiseite geschoben. Ich kann das nur bedauern. Ich kann Ihnen trotzdem immer wieder sagen: Auch wenn unsere Änderungsanträge fünfmal abgelehnt worden sind, sind wir immer noch bereit, sie zum sechsten Mal einzubringen.

Der Herr Ministerpräsident hat eben beim Thema Immobilien und Verkauf von Beteiligungen gezeigt, dass bei dem einen oder anderen Punkt doch wieder Bereitschaft vorhanden ist, solches in der Art aufzugreifen, wie es das Verhältnis von Union und FDP während der Jahre der gemeinsamen Regierungszeit ausgezeichnet hat. Seien Sie sich nicht zu schade,Vorschläge der FDP aus der Opposition anzunehmen. Liebe Kollegen der Union, wir sind uns nicht zu schade, auch aus der Opposition heraus vernünftige Vorschläge für ein besseres Hessen vorzulegen.

(Beifall bei der FDP)

Der letzte Punkt betrifft das Thema „handwerkliches Können“. Manchmal ist es nicht nur das fehlende handwerkliche Können, manchmal ist es sogar fehlender Stil. Handwerklich haben Sie vieles zu verantworten. Sie legen laufend Änderungsanträge zu den Gesetzentwürfen der Landesregierung vor. Ich sage das jetzt einmal für die Menschen dieses Landes etwas flapsig. Sie erzählen uns dann immer: Die müsst ihr gar nicht lesen, das sind nur redaktionelle Änderungen. – Hinter diesem „Zauberwort“ verbirgt sich die Schlampigkeit in der Arbeit, die zuvor gemacht wurde. Es geht dabei um nichts anderes als Schlampigkeit in der Arbeit, die zuvor gemacht wurde.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin Henzler hat das gestern anhand der Schulgesetznovelle dokumentiert. Da wurden verschiedene Schularten durcheinander geworfen.Da wurden verschiedene Zahlen durcheinander geworfen. Das hat etwas damit zu tun, dass das Handwerk nicht beherrscht wurde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das müssen Sie wieder lernen. Das ist uns in den Zeiten der gemeinsam getragenen Regierung nicht passiert.

Zum Thema „fehlendes handwerkliches Können“ gehört natürlich auch, wie planlos Sie bei der „Operation sichere Zukunft“ vorgegangen sind. Ich will jetzt Christean Wagner, der gerade nicht hier ist, nicht zu sehr belasten. Aber allein das Thema „Schließung von Amtsgerichten oder Umorganisation der Amtsgerichte in Hessen“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wer dazu von mir noch ein Beispiel haben möchte, kann sich schon einmal mit der Geschichte des Amtsgerichts Butzbach beschäftigen. Während der Diskussionsphase gab es drei verschiedene Lösungsvorschläge für dieses Amtsgericht. Das ist nicht gut. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Das ist aber auch eine Frage, wie effizient Ihre Arbeit ist. Sie meinen, mit derartigen Änderungen uns und sich belasten zu müssen. Machen Sie Ihre Arbeit doch bitte gleich richtig. Legen Sie uns dann zeitnah entsprechende Initiativen vor. Machen Sie nicht noch ein

mal das,was in der letzten Woche während der Sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses geschehen ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht einmal 24 Stunden vor der Sitzung haben Sie einen 25-seitigen Änderungsantrag vorgelegt. Das haben Sie dann im Hoppla-HoppVerfahren durchgezogen.

In der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst waren Sie dann noch nicht einmal in der Lage, vorzutragen, welches die elementaren Änderungen sind, die sich mit diesem Änderungsantrag ergeben, und diese zu begründen. Das ist, handwerklich gesehen, nicht so, wie wir Liberale es erwarten. Das ist auch handwerklich nicht so, wie wir es vier Jahre lang gemeinsam gemacht haben. Wenigstens in diesem Bereich brauchen Sie doch nicht von dem Guten abzulassen, was wir gemeinsam zwischen 1999 und 2003 gemacht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, etwas Allerletztes möchte ich noch sagen. Dabei geht es um das Thema „Mitnehmen“. Sie sehen das auch im Verhalten der Mitglieder der FDP-Fraktion dieses Hauses. Eine ganze Reihe der Vorschläge ist sehr vernünftig. Ich habe bewusst nichts zur Innenpolitik gesagt. Ich kann Ihnen auch sagen, warum ich das nicht getan habe. Volker Bouffier führt die zwischen uns vereinbarte vernünftige Innenpolitik im Großen und Ganzen auch so fort.Wir Liberale brauchen uns da nicht an irgendwelchen Spiegelstrichen abzuarbeiten. Wir sagen lediglich zu ein paar Punkten: So wäre das mit uns zusammen nicht geschehen.– Das betrifft z.B.die Kommunalisierung der Polizei. Aber ansonsten macht er vernünftige Arbeit. Er macht weiter das, was wir gemeinsam verabredet haben.

Ich brauche nicht viel zur Justiz und zum Justizvollzug zu sagen. Christeam Wagner wurde z. B. in den letzten Wochen zu Recht im deutschen Blätterwald dafür gefeiert, dass in Hessen das erste privat finanzierte Gefängnis gebaut wird. Ich sage in diesem Zusammenhang nur: Schöne Grüße an Christean Wagner, er hätte wenigstens einmal sagen können, dass der Bau gemeinsam von FDP und CDU verabschiedet wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben das gemeinsam auf die Reihe gebracht. Herr Kollege Frömmrich, ich weiß aber: Undank ist der Welten Lohn. – In der Politik enthält man dann den doppelten Undank oder den doppelten Lohn, wie immer man das auch nehmen mag.

Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die gut weitergemacht werden. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Ich kann Frau Kollegin Wolff, der Kultusministerin, nur empfehlen, genau denselben Arbeitsstil fortzuführen, den sie in der Zeit von 1999 bis 2003 eingeübt hat. Sie sollte immer auf das hören, was ihr Doris Henzler vordenkt, und das umsetzen. Sie werden sehen, dass die hessischen Schüler und Lehrer dann zufrieden sind. Man kann da viel Kritik üben. Man kann das aber auch sehr persönlich tun und vernünftig gestalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wenn Sie das so machen würden, würden Sie die Menschen auch mitnehmen. Wissen Sie eigentlich, was Sie mit Ihrer „Operation sichere Zukunft“ allein bei den Kirchen kaputtgemacht haben? Ich sage das jetzt einmal etwas flapsig.Vom Kardinal bis hin zum Dorfpfarrer vergeht kein einziges Gespräch, in dem nicht spätestens im dritten oder vierten Satz die Art und Weise und der Stil angesprochen werden

es geht dabei noch nicht einmal um den Inhalt, darüber wird später gesprochen bzw. mit dem Kardinal gar nicht, weil der aufgrund seines eigenen Ladens weiß, wie schwierig das Ganze zu handhaben ist –, wie Sie mit den Kirchen umgegangen sind, als Sie die „Operation sichere Zukunft“ auf die Schiene gesetzt haben.

(Beifall der Abg. Dorothea Henzler (FDP))

Am Montagabend haben Sie das gegen 21 Uhr auf das Fax gelegt. Für Dienstagmorgen haben Sie Herrn Dulige und Herrn Prof. Kaspar– er war es damals noch – einbestellt. Das macht man nicht. Genau dasselbe macht man im Schulbereich nicht.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben viele Gespräche – auch ich, Doris Henzler und andere – mit den Vertretern der Gewerkschaften in diesem Lande geführt. Bitte haben Sie nicht das Bild, das Sie gestern zu stellen versucht haben, dass da draußen Menschen sind, die mit aller Macht etwas gegen die Schulpolitik dieser Regierung haben. Die haben zu einem großen Teil etwas gegen den Stil, wie Sie Ihre Bildungspolitik in diesem Lande zu exekutieren versuchen.

(Beifall bei der FDP)

Wieso entscheiden Sie nur noch im stillen Kämmerlein? Wieso beziehen Sie die Menschen nicht ein? Ich kann nur sagen: Guckt nach hinten. – Das haben wir vier Jahre lang erfolgreich gemacht. Herr Kollege Dr. Jung, wir hätten nie und nimmer all das durchsetzen können, was wir in der letzten Legislaturperiode durchsetzen mussten,hätten wir die Menschen nicht mitgenommen.Wir hatten,um das abzuarbeiten, gar keine Zeit dazu gehabt, die Menschen gegen uns aufzubringen. Wir haben es geschafft, weil wir frühzeitig mit den Menschen geredet haben, weil wir die Verbände einbezogen haben, weil wir die Kirchen einbezogen haben.

All das ist offensichtlich bei Ihnen abhanden gekommen. Meine Kollegen aus der Oppositionsfront haben das auf die Arroganz der Macht zurückgeführt.

(Frank Lortz (CDU): Na, na, na!)

Ich weiß nicht, woran es liegt.Vielleicht ist es die absolute Mehrheit,die Ihnen schadet.Das können die Menschen in diesem Lande im Frühjahr des Jahres 2008 wieder ändern.

Lassen Sie mich abschließend für die FDP-Fraktion sagen: Unser Land muss verantwortungsbewusst regiert werden. Sie haben im Februar 2003 die alleinige Verantwortung vom Wähler übertragen bekommen, dieses Land verantwortungsbewusst zu führen. Machen Sie es.

Verantwortungsbewusst führen heißt Ideenreichtum, heißt stilvoll. Verantwortungsbewusst regieren heißt, die Kreativität und den Stil auch anderer aufzunehmen und Alternativen zu dem jetzigen Tun zu erkennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP hat Ihnen Alternativen aufgezeigt. Übernehmen Sie diese Alternativen für ein gutes Hessen. – Vielen Dank.