Der Finanzminister hat es sowohl bei der Einbringung des Haushaltsgesetzentwurfs als auch gestern bei der Einbringung des Nachtragshaushaltsgesetzentwurfs geschafft, über alles Mögliche zu reden, dabei aber keine
einzige Zahl zu nennen. Ich glaube, das hat einen Grund. Herr Kollege Dr. Jung, der Haushaltsentwurf für das Jahr 2005 hat katastrophale Eckdaten. Er hat ein Volumen von 21,4 Milliarden c. Dabei ergibt sich eine strukturelle Lücke von 2 Milliarden c.
Herr Kollege Walter hat es schon angesprochen. Aber auch ich möchte es noch einmal tun.Denn ich glaube,dass das, was Sie mit dem Modell des Verkaufs machen wollen, der Gipfel des Wahnsinns ist. Das ist der Gipfel des Wahnsinns.
Wie kann es sein, dass ein Finanzminister ernsthaft hergeht und sagt: „Wir verkaufen die Gebäude, die wir nutzen und die wir auch weiterhin brauchen, und mieten sie sofort zurück.Damit wir dafür einen hohen Preis erzielen, schließen wir Mietverträge über 30 Jahre ab“? – Obwohl Mietverträge über 30 Jahre abgeschlossen werden sollen, wird dann auch noch behauptet, man sei flexibler als vorher. Irrer geht es wirklich nicht mehr.
Es wird immer nur über die Nettoneuverschuldung geredet. Es ist eine Neuverschuldung in Höhe von 3,8 Milliarden c geplant. Vorgesehen ist eine Tilgung in Höhe von 2,7 Milliarden c.Unter dem Strich kommt dann die immer angeführte Nettoneuverschuldung von 1,1 Milliarden c heraus. Hinzu kommt der Einmaleffekt der Verkaufsmodelle in Höhe von 800 Millionen c. Das heißt, es besteht eine strukturelle Lücke in Höhe von 2 Milliarden c.
Zum vierten Mal in Folge wird es sich schon im Ansatz um einen verfassungswidrigen Haushaltsbeschluss handeln. Denn es ist eine höhere Nettoneuverschuldung vorgesehen, als es Investitionen geben soll. Ich sage Ihnen auch: Spätestens dann, wenn die kaufmännische Buchführung eingeführt sein wird, was ja vorgesehen ist und was wir im Grundsatz unterstützen, wird die Frage, ob die Nettoneuverschuldung über den Investitionen liegt, gar nicht mehr so relevant sein. Wenn wir die kaufmännische Buchführung jetzt schon hätten, dann würde Ihr Buchungstrick mit dem Verkauf von Gebäuden in Höhe von 800 Millionen c viel deutlicher werden. Denn bei der kaufmännischen Buchführung steht auf der einen Seite das Vermögen, sprich: unter anderem die Gebäude, die man besitzt. Auf der anderen Seite stehen die Schulden. Wenn man vom Vermögen etwas verkauft, dann fällt es aus der Summe unter dem Strich heraus. Meine Damen und Herren, das ist aber genau das, was Sie machen. Deswegen sage ich Ihnen: So, wie Sie hier agieren, kann das auf Dauer nicht weitergehen.
Ich sage Ihnen auch, warum das der Fall ist. Herr Ministerpräsident, 1996 hatten wir eine Verschuldung von 20,9 Milliarden c.Wir haben es dann, während der Zeit, in der wir die Regierungsverantwortung trugen, immerhin geschafft, den Anstieg durch eine Konsolidierungspolitik zu bremsen.Wir haben ihn nur gebremst, aber immerhin gebremst. Das betrifft immer nur das, was noch obendrauf kommt.
Sie wissen, was hier im Jahr 1999 geschah. Nachdem Sie die Verantwortung übernommen haben, sind die Schul
den explodiert. Nach dem jetzt vorliegenden Plan – und diese Pläne haben bisher nie gestimmt – werden wir am Ende des nächsten Jahres im Lande Hessen Gesamtschulden in Höhe von 31,6 Milliarden c haben.Das sind fast 32 Milliarden c.Das ist eine dramatische,eine katastrophale Situation, und das beim gegenwärtigen Zinsniveau.Wenn wir das Zinsniveau von Anfang der Neunzigerjahre hätten, dann könnten wir hier das Buch schon zumachen.
Herr Ministerpräsident, faktisch bedeutet das, dass in den knapp sechs Jahren, in denen Sie die Verantwortung tragen, ein Viertel der Schulden des Landes Hessen seit 1946 gemacht worden ist. Sie haben es geschafft, in sechs Jahren ein Viertel der Schulden zu machen, die wir in 60 Jahren insgesamt aufgenommen haben. Da frage ich mich: Wer kommt eigentlich noch auf den Gedanken, ernsthaft zu behaupten, Schwarze könnten besser mit Geld umgehen?
Ich habe am Anfang von der Arroganz der absoluten Mehrheit gesprochen. Hier lohnt sich ein Blick in die Mitgliederzeitung der hessischen CDU, in den „Hessen Kurier“. – Der lohnt sich immer, sagt der Herr Ministerpräsident.
In dieser Ausgabe hat er sich ganz besonders gelohnt. Da gab es 20 Fragen an Finanzminister Karlheinz Weimar.Ich habe Ihnen gerade die Entwicklung der letzten Jahre,seitdem dieser Finanzminister und dieser Ministerpräsident Verantwortung tragen, deutlich gemacht. Karlheinz Weimar wird in der ersten Frage gefragt: „Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?“
Antwort: „Das Herz meiner Frau erobert“ – Glückwunsch, Herr Weimar, darauf können Sie stolz sein, aber jetzt kommt es – „und Hessen trotz der schwierigsten Finanzsituation der Nachkriegsgeschichte“ – das stimmt auch noch – „auf einen soliden finanzpolitischen Weg gebracht zu haben.“
Nehmen Sie sich eigentlich selbst noch ernst bei solchen Antworten, die Sie auf Ihre selbst gestellten Fragen geben?
Das Interview lohnt sich auch noch aus einem zweiten Punkt, bei dem die Welt des Karlheinz Weimar ganz besonders deutlich wird. Die Frage 11 lautet: „Auf welchen Luxus, den Sie sich jetzt leisten, könnten Sie am ehesten verzichten?“ Die Antwort lautet: „Habe keinen Luxus.“
Die Antwort auf Frage 2, welchen Kindheitstraum er sich erfüllt hat, war dagegen: „Eine Harley-Davidson zu fahren.“
Ich stelle inzwischen fest, die Harley-Davidson und auch Karlheinz Weimars Mercedes-Coupé gehören quasi zur Grundsicherung.Meine Damen und Herren,ich frage Sie: Wie ernst nehmen Sie sich eigentlich selbst, wenn Sie solche Antworten geben?
Jetzt kommt die Frage: Wie konnte das passieren, was in den letzten sechs Jahren passiert ist? Die erste Behauptung der Landesregierung ist immer: An den Ausgaben liegt es nicht.
Ich sage Ihnen: Das ist eindeutig falsch.Wir als Rot-Grün haben – das war schwer genug, und ich gehöre zu denjenigen, die damals schon dabei waren – Konsolidierungspolitik gemacht, und zwar echte Konsolidierungspolitik. Herr Ministerpräsident, wir haben im Jahre 1996 die Ausgaben, bereinigt ohne Länderfinanzausgleich, um 0,5 % zurückgeführt.
Wir haben sie 1997 um 0,6 % zurückgeführt.Wir haben sie 1998 um 0,7 % zurückgeführt. Dann kam der Regierungswechsel, und dann kam das brutalstmögliche Geldausgeben: 2,1 %, 0,8 %, 3,2 %. Komischerweise sind es immer die Wahljahre. Im Jahre 2003 haben Sie den Vogel abgeschossen mit 2,8 % zusätzlichen Ausgaben, bereinigt ohne Länderfinanzausgleich.
Meine Damen und Herren, deswegen sage ich Ihnen: Wenn Sie den Weg so weitergegangen wären, wie wir ihn 1996 bis 1998 gegangen sind – das war schmerzhaft –, und jedes Jahr 0,5 % weniger ausgegeben hätten, dann hätten Sie jetzt
Ausgaben, die um 1,8 Milliarden c niedriger wären als jetzt. Das ist im Übrigen genau die strukturelle Lücke.
Manchmal wird gesagt, dass wir als GRÜNE mit den Sozialdemokraten 1999 unseren Wahlsieg mit der Konsolidierungspolitik verspielt hätten. Ich sage Ihnen: Ja, wir hätten zumindest in der Bildung mehr Geld ausgeben müssen, wenn wir 1999 die Wahl wieder gewonnen hätten. Aber wir hätten nicht wieder mit dem brutalstmöglichen Geldausgeben angefangen, das danach kam. Es gibt andere, die sagen – ich glaube, das stimmt auch –, dass Sie sich Ihre Wiederwahl 2003 faktisch gekauft haben über die Ausgabensteigerung, die ich hier vorgetragen habe.
Ich glaube, das Problem ist: Es mag sein, dass das im politischen System funktioniert hat, aber es war auf Pump finanziert, und die Kinder und Kindeskinder müssen es noch zurückzahlen. Sie verspielen die Zukunft dieses Landes.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP) und Michael Boddenberg (CDU))
Zweite Behauptung dieser Regierung:Wir haben ein Einnahmenproblem, und Berlin ist schuld. – Wissen Sie, da muss ich ein bisschen weiter ausholen. Am 1. Januar tritt die letzte Stufe der Steuerreform in Kraft. Wir werden dann einen sehr hohen Grundfreibetrag haben im Vergleich zu dem, was 1998 war.Wir werden einen Eingangssteuersatz von 15 % und einen Spitzensteuersatz von 42
% haben. Das ist deutlich niedriger als 1998. Ich halte es weiterhin ausdrücklich für richtig, dass wir die nominalen Sätze gesenkt haben, weil die nominalen Sätze in Deutschland unglaublich hoch waren und es keinem mehr aufgefallen ist, dass die nominalen Sätze wegen der vielen Ausnahmemöglichkeiten kein Mensch mehr bezahlt und die reale Steuerquote irgendwo bei 22 % liegt.
Deswegen halte ich es weiterhin für richtig,diese Sätze gesenkt zu haben. Aber wir müssen doch auf allen Ebenen feststellen, dass wir zwei Probleme haben. Die Selbstfinanzierungseffekte, die gerade die Union immer beschworen hat, sind offensichtlich nicht eingetreten. Das bedeutet – das sage ich sozusagen in die Gehirngänge aller neoliberalen Theoretiker; ich habe jemanden vor Augen, der gerade als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zurückgetreten ist –
dass die Gleichung „Steuersenken ist gleich mehr Wachstum und Konsum, ist gleich am Ende mehr Staatseinnahmen“ nicht funktioniert. Das ist übrigens für Ihr Wahlprogramm für die nächsten Wahlen sehr wichtig, gerade für die selbst ernannte Steuersenkungspartei.
Zweites Problem: Wir haben im Gegenzug zur Senkung der nominalen Steuersätze die Ausnahmen und die Subventionen nicht konsequent genug abgebaut, und das hat Gründe. Einer dieser Gründe sitzt hier auf der Regierungsbank. Das sind diese verhinderten Nebenkanzler im Bundesrat, die sich da aufspielen, als wären sie die Bundesregierung, und dabei auch noch die Grundlagen dessen, wovon sie in den Ländern leben, kaputtmachen.