wie wir uns angleichen können. Das Gleiche gilt in der Bildungspolitik. Da sind Länder, die bessere Ergebnisse haben.Statt zu überlegen,was die machen – man muss das nicht alles machen,vielleicht gibt es Gründe,warum es bei denen funktioniert –, aber die Antwort: Das sind alles nur Ideologen, die das machen; das brauchen wir alles gar nicht. – Das ist doch Wahnsinn, wenn eine Kultusministerin sagt:All dies ficht mich überhaupt nicht an.
Mein Eindruck ist, um es mit Nietzsche zu sagen: Beim Einzelnen ist der Wahnsinn die Ausnahme, bei der Masse ist es die Regel. – Bei der hessischen CDU, die hier als Masse Bildungspolitik betreibt, ist Wahnsinn ganz offensichtlich die Regel.
Genau das Gegenteil von dem, was PISA vorschlägt, wird in Hessen umgesetzt. Das Ergebnis Ihrer Politik steht doch im Wesentlich fest. Wir werden als Ergebnis Ihrer Bildungspolitik in Hessen weniger Schülerinnen und Schüler haben, die die Hochschulreife erlangen. Wir werden in Hessen mehr Schülerinnen und Schüler haben, die ohne einen Schulabschluss die Schule verlassen. Das Ziel der Politik, das wir Sozialdemokraten Ihnen gegenüberstellen, ist relativ einfach formuliert. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass möglichst alle möglichst hohe Bildungsabschlüsse bekommen.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass Kinder aus ökonomisch schwachen Schichten gleiche Chancen haben, zu Bildungsgewinnern in unserem Lande zu werden,wie Kinder aus ökonomisch starken Schichten.
Das können Sie ablehnen. Sie können mit uns darüber diskutieren, ob man das so machen kann. Herr Ministerpräsident, ich sage Ihnen, nicht nur aus sozialpolitischen, nicht nur aus bildungspolitischen Gründen ist das, was die Sozialdemokratie in diesem Land vertritt, die bessere Alternative zu Ihrem Programm der möglichst frühzeitigen Selektion, der Bestenauslese. Denn in einer – ich habe das angesprochen – globalisieren Welt wird der Bereich der einfachen Dienstleistungen in Deutschland keiner mehr sein, wo wir in Zukunft allzu viele Arbeitsplätze haben werden.
Deshalb ist es auch eine Frage der ökonomischen Vernunft, dass möglichst viele in unserem Land zu möglichst hohen Bildungsabschlüssen kommen. Schon heute fehlen in manchen Bereichen hoch spezialisierte Fachkräfte.Wer eine Schulpolitik wie Sie betreibt, wo vorsätzlich in Kauf genommen wird, dass viele auf dem Weg stehen gelassen werden, der versündigt sich nicht nur an den Chancen der Kinder in unserem Land, der versündigt sich auch an den wirtschaftlichen Chancen und damit an den Zukunftsperspektiven unseres Bundeslandes Hessen.
Drittens und abschließend zur Sozialpolitik. Damit ist der Bereich Ihrer Kürzungen mit der „Operation düstere Zukunft“ angesprochen.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen in der Tradition eines Georg August Zinn, der wusste, dass der wirtschaftliche Aufschwung eines Landes sehr eng mit der sozialen Balance in einem Land zusammenhängt. Unsere Vorgänger wussten, dass dies zwei Seiten der Medaille sind. Unsere Vorgänger wussten, dass soziale Balance, sozialer Ausgleich, auch die Visitenkarte eines Landes ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich so an der sozialen Infrastruktur in unserem Land versündigt, der ist es, glaube ich, nicht wert, Nachfolger eines Georg August Zinn auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten zu sein.
Herr Ministerpräsident, abschließend. Ich habe über das letzte Jahr Bilanz gezogen. Ich glaube, dass Sie genauer zugehört haben als die, die die Zahlen nicht wirklich kennen. Die Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, sind verbürgt. Sie stammen im Wesentlichen aus öffentlich zugänglichen Statistiken, oft aus Ihren eigenen Häusern. Deshalb meine Aufforderung: Nehmen Sie konkret zu dem Stellung, was ich Ihnen als Bilanz vorgetragen habe.
Ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Ihnen Konzepte fehlen. Ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Strategien dieser Landesregierung zur langfristigen Behebung der Probleme unseres Landes nicht erkennbar sind. Sie haben jetzt die Chance, das, was ich gesagt habe, zu widerlegen. Sie haben jetzt die Chance, das, was ich bilanziert habe, zu erklären. Sie haben jetzt die Chance, zu sagen: Aus der Misere kommen wir mit diesen Schritten heraus. – Ich bin sehr in Zweifel, ob es Ihnen gelingen wird, jetzt relativ kurzfristig eine Strategie zu entwickeln.
Herr Ministerpräsident, die Bilanz Ihrer Regierung ist katastrophal. Ihnen fehlt es an Konzepten, den Abwärtstrend umzukehren.Herr Ministerpräsident,ich sage es Ihnen auch persönlich: Sie sind der Absteiger des Jahres, und mit Ihnen steigt unser Bundesland Hessen ab. – Ich danke Ihnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wort hat nun der Vorsitzende der Fraktion der GRÜNEN, Herr Kollege Al-Wazir.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist meine neunte Haushaltsdebatte in diesem Plenarsaal.
Zumindest in diesem Plenarsaal wird es die letzte sein.Ich habe aber noch nie erlebt, dass der Ministerpräsident nicht auf den Vorsitzenden der stärksten Oppositionsfraktion geantwortet hat.
Herr Ministerpräsident, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie offensichtlich die Sorge hatten,dass man,nachdem Sie geredet haben, Ihre Argumente auseinander nimmt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))
Ich nehme aber die Worterteilung des Präsidenten ernst und mache jetzt da weiter, wo Herr Kollege Walter aufgehört hat.
Ich möchte mich nämlich jetzt mit der Frage beschäftigen, wie die Situation des Landes Hessen ist. Der Haushalt eines Landes ist die Stelle, an der sich die Situation eines Landes am deutlichsten zeigt. Dabei geht es um die Frage, ob er solide oder nicht solide ist. Es geht dabei um die Frage, ob die Zukunftsaufgaben angepackt werden oder nicht. Als Nächstes ist zu fragen: Lösen wir eigentlich die Probleme, die gelöst werden müssen?
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen Folgendes sagen: Wir, die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, haben uns sehr lange und sehr ausführlich mit diesem Haushalt beschäftigt. Leider mussten wir feststellen, dass wir eineinhalb Jahre nach der Landtagswahl, also eineinhalb Jahre, nachdem die CDU die absolute Mehrheit gewonnen hat, nicht nur eine ratlose CDU-Fraktion, sondern auch eine ratlose Regierung auf der Regierungsbank haben. Das ist schlecht für das Land Hessen.
Die Arbeitslosigkeit steigt stärker, als es in allen anderen Bundesländern der Fall ist. Die Schulden steigen ins Unermessliche. Dazu werden auch noch die falschen inhaltlichen Prioritäten gesetzt. Angesichts dieser Situation finde ich, es wäre angebracht, dass die Regierung und auch die CDU-Fraktion, die die absolute Mehrheit hat, nicht nur ihre Verantwortung besser wahrnehmen würden, sondern dass sie manchmal auch ein bisschen nachdenklicher wären. Meine Damen und Herren, Sie sollten ein wenig nachdenklicher sein.
Denn ich kann diese ewig wiederholten Aussagen nicht mehr hören, die Regierung in Berlin sei schuld, Rot-Grün sei schuld, die Vorgänger seien schuld oder Gott und die Welt seien schuld. Die Einzigen, die dafür keine Verantwortung tragen, sind diejenigen, die den Haushalt beschließen. Das kann ich nicht mehr hören. Ich glaube, wenn Sie in einer stillen Minute zu sich ehrlich sind, würden Sie feststellen, dass auch Sie selbst das nicht mehr hören können.
Das Zweite ist Folgendes. Herr Ministerpräsident, nachdem Sie im Jahre 1999 die Landtagswahl gewonnen hatten, haben Sie direkt für das Jahr 1999 einen Nachtragshaushalt gemacht. Wir sind jetzt bei der Beratung des Haushaltsplans für das Jahr 2005.Wenn man den mitzählt, dann kann man feststellen, dass das inzwischen der siebte Haushaltsgesetzentwurf ist, für den Sie Verantwortung tragen. Herr Ministerpräsident, es wird langsam peinlich, dass Sie immer nur sagen: Die Vorgänger sind schuld.
Deswegen glaube ich, dass Sie mit der Arroganz, die sich aus der absoluten Mehrheit ergibt und die immer schlimmer wird, je schlechter die Situation des Landes Hessen wird, in Ihrem eigenen Interesse, vor allem aber auch im Interesse des Landes Hessen Schluss machen sollten.Aus meiner Sicht,der des Oppositionspolitikers,könnte ich sagen:Machen Sie nur so weiter.Denn Hochmut kommt vor dem Fall. – Aber aus der Sicht eines derjenigen, die sagen: „Wir tragen insgesamt die Verantwortung für das Land Hessen“, muss ich Ihnen sagen: Machen Sie nicht so weiter mit Ihrer Sprechblaseritis. – Meine Damen und Herren, es geht auf Dauer nicht mehr, dass Sie immer nur sagen: Die anderen sind schuld, wir sind toll.
Ich sage Ihnen auch, warum das der Fall ist. Das politische System insgesamt, also nicht nur in Hessen, befindet sich in einer Vertrauenskrise. Das politische System in Deutschland hat insgesamt Akzeptanzprobleme. Das können Sie an den Wahlergebnissen ersehen. Das können Sie auch an der Wahlbeteiligung ersehen. Das können Sie auch aus Umfragen ersehen, nämlich an den Zahlen zu der Frage, ob man der jeweiligen Opposition eigentlich mehr zutraut als der Regierung. Ich sage ganz ausdrücklich – –
Herr Haselbach,ich sage Ihnen:Wenn Sie sich ein einziges Mal vertieft damit beschäftigen würden, was für eine Stimmung bei den Wählerinnen und Wählern herrscht – das trifft doch alle; denn wir alle tragen auf unterschiedlichen Ebenen Verantwortung –, dann wüssten Sie, dass ich Recht habe.
Ich sage ganz ausdrücklich: Ich finde es wichtig und richtig, dass es in der Politik unterschiedliche Meinungen gibt. Das ist nötig. Es ist auch richtig, zu diskutieren. Herr Ministerpräsident, produktiver Streit ist sogar nötig. Im politischen System ist es nötig, dass man sich auseinander setzt. Es gibt unterschiedliche Parteien, weil es unterschiedliche Definitionen hinsichtlich der Frage gibt,worin eigentlich die Probleme bestehen. Die spannende Frage aber ist doch: Können wir es uns weiterhin leisten, immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen? Das betrifft gerade Sie,die Sie auf der Regierungsbank sitzen.Dazu sage ich: Nein, das können wir uns nicht mehr leisten.
Am allerwenigsten können wir uns die Katastrophe „parteipolitische Blockade“ leisten. Der Oberblockierer sitzt hier in Hessen auf der Regierungsbank. Das können wir uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr leisten.