Protokoll der Sitzung vom 24.11.2004

Ein weiterer Punkt ist die Sozialpolitik. Hier stellt sich die Frage, ob wir das tun, was wir für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft tun müssen. Ich sage Ihnen: Nein, das tun wir nicht.

Am Anfang habe ich darauf hingewiesen,keiner soll mehr sagen, ohne gleichzeitig eine Lösung zu haben, wie man bestimmte Sachen in der Politik anders machen sollte.Wir haben Ihnen in einem Paket von über 100 Anträgen ge

sagt, wie wir es uns vorstellen, einen anderen Landeshaushalt auf die Beine zu stellen.Wir haben Ihnen Finanzierungsvorschläge gemacht, die ich schon genannt habe: Subventionsabbau, Streichung von Vergünstigungen, Eigenheimzulage, die vom Herrn Finanzminister immer genannten Maßnahmen gegen den Umsatzsteuerbetrug – alles Maßnahmen, die schon im Bundesrat beraten wurden. Sie würden im Jahre 2005 Mehreinnahmen von knapp 190 Millionen c bedeuten. Auch haben wir Ihnen Vorschläge dazu gemacht, wie man im Landeshaushalt 2005 zu einem noch viel größeren Teil Mehreinnahmen erzielen und weniger ausgeben kann. Ich möchte Ihnen auch sagen, wo.

Je schlechter die Regierungspolitik, umso größer der Etat für Öffentlichkeitsarbeit. Das ist einer der Punkte in diesem Haushalt. Wir sagen: Aus diesem Etat können wir durchaus etwas herausnehmen, ohne dass der Ministerpräsident in seinen Faltblättern sein Konterfei auch nur fünfmal weniger sehen kann.

Wir sind der Meinung, dass man sowohl beim E-Government als auch bei der SAP-Einführung, ohne das Ziel der Einführung der kaufmännischen Buchführung aufzugeben, deutlich Geld sparen kann.

Wir haben Ihnen vorgerechnet, dass man, statt ein Millionengrab und einen dauerhaften Subventionsempfänger in Kassel-Calden zu schaffen, mit weniger Geld mehr erreichen kann, und zwar mit einem ordentlichen Strukturprogramm für Nordhessen, das preiswerter, aber dafür wirksam ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen gesagt, dass wir – nachdem Sie im letzten Jahr beschlossen haben, dass eine bestimmte Summe für den Landesstraßenbau reicht – der Meinung sind, wir sollten beim Ist von 2004 bleiben und in der gegenwärtigen Lage auf ein Sonderprogramm verzichten.

Wir haben Ihnen gesagt, dass man unserer Meinung nach nicht nur auf einen Schlosskauf in Erbach und auf einen neuen Weinkeller für die Staatsweingüter verzichten kann, sondern dass man z. B. auch die Internationale Süddeutsche Reaktorsicherheitskommission nicht braucht. Ich finde, nach sechs Jahren hat sich dies in der Realität auch bestätigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen gesagt – dazu stehen wir –,dass es ein schwerer Fehler der Koalition von CDU und FDP war, die Gewässerschutzabgabe abzuschaffen, und dass wir sie wieder einführen wollen, weil wir in der gegenwärtigen Situation für die Umweltpolitik, die in diesem Land nötig ist, einerseits Geld brauchen und weil sich andererseits die Grundwasserabgabe beim Wassersparen und bei innovativer Technologie sehr bewährt hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Roland von Hunnius (FDP) – JörgUwe Hahn (FDP): Das ist ein Standortvorteil! Da haben Sie Recht! Es ist ein Standortvorteil für Baden-Württemberg!)

Wir haben Ihnen gesagt – das ist der einzige Einmaleffekt in unseren Vorschlägen –, dass wir der Meinung sind, dass man 2,5 % des Grundkapitals der Fraport AG verkaufen kann, ohne den Konsortialvertrag zu gefährden, weil wir dann immer noch bei 50,1 % der Anteile für Frankfurt und für das Land Hessen sind.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Hä?)

Sie müssen das wissen. Sie sitzen doch im Aufsichtsrat, Herr Hahn.Was machen Sie dort den ganzen Tag?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Deshalb weiß ich ja, dass Sie hier Unsinn erzählen! Aber ich kann es Ihnen gerne vorrechnen!)

Sie müssen wissen, dass sich aus diesen Mehreinnahmen und Minderausgaben ein Volumen von 470 Millionen c ergibt. Den größten Teil dieser Summe wollen wir in die Verringerung der Nettoneuverschuldung stecken,weil wir mit der Schuldenmacherei nicht ewig so weitermachen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber 160 Millionen c davon wollen wir für das verwenden, was unserer Meinung nach dringend nötig ist in diesem Land. Denn es ist dringend nötig, in diesem Land inhaltlich eine andere Politik zu machen.

Erster Punkt.Wir müssen in Hessen wieder ernsthaft Umweltpolitik betreiben, und zwar in unserem eigenen Interesse. Diese Regierung hat in diesem Bereich eine katastrophale Bilanz vorgelegt. Der Verbraucherschutz ist geschwächt, die Lebensmittelkontrolle ist kaum noch arbeitsfähig. Dieser Minister verstolpert den Nationalpark Kellerwald. Er verstolpert ihn. Anders kann man es nicht ausdrücken.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Also verstolpert er ihn!)

In Biblis kommen wir zu einem Störfall nach dem anderen.Wir haben festgestellt, dass diese Landesregierung inzwischen noch nicht einmal mehr einen Überblick über den Energiebedarf ihrer eigenen Gebäude hat. Blockadepolitik ist nicht nur bei Finanzfragen, sondern auch beim Dosenpfand festzustellen. Roland Koch und Wilhelm Dietzel blockieren selbst dann noch, wenn Edi Stoiber schon bereit ist zum Kompromiss. Alles in allem: Wir waren einmal führend, jetzt sind wir ganz hinten.

Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, dass man mit Umschichtungen im Landeshaushalt nicht nur das machen kann, was im Klimaschutz auch als Beitrag des Landes Hessen dringend nötig ist, sondern dass wir auch über Energieeffizienz und Wärmedämmung einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit dieses Landes leisten können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Spätestens als der Preis für ein Barrel Rohöl bei 55 Dollar lag, hätten Sie, meine Damen und Herren, eigentlich merken müssen, dass das, was wir seit unserer Gründung erzählen, dass dies nämlich eine endliche Ressource ist, stimmt.

(Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU): Deshalb betreiben wir die friedliche Nutzung der Kernenergie!)

Im Übrigen, Herr Kollege Dr. Jung: Uran ist auch endlich. Ich weiß nicht, ob das in Ihren Kopf hineingeht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Solarenergie ist im Übrigen auch endlich! Nur der Zeitraum ist ein anderer! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Leider ist Ihre Rede auch endlich!)

Aber das nur nebenbei. Ich glaube, dass wir in diesem Bereich eine bessere Politik machen könnten, die – das ist in der gegenwärtigen Situation auch unglaublich wichtig –

gerade im ländlichen Bereich, wenn man sich anschaut, was für ein Potenzial Biomasse und erneuerbare Energien sind, für Arbeitsplätze sorgen kann, die wir dort dringend brauchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, wie verrückt die Diskussion in Deutschland ist.

(Frank Gotthardt (CDU): Das beweist du mit deiner Rede!)

Die Firma Thyssen-Henschel, Herr Kollege Gotthardt. Der Transrapid schafft momentan unter 200 Arbeitsplätze.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Warum schafft er nur 200 Arbeitsplätze? – Nicola Beer (FDP): Weil er in China gebaut wird!)

Aber alle Welt redet darüber, dass man unbedingt eine Referenzstrecke in München braucht. Wir haben einmal nachgefragt, was denn passierte, würde die Strecke in München gebaut. Uns wurde gesagt, dann könnte es vielleicht um die 400 Arbeitsplätze geben.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): 200 Menschen bauen dieses Ding?)

Wissen Sie: Direkt neben Kassel, dort wo das ThyssenHenschel-Werk ist, gibt es eine Firma, die kennt kein Mensch. Sie heißt SMA.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Aber ich kenne sie!)

Der Herr Ministerpräsident kennt sie vielleicht. Herr Posch hat sie einmal als „Hidden Champion“ ausgezeichnet.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das Wort ist Scheiße; da sind wir uns einig!)

Sehen Sie. Es wollte ja keiner Anglizismen benutzen. – Diese Firma SMA macht Teile für Solaranlagen, die Gleichrichter. Sie hat 700 Beschäftigte; ein Großteil von ihnen ist hoch qualifiziert. Ich sage Ihnen:Wir schaffen es mit geringen Umschichtungen, mit dem, was wir vorschlagen, nicht nur die Zukunftsfragen zu lösen, sondern auch noch zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unser Vorschlag, wie man in bestimmten Bereichen antworten sollte.

Wir sind der Meinung, dass man den Verbraucherschutz und die Lebensmittelkontrolle in Hessen zumindest wieder arbeitsfähig machen muss, Herr Kollege Gotthardt, damit Sie auch weiterhin unbesorgt zubeißen können.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind der Meinung, dass wir eine andere Verkehrspolitik in Hessen machen müssen.

(Frank Gotthardt (CDU): Mit Rikschafahren kann man viele Arbeitsplätze schaffen! Das ist euer Zukunftskonzept!)

Da sagt der Mensch: Rikscha fahren. Mein lieber Mann.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Da hat er doch Recht!)

Wir haben 1995, nach vielen Jahren, einen Meilenstein in Hessen geschaffen, nämlich die Gründung der Verkehrsverbünde RMV und NVV. Sie haben nächstes Jahr zum