Protokoll der Sitzung vom 24.11.2004

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich werde nicht behaupten, dass wir mit diesem Weg ohne zusätzliches wirtschaftliches Wachstum eine Konsolidierung des Haushaltes hinbekommen, genauso wenig wie der Bundesfinanzminister, der, wie auch immer geschönt, jedes Jahr in der gleichen Situation ist, nämlich bei sehr hohen bis höchsten Nettoneuverschuldungen zu liegen. Er geht immer wieder mit Hoffnungszahlen nach Brüssel, die anschließend nicht erreicht werden. Auch nächstes Jahr wird das nicht gelingen. Er muss deshalb erklären, was ist. Er steht vor der gleichen Frage.

Die Kernfrage ist: Wie wächst die Wirtschaft in Deutschland wieder um 2,5 %? – Wenn diese Frage nicht beantwortet wird, dann – so muss man sagen – sollte sich das deutsche Volk am Ende eine neue Regierung suchen, bevor es aufgibt, auf dieses Ziel zu setzen, dass wir wieder normal in der wirtschaftlichen Entwicklung sein können, wie alle Länder in Europa um uns herum.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe Ihnen die Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung genannt.Wir können das mit den Entwicklungen erreichen.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist nicht meine mittelfristige Finanzplanung, sondern das, was der Bund vorgelegt hat. – Wir haben eine Perspektive, die aus den Maßnahmen der einschneidenden Veränderungen der „Operation sichere Zukunft“ einerseits und andererseits dem, was eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland für die Zukunft ermöglicht, und einer konsolidierten Entwicklung in diesem Lande besteht. Wir haben jetzt zwei oder drei Jahre, in denen nichts dafür spricht,dass diese Impulse unter den jetzigen Bedingungen mit dem faktischen Stillstand von Regierungspolitik in Berlin wirklich vorhanden sind. Jetzt müssen wir uns die Frage stellen – das hat etwas mit den Immobilienverkäufen zu tun –, ob wir unter dem Gesichtspunkt, dass wir die Verschuldensraten nicht weiter erhöhen können und dürfen, an dieser Stelle entweder im Wert von 800 Millionen c oder nach Ihrer Version im Wert von 400 Millionen c weitere Leistungen herausnehmen.

Dazu gibt es keine Alternative. Sie haben keinen einzigen Vorschlag zu der Frage gemacht: Was ist eigentlich mit diesem Delta, das aus Ihrer Sicht mindestens 1 Milliarde c betragen soll? Soll ich das kurzfristig ganz herausfahren? – Das bedeutet, weiter keine Lehrer einzustellen. Ich komme nachher einmal auf Erbach und SAP, aber hören Sie mit den Albernheiten auf. Das hat doch nichts mit der Frage in dieser Größenordnung zu tun.

(Zuruf von der SPD:Ach, so sehen Sie das!)

In der Größenordnung, was unser Problem ist, sind das Punkte, an denen Sie sich abarbeiten können, um eine politische Überschrift zu bekommen. Aber zur Beurteilung, wie Sie verantwortlich mit dem Lande umgehen, müssen Sie die Frage beantworten: Sind Sie bereit, in der Bildung Personal herauszunehmen? Sind Sie bereit, in der inneren Sicherheit weiter Personal herauszunehmen? Sind Sie bereit, im Straßenbau und in der Infrastruktur – wie bei den GRÜNEN und der SPD – Weiteres herauszunehmen?

Nur dann kommen Sie auf die Hunderte von Millionen Euro. Sind Sie bereit, mit uns darüber zu streiten, dass wir Investitionen an der Uni Frankfurt, Investitionen an der Uni Gießen, Investitionen an den Forschungseinrichtungen nicht machen sollen? – Wenn Sie zu all dem sagen,das

könne man im Augenblick nicht verantworten, dann wären wir in dieser Frage wenigstens einer Meinung.

(Wortmeldung bei der SPD)

Sie können nachher reden. Sie haben noch eine Stunde. – Wenn es an sich keine Möglichkeit gibt, dort Nein zu sagen, dann müssen Sie mit uns darüber reden, wie wir über die Durststrecke kommen. Ich sage ganz klar, und ich glaube, die Mehrheit im Landtag hat sich schweren Herzens entschieden, diesen Weg zu gehen: Wenn wir jetzt in Bildung, Sicherheit und Forschungseinrichtungen eingreifen, würden wir uns die Chance zum Wiedereinstieg unter vernünftigen Bedingungen kaputtmachen und damit die Chancen des Landes in einer Weise schädigen, wie wir sie nicht schädigen wollen.

(Beifall bei der CDU – Nicola Beer (FDP):Das machen Sie doch!)

Meine Damen und Herren, das sei nur noch hinzugefügt: Über die Zahlen, mit denen Sie als Opposition arbeiten, kann man teilweise nur noch staunen. Ich war auch lange Oppositionsführer. Ich weiß, dass man die Anträge möglicherweise etwas gelassener betrachtet,als wenn man sie in der Regierung verantworten muss. Aber so ein bisschen muss das doch alles gehen. Sie sind im Augenblick dabei, uns z. B. zu sagen, dass die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer – wenn ich die SPD-Anträge sehe – um 250 Millionen c steigen.

Wissen Sie, da muss man davon ausgehen, dass wir – das wissen Sie auch – etwa 6,8 %, vielleicht 7 % am Erbschaftsteueraufkommen in der Bundesrepublik Deutschland haben. Um Ihre Zahl zu erreichen, müsste man im nächsten Jahr ein Mehraufkommen an Erbschaftsteuer in Deutschland von 3,7 Milliarden c haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das bedeutet, dass Sie davon ausgehen, dass die Erbschaftsteuereinnahmen im nächsten Jahr durch Ihre Maßnahmen um 85 % erhöht werden.Wollen Sie allen Ernstes irgendjemandem hier seriös erklären, dass auch nur irgendeiner Ihrer Kollegen auf der nationalen Ebene eine Idee haben könnte, wie er im nächsten Jahr unter halbwegs verantwortlicher Politik oder durch irgendeinen Antrag, den Sie gemacht hätten, auf 85 % Erbschaftsteuererhöhung im nächsten Jahr kommt? – Entschuldigung, der Antrag ist bequem und dafür ausreichend, eine schöne Rede als Oppositionsführer zu halten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Aber mit der realen Lage der Bundesrepublik Deutschland und den Möglichkeiten hat er leider nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP) – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Dann kommen Sie zu einem herrlichen Antrag im Bereich der Verwaltungskosten bei uns. Sie müssen es doch einmal etwas herunterbrechen und lesen, meine Damen und Herren. Gut, Sie mögen keine moderne Datenverarbeitung.

(Norbert Schmitt (SPD):Ach!)

Das nehmen wir hin, und – das gebe ich zu – das ignorieren wir auch.

(Heiterkeit bei der CDU)

Sie werden im Jahre 2008 nicht in der Schwierigkeit sein, die Regierung zu übernehmen. Davon bin ich überzeugt. Aber wer auch immer es tun würde, der würde eine mo

derne Landesverwaltung, die an der ersten Stelle der Bundesrepublik Deutschland steht, vorfinden und nicht eine, die am Ende noch mit dem Rechenschieber arbeitet, nur weil die Sozialdemokraten aus Propagandagründen dort die Gelder gestrichen haben.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD)

Dann machen Sie da nur weiter und gehen in die Titelgruppen für Feinschmecker, wo immer alle hineinbuchen, wenn sie glauben, sie könnten schnell etwas kürzen. Es versteht kein Mensch, wenn in der Titelgruppe 51 gekürzt wird.Wenn Sie einmal genauer gucken – ich habe mir ausrechnen lassen, was das bei uns bedeuten würde, wenn man es machte –:Am Ende würden Sie nicht umhin kommen, etwa die Unterhaltungskosten für Kraftfahrzeuge um 30 bis 50 % zu kürzen. Dann würde ich Sie gerne sehen. Es gäbe dann die Presseerklärungen der Landräte, z. B. aus Darmstadt-Dieburg: „Ich habe nicht mehr genug Benzin für meine Veterinäre“, oder sonst was.

(Norbert Schmitt (SPD): So ein Quatsch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den letzten Jahren Jahr für Jahr alle Betriebskosten und Derartiges gekürzt.

(Reinhard Kahl (SPD):Das stimmt doch gar nicht!)

Sie wissen, dass jeder in der Verwaltung ächzt. Das ist auch in Ordnung so, weil wir zu wenig Geld haben. Aber herzukommen, einen Propagandaantrag zu machen und zu sagen,wir brauchen weniger Benzin in unserem Lande, ist für die intellektuellen Ansprüche, die Sie heute Morgen geäußert haben, zu wenig, wenn man in diesem Lande Gestaltung vornehmen will.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Wir haben eine schwierige Situation, in der wir über die Randbedingungen nicht glücklich sind und die Zahlen so verantworten, wie wir sie Ihnen dargelegt haben.Wir wissen, was Vermögensveräußerungen angeht – das ist meine Antwort auch ein wenig an die Kollegen der FDP –, dass es nicht verantwortlich ist, diese Frage auf ein Jahr zu reduzieren, sondern dass wir davon ausgehen müssen, dass die Krise, in der wir uns befinden, im Jahre 2006 nicht gelöst ist.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das sieht der Karlheinz schon anders!)

Sie wird durch eine Verringerung von Steuerausfällen ein bisschen kompensiert, weil niemand auf die Idee kommt, noch einmal die Steuern zu senken.

Übrigens verhehle ich nicht, dass ich froh gewesen wäre, wenn ich mich im Herbst letzten Jahres ganz hätte durchsetzen können. Ich sage Ihnen nach wie vor sehr offen: Die Steuersenkung, die der Bundeskanzler damals als einen weiteren Propagandatrick vorgenommen hat, hat, ökonomisch gesehen, absolut nichts gebracht. Das ist erwiesen. Aber unsere Haushalte wurden dadurch in weitere Schwierigkeiten gebracht.Aber dann wären die Senkungen halt im nächsten Jahr gekommen. Sei es also darum. Dort hätte man sie auf jeden Fall buchen müssen.

Im übernächsten Jahr wird es keine Steuersenkung mehr geben. Das wird die Einnahmen ein Stück weit stabilisieren. Aber das wird das Problem nicht lösen. Deswegen werden wir während dieser Durststrecke, die noch mindestens zwei oder drei Jahre dauern wird, nämlich so lange, bis wir wieder zu einem vernünftigen Wachstum kommen, die Finanzierung teilweise auch durch Vermö

gensveräußerungen vornehmen müssen. Deshalb wird manches von dem, was auch die Kollegen der FDP im Augenblick sagen, wahr werden. Das betrifft etwa die Frankfurter Messe.In einer Zeitung konnte ich heute lesen,dass es jetzt im Frankfurter Magistrat Chancen gibt, das mit dem Verkauf von Messeanteilen entspannter zu sehen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre sehr schön.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das soll auf Kosten des Landes gehen!)

Wir werden dann schon sehen, wie das von wem gemacht wird. – Aber wenn es eine Chance in diese Richtung gibt, dann bleibt hinsichtlich dieser Position sicherlich nichts zu diskutieren. Wir werden auch zu Vermögensveräußerungen von Dingen kommen, die wir nutzen. In Klammern möchte ich hinzufügen: Wenn das alles so unwirtschaftlich ist, wie zum Teil behauptet wird, dann erhebt sich die Frage, warum keine Frankfurter Bank mehr im eigenen Haus sitzt. Die stehen doch nicht alle kurz vor dem Konkurs.Vielmehr haben sie das aus wirtschaftlichen Gründen gemacht.

(Reinhard Kahl (SPD): Sie haben das aus steuerlichen Gründen gemacht!)

Man sollte da jedenfalls einmal nachfragen. Das gilt auch für die Mietverträge. Herr Kollege Walter, die Deutsche Bank hat ihre beiden Hochhäusern auch nicht auf drei Jahre zurückgemietet.Vielmehr hat sie sichergestellt, dass sie in diesen auf absehbare Zeit bleiben kann. Sie hat diesen Weg gewählt, weil sie sich von Investitionen, die in Zukunft fällig gewesen wären, vom Unterhalt des Gebäudes und anderem entlasten wollte. Das kann also durchaus sinnvoll sein. Das Land steht mit so einem Vorgehen also nicht alleine.

Wir werden mit diesem Konflikt eine Reihe von Jahren leben müssen. Deshalb sage ich ganz ausdrücklich zu den Änderungsanträgen der FDP-Fraktion: Ich glaube, dass das, was wir in diesem Jahr gemacht haben, richtig und ausreichend ist. Aber es wird die Diskussion, welche Vermögensveräußerungen zur Disposition stehen könnten,in den nächsten zwei oder drei Jahren weiterhin geben. Unter den Randbedingungen, die wir zurzeit haben, kann niemand die Hoffnung hegen, dass wir uns dem völlig entziehen könnten.

Die Frage ist: Was können wir in unserem Land tun, um die wirtschaftlichen Potenziale so zu gestalten, dass wir bei dem Aufschwung, den es in Zukunft geben wird, weit vorne sind? Ich bin davon überzeugt, dass es am Ende nationale Rahmenbedingungen geben wird, die dazu führen können, dass es zum Aufschwung kommt. Wir müssen wieder so weit vorne dabei sein, wie wir es in der Vergangenheit waren. Das kann mit all den Dingen gelingen, die in diesem Land gestaltet wurden. Außerdem ist es eine Tatsache, dass wir dort noch Potenziale haben.

Unsere Antwort wird genauso lauten, wie sie am ersten Tag unserer Regierung im Jahre 1999 hieß. Das Allerwichtigste hinsichtlich dieser Frage ist die Bildung.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Deshalb sind wir auf das stolz,was wir hinsichtlich der Bildung bisher geleistet haben.Wir wissen sehr wohl, dass es bei der PISA-Studie und anderen Studien keine Analyse geben kann, bei der man in dem einen Jahr gut und im anderen Jahr schlecht abschneidet. Denn Kinder befinden sich eine ganze Reihe von Jahren in der Schule. Sie entwickeln sich im Rahmen eines schulischen Konzepts. Dieses Konzept haben wir 1999 geändert. Das wurde inzwi

schen umgesetzt. Ich sage Ihnen:Wir werden uns im Jahre 2008 durchaus daran messen lassen, wie Hessen in den Studien im Vergleich zu den anderen Bundesländern abschneidet.Denn wir befinden uns auf einem Weg,von dessen Richtigkeit wir überzeugt sind.

Sie schieben dort immer einen einzelnen Herrn sehr in den Vordergrund. Dazu will ich Ihnen eines sagen: Herr Schleicher ist sehr eng mit der GEW verbunden. Er zieht aus den Zahlen, deren Richtigkeit wir durchaus teilen, eine einseitige Schlussfolgerung. Er sagt nämlich: Ich als Protagonist integrierter Schulsysteme lese aus dieser Statistik,dass nur die integrierten Schulsysteme eine Zukunft haben. – Wir sagen Ihnen: Nein, das lesen wir nicht aus dieser Statistik. Wir glauben, ein gut organisiertes, gegliedertes Schulsystem wird den Menschen besser gerecht. Am Ende werden wir mehr leistungsfähigere Menschen haben als andere.