Sie schieben dort immer einen einzelnen Herrn sehr in den Vordergrund. Dazu will ich Ihnen eines sagen: Herr Schleicher ist sehr eng mit der GEW verbunden. Er zieht aus den Zahlen, deren Richtigkeit wir durchaus teilen, eine einseitige Schlussfolgerung. Er sagt nämlich: Ich als Protagonist integrierter Schulsysteme lese aus dieser Statistik,dass nur die integrierten Schulsysteme eine Zukunft haben. – Wir sagen Ihnen: Nein, das lesen wir nicht aus dieser Statistik. Wir glauben, ein gut organisiertes, gegliedertes Schulsystem wird den Menschen besser gerecht. Am Ende werden wir mehr leistungsfähigere Menschen haben als andere.
Ich will das jetzt nur sagen, um die Aussage dieser Experten in Grenzen zu halten. Der deutsche Koordinator der Lehrerstudie der OECD, Herr Krüger, hat gestern dazu gesagt, dass er den aufgrund der neuen Ergebnisse des PISA-Tests ausgelösten Streit um das dreigliedrige Schulsystem für nebensächlich hält. Krüger sagte in Hannover, wichtig für gute Bildung seien das didaktische Können der Lehrer und das, was in den Schulen an Erziehung gemacht werde. Da etwas Gutes hinzubekommen, sei die Aufgabe der Bundesländer. Das sehen wir so. Dafür steht Karin Wolff.
Wir werden uns da ganz sicher nicht beirren lassen und an diesem Kurs festhalten. Wir werden mit der Architektur weitermachen, die wir für die drei Schulformen gefunden haben, nämlich mit den eigenständigen Profilen. Wir gehen eben nicht davon aus, dass alle das Gleiche können und können müssen. Vielmehr gibt es, Gott sei Dank, in dieser Gesellschaft sehr unterschiedliche Anforderungsprofile, für die man in der Schule auch entsprechend unterschiedlich ausgebildet werden sollte. Wir wollen Menschen eine sehr viel größere Stärke geben, sich zu entwickeln und ihre Chancen zu nutzen, als man das in einem einheitlichen Schulsystem haben könnte. Ich rate Ihnen gerne: Kommen Sie mit Ihrer Forderung doch auf ein integriertes Schulsystem vom ersten bis zum zehnten Schuljahr zurück. Wissen Sie, wir haben in Hessen relativ gute Erfahrungen gemacht, mit Ihnen darüber zu streiten, ob die Zerstörung der Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien und deren Ersatz durch integrierte Gesamtschulen richtig oder falsch sind. Falls Sie diese Auseinandersetzung im Jahre 2008 noch einmal haben wollen, dann lade ich Sie dazu gerne ein.Wir haben da eine klare Position. Wir glauben, dass die Kinder in diesem System besser gefördert werden als in einem anderen.
Herr Kollege Walter, ganz wohl ist Ihnen bei dieser Sache nicht. Das kann man sehen, wenn man sich das Interview anschaut, das Sie dem „Weilburger Tageblatt“ gegeben haben. Dort sagt Herr Walter, während die Konservativen an dem dreigliedrigen Schulsystem festhalten wollten, stehe seine Partei für etwas anderes. Der Reporter des „Weilburger Tageblatts“ fragt dann, ob es sich da um ein integriertes System, sprich: Gesamtschule, handele. Dazu sagt Herr Walter:Wir wollen uns jetzt nicht auf einen Namen festlegen, aber in den Schulen muss es mehr Zeit für Zusammenarbeit geben.
Sie befinden sich auf dem Rückweg zu der Ideologie des Herrn Holzapfel. Dessen Ideologie war falsch, ist falsch und wird falsch bleiben.Wenn Sie wollen, machen Sie mit Assistenz des Herrn Bökel und allen anderen, die sich mit dieser Frage noch beschäftigen werden, Werbung. Das ist Ihre Sache. Wir sind davon überzeugt, dass wir auf dem besseren Weg für unser Schulsystem im Bundesland Hessen sind.
Das ist Ihre altbekannte Ideologie, die sich auf der Idee von Hoch und Tief gründet. Sie hätten sich darum kümmern sollen, dass sich die Hauptschulen in einem Zustand befinden, dass man dort einen verlässlichen Bildungsabschluss erzielen kann.Dann hätten wir nicht im Jahre 1999 ein Schulsystem übernehmen müssen, in dem diejenigen, die die Hauptschule durchlaufen haben, in der Wirtschaft keine Aufnahme mehr fanden, weil während Ihrer Regierungszeit mehr sozialpädagogische Zeugnisse als Leistungsnachweise ausgestellt wurden. Ich sage Ihnen dazu: Nein, das war falsch. – Wir wollen, dass jeder Schüler entsprechend seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten ein gutes Zeugnis erhält,mit dem er nachweisen kann,dass er etwas gelernt und getan hat. Dann wird er nämlich erfolgreich sein.
Lösen Sie sich von dem Gedanken, dass ein Handwerksmeister weniger wert sei als ein promovierter Arzt.
Ich sage Ihnen sogar: Lösen Sie sich von dem Gedanken, dass ein Handwerksmeister weniger verdient als ein promovierter Arzt. Denn auch das entspricht nicht mehr der Realität.
Sie sollten sehen,dass diese Gesellschaft von ihrer Vielfalt lebt. Sie lebt zwar auch von den wissenschaftlichen Assistenten,die es an der Universität gibt,sie lebt aber genauso auch von den hoch qualifizierten Facharbeitern. Sie lebt von den Handwerkern dieses Landes. Die Schule hat aber nur theoretische Fähigkeiten abverlangt. Wir haben das in der Hauptschule dann anders gemacht. Mit Werkstücken kann man jetzt einen Teil seiner Schulausbildung bestreiten. Die Leute erhalten dadurch eine Ausbildung, mit der sie eine erfolgreichere berufliche Karriere erzielen können, als es manche akademische ist. Das bedeutet das Ziel, gerecht zu sein. Wir wollen, dass jeder Einzelne im schulischen Leben das für ihn Richtige macht.
Wenn wir schon über die Ergebnisse der PISA-Studie reden, dann müssen wir uns auch um die Probleme kümmern, die es da gibt. Das betrifft z. B. die Frage, warum diese Abschlüsse schlechter sind. Ja, vielleicht auch wir, aber zumindest Sie haben einen großen Fehler gemacht. Das betrifft die Frage der Integration nicht deutscher
Kinder in der Schule. Ich sage da: Zumindest haben auch Sie diesen Fehler gemacht. Denn das, was wir 1999 vorgefunden haben, war völlig unzureichend.
Vieles,was in dem Bericht der PISA-Studie steht – das betrifft auch die verhärteten Fronten hinsichtlich der Diskussion über das Thema, welche Aufstiegschancen es gibt oder nicht –, zeigt, dass es in Deutschland eine besondere Situation aufgrund der hohen Migrationsrate gibt. Ich möchte nicht, dass das über die Migration geändert wird. Vielmehr möchte ich, dass wir mit Migranten anders umgehen. Dazu möchte ich sagen: Das ist doch eine spannende Frage in der Bildungspolitik. Sie lautet: Wie erreichen wir es denn, dass in der Schule alle, und zwar unabhängig davon, wo sie oder ihre Eltern herkommen, die gleichen Möglichkeiten haben, entsprechend ihrer Intelligenz und ihren Fähigkeiten in die richtige Schulform zu gehen?
Wenn denn alle in der 1. Klasse Deutsch können, dann werden auch alle die gleichen Chancen haben, eine Schulentwicklung zu nehmen, die sich nur an ihrer Leistung ausrichtet und nicht daran, wie gut ihre Sprachkenntnisse sind.Wir haben da eine ziemliche Diaspora vorgefunden. Hier wird immer groß darüber geredet, wie das ist. Das betraf Hessen vor 1999. Aber ich möchte Ihnen auch ein Ergebnis der PISA-Studie vortragen.Das ist ein Stück aus dem offiziellen Text, den ich Ihnen jetzt vorlesen möchte:
Tendenziell zeigt sich, dass Jugendliche mit Migrantengeschichte insbesondere in Bremen,im Saarland und in Schleswig-Holstein ein deutliches niedrigeres Leistungsniveau erreichen als in Bayern oder Baden-Württemberg.
Wir wollen uns in Zukunft eher mit Bayern und BadenWürttemberg vergleichen.Wir wollen, dass wir bei der Integration von Migranten ins schulische Leben gut sind.
Meine Prognose heute ist, dass Sie im Jahre 2008 und danach, wenn die Untersuchungen stattfinden, feststellen werden, dass die Sprünge, die wir in Hessen nach oben machen, zu einem ganz beachtlichen Teil daran liegen, dass wir das Land sind, das sich am konsequentesten mit Integration auch in Bezug auf die Schule beschäftigt hat. Es ist vielleicht nicht ganz ein Wunder, dass das System von Vorlaufkursen, das wir erfunden haben, inzwischen flächendeckend über die anderen Bundesländer hinaus entwickelt wird, dass es in Nordrhein-Westfalen genauso nachgemacht wird, wie wir auch die Vereinbarung mit Baden-Württemberg haben, das auszutauschen. Ich sage in diesem Zusammenhang, dass es vielleicht auch nicht ganz verwunderlich ist, dass die Art, wie wir Integrationsarbeit mit den Integrationsbeiräten machen – bei uns gegen Ihren erbitterten Widerstand erfunden worden –, jetzt Land für Land übernommen wird. Gerade übernimmt der rotrote Senat in der Bundeshauptstadt Berlin das hessische Modell der Integrationsarbeit, weil sich erwiesen hat, dass es das vernünftigste ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Schule und Integrationsarbeit, das gehört für uns, auch wenn wir über PISA reden, sehr zusammen.Wir werden beides mit aller Konsequenz verfolgen, weil wir davon überzeugt sind, dass es richtig und notwendig ist.
Lassen Sie mich noch einen Satz dazu sagen, weil es gestern eine Rolle gespielt hat und es mir wirklich wichtig ist. Es ist behauptet worden, dass das achtjährige Abitur die Abiturientenquote verringert, dass wir sie damit absenken. Man muss die Statistiken lesen.Wir haben in Hessen bei dem neunjährigen Verfahren einen Anteil von 30,5 % Abiturienten, bezogen auf die Schulabgänger. Die Thüringer, unsere Nachbarn, haben seit vielen Jahren das achtjährige Abitur und einen Anteil von 30 %. Das ist ein „beachtlicher“ Unterschied. Die Nordrhein-Westfalen arbeiten noch mit neun Jahren – das müsste ein Land Ihres Vertrauens sein – und haben einen Anteil von 29,5 %. Die Sachsen haben einen von 28,3 %.
Meine verehrten Damen und Herren, hören Sie einfach auf,permanent Leuten Angst zu machen.An der Stelle sagen Sie, es gibt weniger Abiturienten mit dem achtjährigen Abitur. Ich sage Ihnen, wir sind eines der letzten Länder in der Bundesrepublik Deutschland, die diese Umstellung vornehmen. Es wäre unverantwortlich, unsere Kinder zu nötigen, ein Jahr länger in die Schule zu gehen als die anderen, denen sie später an der Universität und im Beruf begegnen werden.
Wir machen es jetzt und werden dafür sorgen,dass es auch in Hessen einen fairen Übergang in das Abitur gibt wie für alle anderen auch.
Schule und Bildung sind der erste und wichtigste Punkt, an dem die Veränderungen und die Chancen des Aufstiegs für ein Bundesland wie Hessen liegen. Der zweite ist, unbestreitbar, die Frage der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Herr Kollege Walter, wir werden dabei bleiben, dass wir Rahmenbedingungen schaffen. Selbst wenn Herr Clement sich an der einen oder anderen Stelle etwas engagiert; wenn Länder damit anfangen, wird es schwierig. Ich bleibe auch bei der festen Überzeugung, dass Staaten als Unternehmer nicht taugen.Aber sie finden Unternehmer, die klug genug sind, an den Platz zu gehen, an dem es für sie am besten ist.
Wir müssen allerdings bei den Rahmenbedingungen moderne internationale Entwicklungen berücksichtigen. Herr Kollege Al-Wazir, der Transrapid ist insofern ein gutes Beispiel, weil es erklärt, wo unser Unterschied liegt. Ich kämpfe für den Transrapid nicht in erster Linie,weil es um 400, 600 oder 800 Arbeitsplätze in Kassel geht. Ich glaube, es bleibt nicht bei einer Strecke. Wenn er gebaut wird, dann ist er eine Chance für einen industriellen Kern in Kassel, wie groß er auch immer wird. Schließlich werden viele der Dinge irgendwo auf der Welt gefertigt und nicht alle bei uns. Die großen Konglomerate gibt es nicht mehr.
Aber was passiert im Augenblick bei Transrapid? Das ist unsere Krankheit in Deutschland: Es gibt keine Ideen für Innovationen mehr. Wenn ein Transrapid entwickelt wird – genauso, wenn man gerne bemannt zum Mars fliegt, was die Amerikaner jetzt entwickeln; mir ist vergleichsweise egal, wohin man fliegt –, dann entsteht, wie wir aus der Historie der letzten Jahrzehnte wissen, aus solchen Entwicklungen ein Mehrfaches an Ideen, aus denen man Geld verdienen kann, mit denen man wirtschaftliche Entwicklung betreiben kann. Das geschieht beim Suchen nach Lösungen für das alte Problem.
Ich hätte gerne, dass in Kassel das Entwicklungsdenken, das Produktionsdenken, die Art, wie man eine solche Maschine in Zukunft baut, auf Dauer verhaftet sind, dass die Ersten gebaut werden, dass sie fortentwickelt werden müssen, dass sie im Wettbewerb mit Japanern und Chinesen sind, dass es wieder neue elektrotechnische Antriebsmethoden geben muss, dass es neue Materialentwicklungen geben muss, um damit fertig zu werden, dass es neue elektronische Steuerungseinheiten und Kommunikationseinheiten geben muss, dass Materialfragen bei den Schienen eine Rolle spielen – eine endlose Sache.
Die werden alle irgendwann beim Transrapid landen. Aber davor wird es viele geben, die bei der Firma kündigen und sagen: Meine Firma kann mit der Idee nichts anfangen, aber ich gründe meine eigene Firma. – Die fangen an, die Idee an die nächste Firma zu verkaufen.
Unser Problem in Deutschland ist, dass wir zu wenig zielgerichtetes Suchen nach neuen Ideen haben, mit denen wir auf der Welt Geld verdienen können.Das gilt übrigens auch für Kernenergie.Sie hat nicht nur etwas mit dem Bau des Reaktors zu tun, sondern alles, was mit physikalischen Dingen und Steuerung zusammenhängt, wandert aus unserem Land ab, mit vielen Effekten in anderen industriellen Branchen, die nicht mehr bei uns sind. Wir haben in den letzten Jahren bei modernen Techniken immer zu früh Nein gesagt und verlieren nicht nur die Technik, sondern wir verlieren die Menschen, die das Wissen haben, aus dieser Technik Zukunftsentwicklungen zu machen. Deshalb will ich den Transrapid nach wie vor als eine technologische Chance für die Zukunft haben.
Diese Art von Wirtschafts- und Industriepolitik brauchen wir auch in Zukunft. Aber was wir im Wesentlichen machen müssen, ist die Infrastruktur drum herum. Das ist z. B. der Straßenbau, aber auch der Bau von Universitäten. Wissensinfrastruktur auf der einen Seite und Verkehrsinfrastruktur auf der anderen Seite, das sind die beiden Elemente, aus denen die wirtschaftlichen Entwicklungschancen eines Bundeslandes kommen.Wenn wir in diesen beiden Dingen gut sind, werden sich Unternehmer finden, die – vorausgesetzt, dass die Bildungseinrichtungen vernünftig sind, die zur Wissenschaftsstruktur gehören – an dieser Stelle sagen, dass das Menschen und Umgebungen sind, bei denen man das macht.
Der erste Punkt ist, dass man hinkommen muss.An einem Platz, zu dem man nicht hinkommt, können noch so kluge Menschen leben – sie sind in einer globalisierten Welt nicht so schrecklich gut aufgestellt.
Diese Frage Ort für Ort zu lösen ist immer noch ein Teil Nachholarbeit in Hessen. Es ist immer noch ein Teil, der mit Schwierigkeiten verbunden ist. Deshalb sage ich Ihnen ganz klar: Ja, wir wollen im Straßenbau noch Weiteres tun. Wir haben auch nicht die Illusion, dass wir die ballungsraumfernen Gebiete dauerhaft mit öffentlichen Nahverkehrssystemen verbinden können. Das heißt, es wird auch in Zukunft eine Menge Autos geben.
Wir wollen mit diesen Autos übrigens auch Geld verdienen. Das Projekt „Staufreies Hessen 2015“ ist im Wesentlichen kein Straßenbauprogramm, sondern ein Programm, wie wir Automobilunternehmen, IT-Unternehmen und Telekommunikationsunternehmen dazu bringen, in dieser Region Dinge zu erfinden und erstmals auszuprobieren, die man in die ganze Welt verkaufen kann, um Verkehrsmanagement zu organisieren. Wir wollen, dass das in diesem Land funktioniert, und wir glauben,
dass es ein Wettbewerbsvorteil ist, eine Region zu haben, die als Ballungsraum besonders verkehrsattraktiv ist, auch für Autos. Wir sind nicht wie die GRÜNEN gegen Autos, sondern wir glauben, dass nahezu jeder Bürger eines hat und dass er nicht jeden Tag ein schlechtes Gewissen dafür haben muss.