Protokoll der Sitzung vom 24.11.2004

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber von dieser Frage wird die Region Rhein-Main nicht zentral leben können, sondern die Frage, von der wir zentral leben werden, ist die Entwicklung des Frankfurter Flughafens.An dieser Stelle sage ich als Erstes:Wir haben im Raumordnungsverfahren eine schwierige Beschlussfassung gehabt, die in dieser Form ohne die Mitwirkung der Sozialdemokraten in der Planungsversammlung nicht möglich gewesen wäre. Da ich den Kollegen Walter an anderer Stelle und auch schon an dieser Stelle härter attackiert habe, sage ich ihm, dass ich das ausdrücklich anerkenne. Im Sinne dessen, was Sie im Landtag gesagt haben, ist das aus meiner Sicht erstmals in dieser Klarheit ein Zeichen, dass es eine Möglichkeit gibt, in einer schwierigen Phase zusammenzuarbeiten. Wir hoffen, dass wir im rechtsstaatlich geordneten Verfahren so schnell wie möglich die Genehmigung für die A-380-Halle bekommen. Wir hoffen, dass wir im geordneten Verfahren weiterhin im Zeitplan die Ziele erreichen, die sich mit der Weiterentwicklung des Flughafens insgesamt befassen.

In diesen Tagen trage ich einen Haushalt vor, zu dem ich sage, dass wir die Konsolidierungsmaßnahmen, die wir schon angefangen haben, weiterführen müssen und auf der anderen Seite wirtschaftliches Wachstum brauchen.In dieser Situation gibt es in der Bundesrepublik Deutschland im Augenblick kein anderes Bundesland, das die Chance hat, mit einer zentralen Infrastrukturentscheidung 40.000 Arbeitsplätze – es können auch mehr sein – in einer überschaubaren Zahl von Jahren in einem wirklich wichtigen Raum unseres Landes zu schaffen. Wer sich dem verweigert,wer am Ende sagt,es gibt möglicherweise eine kurze Zukunft für einen Teil von Bannwald, aber nicht darüber redet, dass es eine Zukunft für Tausende von Arbeitsplätzen gibt, während sie bei Opel und der Deutschen Bank gerade wegfallen, der hat die Krise dieser Zeit nicht begriffen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich lese in der Analyse der Wählerschaft der GRÜNEN, dass es sich um die Partei mit dem weitaus höchsten Anteil von Menschen, die sich in unkündbaren Stellen befinden, handelt. Das mag sein. Es gibt aber genug in dieser Region, die im Augenblick verdammt viel Angst darum haben, ob ihr Arbeitsplatz bleiben kann.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Geschichte mit dem Caltex-Gelände, das die Flughafengesellschaft jetzt kauft, war ein guter, wichtiger und richtiger Schritt. Die Gemeinden verfolgten das Ziel, mit dem Kauf und dem Bebauungsplan eines Grundstücks die Weiterentwicklung des Flughafens zu verhindern. Die Flughafen AG wird jetzt mehr Arbeitsplätze schaffen, als zur gleichen Zeit bei Opel in Rüsselsheim in Gefahr sind. Da können Sie hautnah sehen, worum es an dieser Stelle geht.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb brauchen wir das. Wir brauchen ebenso die zentralen Straßenverbindungen. Gestern Mittag ist es schon

diskutiert worden. Die Debatte über manches in Mittelhessen können wir entspannter führen, wenn wir die A 49 haben. Der Sontraer Bürgermeister hat sehr richtig gesagt, es sei schlimm mit der Bundeswehr, aber wenn die A 44 gebaut werde, sehe er eine Perspektive für seine Gemeinde.

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Er hat Recht. Er muss nur nach Bad Hersfeld herunterschauen und sieht, dass es dort geht. Diese Straßenprojekte sind von Rot-Grün immer behindert und torpediert worden. Wir haben eineinhalb Jahrzehnte rot-grüne Blockade erst im Land und dann im Bund hinter uns. Diese Straßen hätten in Zeiten, in denen wir auch noch mehr Geld zur Verfügung hatten,längst in Priorität durchgesetzt werden können, wenn nicht Sozialdemokraten und GRÜNE dabei geholfen hätten, diese Straßen zu verhindern. Das muss jeder in dieser Region wissen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Walter, ich nehme Ihre Anregung ausdrücklich auf – der Bundeskanzler hat sich dazu ja beim internationalen Flugforum in Berlin auch geäußert –: Die Bundesrepublik Deutschland und die Länder können sich Planungsverfahren dieser Art auf Dauer nicht leisten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Am Beispiel der A 49 sage ich dies nun auch klar: Die Abwägungskriterien stimmen nicht mehr.

(Beifall der Abg. Frank Gotthardt (CDU) und Dieter Posch (FDP))

Alle, auch die sozialdemokratischen Kollegen nehme ich in Anspruch, sind sich darüber einig, dass nach einer jahrelangen Abwägung die Herrenwaldtrasse die geeignetste ist. Sie ist auch die einzige Trasse, die zu vertretbaren wirtschaftlichen Bedingungen zu bauen ist.

Wenn ich dann sehe, dass wir gesetzlich dazu verpflichtet sind, dort die Kammmolche zu zählen, und mir dann gesagt wird, das sei eine Population, die es verhindere, diese Trasse zu wählen, kann ich nur sagen: Seht einmal beim NABU nach, wo es überall Kammmolche gibt. Ich empfehle es, es gibt eine Internetseite, auf der man die einzelnen Tiere ansehen und näher kennen lernen kann.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): www.derkammmolchundich.de!)

Dort gibt es ein herrliches Bild vom Kammmolch, unter dem steht: Kammmolche kommen praktisch überall in Deutschland vor.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ist das wahr? – Heiterkeit bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn wir im Artenschutz nicht abwägen können, weil es sich beispielsweise um die einzigen fünf Brutpaare handelt, die wir im Bundesland haben, dann kann es auch sein, dass es 200 Millionen c und zwei Jahre mehr wert sein muss, ein bestimmtes Gebiet zu umfahren, zu untertunneln oder sonst etwas. So wie wir es aber im Augenblick machen, machen wir uns vor den Bürgerinnen und Bürgern im Land lächerlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Manfred Schaub (SPD): Dann sagen Sie es doch Minister Rhiel!)

Herr Kollege Schaub, ich unterstütze Herrn Kollegen Rhiel.Wir werden auch gegen die vorliegenden Bedenken

einschreiten und sagen: Es muss an dieser Stelle trotzdem geschehen. – Das wird nicht einfach sein.

Wir müssen zweitens ein nationales Recht haben, in dem der Deutsche Bundestag bei nationalen Projekten – ein Flughafen ist ein nationales Projekt – entscheiden kann, dieses Projekt ist jetzt prioritär. Dann muss das in einem Planungsverfahren durchgeführt werden, in dem am Ende auch respektiert wird, dass aus ökonomischen Gründen, der Frage der Qualität von Wohngebieten, der Frage und der Zukunft von Arbeitsplätzen entschieden wird. Wir werden alles tun, um in anderen Bereich zu renaturieren, wir werden auch Arten umsiedeln. Zum Schluss hat jedoch die ökonomische Entwicklung eine Priorität, die nicht durch jedes Vorkommen, z. B. durch Kammmolche oder Hirschkäfer, verhindert werden kann. – Auch das heißt: die Zeichen der Zeit nicht verkennen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden dies in eine Landesentwicklungsplanung einfügen. Die Landesentwicklungsplanung wird im Sinne demographischer Entwicklung der Zukunft, im Sinne der Standorte in den einzelnen Bereichen, eine zunehmende Bedeutung erhalten. Wir glauben, dass wir die Tradition einfachen Fortschreibens von Daten, wie wir es über viele Jahre gemacht haben, nicht weiter aufrechterhalten können.

(Zuruf des Abg. Manfred Schaub (SPD))

Ich bin nicht bereit, einem Landkreis wie dem WerraMeißner-Kreis am Ende zu sagen, dass wir in unseren Planungsvoraussetzungen davon ausgehen, dass im Jahre 2050 dort nur noch halb so viele Menschen leben wie heute.Das berücksichtigt z.B.nicht,dass wir glauben,dass die A 44 in diesem Raum eine neue ökonomische Situation bietet.

Das berücksichtigt nicht die Chance, die wir haben, wenn wir uns regional mit Initiativen in der Infrastruktur beschäftigen. Das müssen wir in jeder Gemeinde und in jedem Landkreis tun. In den nächsten Jahren werden wir uns damit beschäftigen müssen, was zu tun ist, um auf die demographische Entwicklung Einfluss zu nehmen. Familienpolitik und Schulen mit Ganztagsbetreuung und Betreuungseinrichtungen insgesamt sind ein Teil, aber keineswegs alles, was dazu gehört.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Ach!)

Das muss in einer vernünftigen Planung zusammengeführt werden. Die Landesentwicklungsplanung ist dafür ein bedeutender Ansatz. Ich möchte den Hessischen Landtag darüber unterrichten, dass sich die Hessische Landesregierung dazu entschieden hat, Ihnen vorzuschlagen, dass wir bei der Beschlussfassung über die Landesentwicklungsplanung eine Demokratisierung der parlamentarischen Ebene dadurch einführen, indem Entscheidungen über die Landesentwicklungsplanung mit in die Hand des Hessischen Landtags gegeben werden sollen.

(Dieter Posch (FDP): Na prima!)

Wir werden das so genannte bayerische Modell – es gibt zwei unterschiedliche Versionen in Niedersachsen und Bayern – ansteuern und Ihnen zu gegebener Zeit, d. h. sehr schnell, eine Änderung des Landesplanungsrechts vorlegen, nach der die Rechtsverordnungen zur Landesentwicklungsplanung der jeweiligen Beratung und Beschlussfassung des Hessischen Landtags bedürfen.

(Jürgen Walter (SPD):Wir begrüßen das!)

Ich verhehle nicht, dass dies schon in Kraft treten wird, wenn der Landesentwicklungsplan für den Frankfurter Flughafen geändert wird. Wir werden das nicht erst nach dem Flughafen machen, sondern vorher, damit der Hessische Landtag an dieser Stelle eine Chance hat, mit zu beraten und zu beschließen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir werden in der Diskussion der nächsten Jahre immer mehr zu der Fragestellung kommen, wie es gelingen kann, die verschiedenen Aspekte, die zu wirtschaftlicher, sozialer und demographischer Entwicklung gehören, zusammenzuführen. Ich will nicht die dicken Pläne wieder haben, die noch zu Albert Osswalds Zeiten die Hessenpläne waren. Mir erscheint das zu viel Papier.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das war auch Lyrik!)

Dieser Ansatz, dass wir etwas koordinierter und mehr mit Menschen aus den Regionen über Entwicklungstrends sprechen, erscheint mir richtig. Die Einbeziehung des Hessischen Landtags zu Entscheidungen über Landesentwicklungspläne ist der formale Ansatzpunkt dafür, sie auch auf eine breitere Basis zu stellen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Erlauben Sie mir dabei bitte eine vorletzte Bemerkung: Die Entwicklung im Lande darf und wird man in diesen Fragen nicht ganz von der Frage der kulturellen Investition lösen können.Die Hessische Landesregierung hat Ihnen mit diesem Haushalt vorgeschlagen, in der mittelfristigen Entwicklung eine wesentliche Investition in Kassel vorzunehmen. Dies ist zum einen mit dem Gedanken verbunden,öffentlich zu dokumentieren,wie ernsthaft wir an der Bewerbung der Stadt Kassel als Kulturhauptstadt für das Jahr 2010 interessiert sind.

Die Stadt Kassel ist für diese Bewerbung gut aufgestellt. Aber in keiner anderen Stadt Hessens hat das Land mehr kulturelle Verantwortung aufgrund der Einrichtungen als dort.Wir wollen als Land Hessen zeigen:Wir wollen, dass Kassel gewinnt und einen Platz als Kulturhauptstadt einnehmen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren,dies hat ökonomische Effekte. Es macht nicht nur die Museen schöner, und wir können unser kulturelles Erbe wieder zeigen – Ruth Wagner würde zuerst darauf hinweisen; das ist auch richtig –, sondern es erhöht auch Übernachtungszahlen, es unterstützt uns auf unserem Weg, die Region Nordhessen immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses auch jenseits der deutschen Grenzen zu rücken, sie als eine europäische Zentralregion bekannt zu machen, die sich für viele Aufgaben,von Tagungen über Logistik bis hin zum Tourismus, eignet. Für uns ist dieser Teil kultureller Arbeit ein Teil von Wirtschaftsförderung und von Kulturarbeit. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir damit neben den Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen und neben den Wissensinfrastrukturmaßnahmen einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass sich die nordhessische Region auf Dauer in der gleichen Weise entwickeln kann, wie dies die südhessische in der Vergangenheit schon konnte.

Eines sollten wir nicht unterschätzen: Der Wirtschaftsminister hat vor einiger Zeit herausgefunden – der Kollege Posch hatte das noch angeregt –, dass im Bereich der Kulturwirtschaft 120.000 Menschen beschäftigt sind. Sie weist

einen Umsatz auf, der größer ist als das, was die hessische chemische Industrie oder die Kfz-Industrie an Umsatz generieren.Wir haben mit der Literatur, mit den Buchmärkten, mit der Kommunikationsindustrie eine Menge an Voraussetzungen für die Zukunft.

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, ich sage Ihnen: Es gibt eine interessante Statistik, die das Statistische Landesamt gerade veröffentlicht hat. Darin können Sie sehen, dass der Anstieg der Kulturfinanzierungen in Hessen in den Jahren von 1991 bis 1998 einen rüden Bruch erlitten hatte. Vorher war es nicht unvernünftig, und nachher ist es gut geworden. Wir befinden uns dort im Vergleich zu anderen auf einer Aufholjagd. Wenn man allerdings – auch bei der Kulturhauptstadtbewerbung – so manches sieht, dann weiß man, dass es durchaus einiges gibt, bei dem wir in absehbarer Zeit beim besten Willen nicht mithalten können.

In diesem Zusammenhang sage ich jetzt zwei Sätze zu Erbach. Denn so unterschiedlich ist das nicht. Es geht nicht um 200 Millionen c wie am Ende in Kassel, sondern es geht um 13 Millionen c. Das ist richtig.