Protokoll der Sitzung vom 26.11.2004

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz und Boris Rhein (CDU))

Wir haben hier eine CDU-Mehrheit und einen Innenminister, der in den letzten zwei Jahren in seinem Verantwortungsbereich einen Anstieg der Kriminalität um 11 % hatte.

(Boris Rhein (CDU): Wie steht es mit der Aufklärungsrate?)

Wir haben eine CDU-Mehrheit und einen Innenminister, die gleichzeitig 1.000 Stellen von Polizeibeschäftigten in den nächsten Jahren streichen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Boris Rhein (CDU))

Wir haben eine CDU-Mehrheit und einen Innenminister, die zusätzlich die Situation haben, dass mehrere hundert Stellen von Polizeibeamtinnen und -beamten unbesetzt oder fehlbesetzt sind. Wenn man dann in der Sache eine Situation zu verantworten hat,in der die Mehrheit der Polizeibeamtinnen und -beamten das Gefühl bekommt, dass sie von den Verantwortlichen alleine gelassen werden, dann kommt man auf die Idee, schnell ein Gesetz zu machen, damit man sagen kann:Wir sind die Härtesten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Lebhafte Zurufe der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz und Boris Rhein (CDU))

Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich etwas für die Sicherheit in diesem Lande tun wollen, dann müssen Sie die zuständigen Behörden in die Lage versetzen, die bestehenden Gesetze anzuwenden, und dürfen nicht auf die Idee kommen, Gesetze zu verschärfen, obwohl noch nicht einmal die Ressourcen da sind, um die bestehenden Gesetze zu 100 % effizient anzuwenden. Genau das ist der Hintergrund, warum Sie hier solche Gesetzentwürfe einbringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur FDP kann ich sagen: Im Ausschuss haben wir differenziert zu Ihrem Antrag gestimmt.Wir sind der Meinung, dass es richtig ist, dass man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf den Lauschangriff akzeptieren muss. Dazu sind die Mehrheit und diese Regierung hier nicht bereit.

Wir sind im Umkehrschluss der Meinung, dass es falsch wäre, den DNA-Abgleich bei strafunmündigen Kindern auch noch auf schuldunfähige Personen erweitern zu wollen. Ich weiß, dass die FDP intern eine heftige Diskussion darüber führt, dass sie einmal wieder zeigen muss, wie sie vor 20 oder 25 Jahren war. Denn wenn nur noch Wirtschaftsliberalismus übrig bleibt und die Merz-Linie sich in der Union irgendwann völlig durchsetzt, stellt sich die Frage, warum man Sie eigentlich noch braucht.

Herr Kollege Al-Wazir, Sie müssen zum Ende kommen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war so schön in Utopia! Lassen Sie ihn doch noch, Herr Präsident!)

Das habe ich befürchtet, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren, mit solchen Änderungsanträgen und am Ende dem Werfen von Wattebäuschchen und der kraftvollen Enthaltung zu einem solchen Gesetz kommen Sie nicht zum Bürgerrechtsliberalismus zurück. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Hessen erhält mit diesem neuen Polizeigesetz das modernste,das effizienteste und nach meiner tiefen Überzeugung auch das zwischen den individuellen Freiheitsrechten und den Notwendigkeiten der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung korrekt abgewogene Polizeigesetz.

(Beifall bei der CDU)

Ich will mich in der Debatte auf zwei oder drei Punkte beschränken. Zunächst will ich festhalten, worüber wir uns hoffentlich einig sind. Die Polizei braucht einen rechtlichen Rahmen. Sie braucht eine konkrete rechtliche Grundlage für effizientes Handeln. Dabei kann es nicht darum gehen – es ist absurd, was hier zum Teil vorgetragen wird –,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

dass Wunschkataloge abgearbeitet werden. Herr Al-Wazir, nehmen Sie sich intellektuell selbst ernst? Zum einen beklagen Sie lautstark, Wunschkataloge der Polizei werden abgearbeitet. Auf der anderen Seite sagen Sie, die Motivlage der Landesregierung für dieses Gesetz sind aus Ihrer Sicht behauptete Mängel in anderen Bereichen.

Es geht nicht um Wunschkataloge. Man könnte noch vieles andere tun.Vielmehr geht es genau um das, was Sie an einer Stelle richtigerweise gesagt haben: Wir müssen gemeinsam abwägen, was erforderlich ist, um eine effiziente Gefahrenabwehr im Lande zu gewährleisten, und was in der Abwägung zwischen individuellen Freiheitsrechten und dem Recht der Bevölkerung, nicht Opfer von Gefahren oder Straftaten zu werden, im konkreten Fall das Gebotene ist.

Darum geht es,und das ist immer die Grundlage.Das sage ich vorneweg. Da wird auch nicht der Datenschutz zurückgedrängt oder verhunzt. Ich kenne kein Land in der Bundesrepublik Deutschland, wo die Behörde des Datenschutzes in so gutem Einvernehmen mit der Polizei ist. Das ist das Verdienst beider Behörden, und das ist auch gut so.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie jetzt nach unten gucken, würde ich mich freuen, wenn Sie sagen würden, dass die 20.000 Leute in der hessischen Polizei und die Behörde des Datenschutzbeauftragten gut und gemeinsam arbeiten im Interesse der individuellen Sicherung von Grundrechten und der Gefahrenabwehr. Deshalb bitte ich Sie herzlich, hier nicht immer wieder die uralten Kamellen vorzutragen, die in der Sache unbegründet sind und die niemandem wirklich weiterhelfen.

Eine zweite Bemerkung. Ich freue mich, dass die überwiegende Mehrzahl des Hauses jetzt bereit ist, das zu regeln, was Teile des Hauses schon immer gefordert haben, nämlich die Extremsituation für einen Polizeibeamten, ob er schießen muss, auch mit bewusster Inkaufnahme des Todes des Täters, also den berühmten finalen Rettungsschuss, im Gesetz zu regeln. Ich hatte in der ersten Lesung Gelegenheit, breiter dazu vorzutragen.

Ich freue mich ausdrücklich, dass die Sozialdemokraten eine Veränderung ihrer Position vorgenommen haben, auch die Freien Demokraten. Ich erkenne das ausdrücklich an. Es ist für die Polizei sehr wichtig, dass sie sich gerade in einer sehr schwierigen Situation auf eine breite demokratische Legitimation verlassen kann. Ich appelliere jetzt an die GRÜNEN.Die Sozialdemokraten haben auch lange gebraucht, aber Erkenntnisprozesse dauern bei Ihnen vielleicht ein bisschen länger. Vielleicht geht es auch schneller. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Position veränderten.

Ich halte fest: In diesem Punkt sind drei Fraktionen einer Meinung.

Völlig auseinander gehen wir in zwei Punkten, die ich hier beispielhaft ansprechen will. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass das Kennzeichenlesegerät so breite Debatten auslöst. Was wir dort machen, ist kreuzvernünftig. Es ist erforderlich, und es ist in keiner Weise unter Datenschutzgesichtspunkten bedenklich.

(Beifall des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, ich war in der Anhörung dabei. Einige Rechtsprofessoren haben dort erklärt, es ist aus ihrer Sicht gar nicht der Fall, dass überhaupt in ein Grundrecht eingegriffen wird. Auch das wird vertreten. Dass der Hessische Datenschutzbeauftragte mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf irgendein Problem hätte, das ist völlig neu. Das behauptet außer Ihnen niemand, nicht an einer Zeile.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch, beim DNA-Abgleich!)

Ich rede von Kennzeichen. – Herr Al-Wazir, dann haben Sie von Bewegungsprofilen gesprochen. Sie haben gesagt, wir wollten Bewegungsprofile erstellen, und dann gefragt, warum wir es nicht ins Gesetz schrieben. Das ist die Methode Al-Wazir. Zum Schluss der Debatte bekommen Sie es heute noch einmal gesagt. Sie stellen sich immer hin, behaupten etwas und hoffen, keiner guckt genau nach, was Sie sagen.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Quatsch!)

Ich will Ihnen etwas vorlesen. Im neuen § 14 Abs. 5 steht:

Die Polizeibehörden können auf öffentlichen Straßen und Plätzen Daten von Kraftfahrzeugkennzeichen zum Zwecke des Abgleichs mit dem Fahndungsbestand automatisiert erheben. Daten, die im

Fahndungsbestand nicht enthalten sind, sind unverzüglich zu löschen.

Daraus macht er dann, wir wollten Bewegungsprofile von Menschen erstellen. Das ist nicht in Ordnung. Sie treiben die Menschen in Angst.

(Beifall bei der CDU)

Sie zitieren unkorrekt, Sie wissen es wahrscheinlich besser, aber für einen billigen Beifall von Ihrer Seite erklären Sie den Menschen etwas Falsches.

In den anderen Ländern hat man das anders vor. In Bayern geht es z. B. darum, den automatisierten Fahndungsbestand zu erfassen. Herr Al-Wazir, Herr Rudolph, noch eine einzige Bemerkung. Ich finde es so schön, wenn Sie sozusagen wie eine Schallplatte immer wieder sagen: Die Polizei braucht mehr Personal. – Wer wollte das bestreiten?

(Günter Rudolph (SPD): Dann machen Sie es doch!)

Finden Sie es eigentlich intelligent und klug, Polizeibeamte zur Fahndung von Kennzeichen und Kraftfahrzeugen loszuschicken – was ihre gesetzliche Aufgabe ist –, wenn ein technisches Gerät diese Aufgabe erledigen kann, ein Gerät, mit dem man ausschließlich das Kennzeichen erfasst und nur mit den bereits im Fahndungsbestand vorhandenen Daten abgleicht? Sind Sie nicht im Fahndungsbestand, wird das Kennzeichen automatisch gelöscht. Bis dahin ist nicht ein einziger Mensch beteiligt. Das ist doch hochintelligent.

Jetzt kommen Sie mit Ihrem Schauergemälde. Damit wir einmal wissen, von was wir reden:Allein im Jahr 2004 sind in Hessen 25.000 Kraftfahrzeuge und 44.000 Kennzeichen als gestohlen gemeldet werden, bundesweit waren es 330.000 Kraftfahrzeuge. Herr Rudolph, möchten Sie, dass ich diese 44.000 Kennzeichen durch Streifenwagen mit Streifenpolizisten suchen lasse? – Darauf hätte ich gerne einmal eine Antwort von Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Gehen wir einmal nach Fritzlar in Ihren Wahlkreis. Dann sage ich denen: Ihr könnte euch fünf Schichten lang ununterbrochen hinstellen, damit ihr die Autos findet. Wir hätten aber auch ein Gerät, das stellen wir auf, dann braucht ihr euch nur mit zwei Mann dort hinzustellen,und die anderen können sich um die Kriminalitätsbekämpfung kümmern. – Meine Damen und Herren, wo sind wir denn eigentlich?

(Beifall bei der CDU)

Es ist geradezu unglaublich,was hier für ein Gemälde aufgemacht wird. Dieses Kennzeichenlesegerät ist ein Segen für die polizeiliche Arbeit und unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Menschen.

(Beifall bei der CDU – Günter Rudolph (SPD):Alles, was Sie machen, ist ein Segen!)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Ich möchte Ihnen dazu Folgendes sagen: Die Freien Demokraten haben dazu eine differenzierte Posi