Protokoll der Sitzung vom 26.11.2004

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte das am Beispiel des verbleiten und des unverbleiten Benzins deutlich machen. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass da etwas geschieht.Wir haben steuerliche Anreize geschaffen, dass unverbleites Benzin günstiger als verbleites Benzin ist. Im Jahre 1986 hatten wir einen Anteil von verbleitem Benzin zu unverbleitem Benzin von 89 % zu 11 %.Durch die steuerlichen Anreize haben wir es innerhalb von einem Jahrzehnt geschafft, dass heute nur noch bleifrei gefahren wird. Das kann man mit steuerlichen Anreizen erreichen. Deshalb verstehen wir nicht, was Sie uns mit Ihrem ersten Absatz sagen wollen, meine Damen und Herren von der Union.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir verstehen auch Ihren dritten Absatz nicht. In unserem Antrag finden Sie den Wortlaut des Beschlusses der Umweltministerkonferenz von Niedernhausen, der Wortlaut dessen, was Ihr Umweltminister in Niedernhausen mitbeschlossen hat. In Ihrem Antrag finden wir nur noch einen einzigen Punkt des Beschlusses von Niedernhausen, nämlich die europaweite Besteuerung der Treibstoffe für den Luftverkehr. Nun kann man sagen: Es ist ein großer Schritt für Sie, dass Sie das in Ihren Antrag schreiben. – Aber, meine Damen und Herren von der CDU, was ist dann mit all den anderen Punkten, die Ihr Umweltminis

ter mitbeschlossen hat? Stehen Sie hinter Wilhelm Dietzel, oder stehen Sie nicht hinter Wilhelm Dietzel, meine Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der letzte Absatz – wir sind in der Vorweihnachtszeit –, meine Damen und Herren von der Union, das ist wirklich wieder das Warten auf das Christkind. Da schreibt die Union:

Der Landtag unterstützt die Landesregierung bei ihren Bestrebungen, auf europaweit einheitliche Steuersätze für fossile Kraftstoffe hinzuwirken.

Ja, mein Gott. Also alles wieder auf europäischer Ebene, möglichst auf weltweiter Ebene regeln, möglichst immer eine Entschuldigung haben, möglichst immer auf eine Ebene gehen, wo man selbst nicht Verantwortung hat – nein, so wird es nicht funktionieren. Wenn wir faire Wettbewerbsbedingungen im Verkehrsbereich haben wollen, wenn wir den Bahnverkehr fördern wollen, dann müssen wir auch einmal den Mut haben, die Entscheidungen, die wir treffen können, auch zu treffen, meine Damen und Herren von der Union.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einen Antrag der FDP, was wieder unsere Hoffnung mindert, dass wir an diesem Freitag einmal zu einem einstimmigen Beschluss dieses Hauses kommen.

(Nicola Beer (FDP): Das machen wir beim TUDGesetz!)

Die FDP sagt sogar, es sei ein falsches Signal, den Mehrwertsteuersatz bei der Bahn zu reduzieren.

(Michael Denzin (FDP): Isoliert!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, was daran falsch sein kann,Bahnfahren in Deutschland um 10 % billiger zu machen? Das müssten Sie gleich in Ihren Reden einmal erklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nicola Beer (FDP): Wenn Sie sagen, wer es bezahlt!)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wir haben Ihnen heute den Beschluss der Umweltministerkonferenz von Niedernhausen vorgelegt.Wir haben Ihnen vorgelegt, was Ihr Minister mitbeschlossen hat. Wir sind der Meinung, was Jürgen Trittin und Wilhelm Dietzel bei der Umweltministerkonferenz zusammengeführt haben, das soll der Hessische Landtag nicht spalten. Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jürgen Walter (SPD))

Als nächster Redner ist Herr Dietz für die CDU an der Reihe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, in Ihrem Antrag sprechen Sie von steuerrechtlichen Subventionen für den Flugverkehr, die zu einseitigen Wettbewerbsnachteilen für die Bahn führten und deshalb gesamtgesellschaftlich nicht wünschenswerte Entwicklun

gen erfolgten, und plädieren für mehr Steuergerechtigkeit im Bahn- und Flugverkehr durch eine Kerosinbesteuerung auf Inlandsflügen und eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes im Personenfernverkehr der Bahn.

Zunächst einmal zu Ihrer Forderung nach einer Kerosinbesteuerung.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist doch die Forderung Ihres Ministers!)

Ein nationaler Alleingang zur Erhebung von Mineralölsteuer auf Flugkerosin in Deutschland hätte schwerwiegende negative Folgen auf die vom internationalen Handel und Austausch lebende deutsche Wirtschaft und die hier arbeitenden Menschen. Sie würde zur Verlagerung von Verkehr und Arbeitsplätzen ins Ausland führen. Eine Verunsicherung von Verbrauchern und Wirtschaft ist abzulehnen. Die Steuererhöhungen der letzten Jahre, die dem Standort Deutschland erheblich geschadet haben, haben gereicht.

Eine einseitige Einführung der Besteuerung von Kerosin in Deutschland würde zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber anderen Staaten führen. Flugzeuge könnten jederzeit außerhalb Deutschlands oder der Europäischen Union zum Auftanken zwischenlanden und damit die Besteuerung von Flugkerosin umgehen. Letztendlich würden längere Flugstrecken von vorratbetankten Flugzeugen zu einem Zuwachs des Kerosinverbrauchs und einem Anstieg der Emissionen führen. Der durch die Einführung einer Kerosinsteuer zu erwartenden Verteuerung des Luftverkehrs stehen damit keine signifikanten ökologischen Lenkungseffekte gegenüber. Möglich wäre allenfalls eine internationale Initiative zur Belegung von Flugkerosin mit einer Mehrwertsteuer. Dies kann allenfalls langfristig erreicht werden.

Das weltweit als Grundlage des Luftverkehrs geltende Chikagoer Abkommen schreibt vor, dass für internationale Flüge keine Mineralölsteuer erhoben werden darf. Diese Maßgabe ist in allen europäischen Staaten harmonisiert umgesetzt und im EG-Recht verankert. Ebenso ist diese Verpflichtung Bestandteil aller bilateralen Luftverkehrsabkommen Deutschlands, die mit rund 130 Staaten bestehen.

Die EU-Energiesteuerrichtlinie vom März 2003 enthält in Art. 14 Abs. 2 Satz 1 eine Ermächtigung für die Mitgliedstaaten, die Steuerbefreiung auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte zu beschränken. Dies bedeutet, Inlandsflüge dürften grundsätzlich besteuert werden. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, innergemeinschaftliche Flüge zu besteuern, sofern die Mitgliedstaaten entsprechende bilaterale Verträge miteinander schließen.

Doch einen nationalen Alleingang lehnen wir, die Mitglieder der hessische Union, mit Nachdruck ab. Die SPD hat wiederholt versucht, so etwas durchzusetzen, und ist zuletzt im Bundesrat mit einer Initiative zur Erhebung der Mehrwertsteuer auf innerdeutsche Flüge zu Recht gescheitert.

Wenigstens fordern Sie mit Ihrem Entschließungsantrag keinen nationalen Alleingang zur Kerosinbesteuerung mehr. Das forderten Vertreter Ihrer Partei noch bis vor kurzem. Wie Sie erklären auch wir in unserem Dringlichen Antrag, dass wir das Votum der jüngst in Niedernhausen stattgefundenen Umweltkonferenz teilen und für eine europaweite Besteuerung der Treibstoffe für den

Luftverkehr eintreten. Nur dann ist eine Kerosinsteuer sinnvoll.

Ich komme nun zu Ihrer Forderung, die Mehrwertsteuer für Personenfernverkehrsreisen der Bahn abzusenken. Ich darf Ihnen sagen, dass Sie mit Ihrem Entschließungsantrag da offensichtlich an die falsche Tür klopfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Muss ich Sie daran erinnern, dass es die von Rot-Grün geführte Bundesregierung ist, die eine solche Maßnahme auf absehbare Zeit blockiert? Durch die Erklärung der Bundesregierung, die Mehrwertsteuer für Fernreisen bei der Bahn nun doch nicht zu ermäßigen, fühlen sich nicht nur die Bürger erneut hintergangen. In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002 wurde versprochen, ab dem Jahr 2005 zur weiteren Erhöhung der Attraktivität, und zwar insbesondere für Familien, den Mehrwertsteuersatz für den schienengebundenen Personenfernverkehr auf 7 % zu reduzieren.

Von dieser Vorstellung hat sich die Bundesregierung inzwischen verabschiedet. Ich denke, da wäre mit Herrn Berninger Tacheles zu reden. Ihre Parteikollegin Höhn aus Nordrhein-Westfalen hat sich hingestellt und bekundet – ich zitiere –: „Die Privilegierung der Bahn muss enden.“ Sie hat einen Gesetzentwurf eingereicht, der vorsieht, dass Fahrgästen ab 20 Minuten Verspätung im Nahverkehr eine wirksame Entschädigung zugesprochen wird,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch gut!)

obwohl die Bahn heute schon bei gravierenden Verspätungen so genannte Pönale an die Landesregierungen und Verkehrsverbünde zahlen muss. Was sagt Frau Höhn auf die Aussage: „Die Deutsche Bahn fürchtet, mit solchen Regeln in die Pleite getrieben zu werden“? – „Ich halte viel von politischem Druck.“

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann sollen sie pünktlicher fahren!)

Heute, also an diesem Freitag, steht der Gesetzentwurf auf der Tagesordnung des Bundesrats. Der Gegensatz, den Sie zwischen Bahn und Flugzeug zu konstruieren versuchen, stellt doch in Wahrheit ein von Ihrer kruden Ideologie geprägtes Kunstprodukt dar. Das ist ein Kunstprodukt, das für viele Bereiche so genannter grüner Politik charakteristisch ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ein Wettbewerb zwischen Bahn und Flugzeug existiert in der Form, wie Sie ihn hier darstellen, doch gar nicht. Das hängt auch gar nicht von der unterschiedlichen Besteuerung ab. Bei der Wahl der Transportmittel Bahn oder Flugzeug ist nicht die Besteuerung ausschlaggebend.Vielmehr ist es der Faktor Zeit. Wer von Frankfurt nach Berlin fährt,hat es noch gut.Wer beispielsweise von München aus reist, sieht das schon anders. Dass Sie diesen grundlegenden Zusammenhang nicht verstanden haben, dürfte mittlerweile auch den für Ideologie blinden Beobachtern aufgefallen sein.

Es gilt, den Wettbewerb der Flughäfen untereinander zu beachten,aber nicht den von Ihnen konstruierten Wettbewerb zwischen Bahn und Flugzeug. Dabei befinden wir uns hier in Hessen in einer besonderen Pflicht. Allein die Tatsache, dass Sie, die Mitglieder der GRÜNEN, die Regionalversammlung Südhessen in ihrer Sitzung im Dezember 2004 auffordern wollen, gegen den Sofortvollzug

zum Bau der A-380-Werft zu klagen, zeigt doch, dass Sie es einfach nicht verstanden haben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wozu reden Sie hier eigentlich?)

Jeder Gegner des Baus dieser Werft und des Baus der notwendigen weiteren Landebahn – ich meine damit insbesondere Sie, die Vertreter des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – sollte sich der Tatsache bewusst werden, dass damit aus rein ideologischen Gründen 40.000 Arbeitsplätze in dieser Region leichtfertig auf Spiel gesetzt werden,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

ganz zu schweigen von den anderen Ausbaumaßnahmen.

Hier offenbart sich auch einmal wieder der wahre Charakter Ihres Begriffs von Gerechtigkeit. Dieser findet sich auch in Ihrem Entschließungsantrag wieder. Es geht Ihnen nicht um Gerechtigkeit. Vielmehr geht es Ihnen um die Durchsetzung Ihrer ideologisch bedingten Positionen. Denn Sie haben eine Einteilung in „wünschenswert“ und „nicht wünschenswert“ vorgenommen, ohne dabei das Allgemeinwohl im Auge zu haben. Ihnen geht es mit Ihrem Entschließungsantrag also gar nicht um Gerechtigkeit, sondern nur darum, mit der Kerosinsteuer eine neue Geldquelle aufzutun. Denn Sie wissen nicht mehr weiter und haben keine Vorstellung darüber, woher das Geld kommen soll, das Sie aufgrund Ihrer konzeptlosen Finanzpolitik auf Bundesebene brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das sieht man auch beim Thema Maut. Zunächst haben Sie im Bundesrat zugesagt, die zusätzlichen Einnahmen, die es aufgrund der Maut geben wird, zugunsten des Bundesfernstraßenbaus einzusetzen. Nur wenige Wochen später haben Sie davon wieder Abstand genommen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn das für ein Potpourri unpassender Beispiele?)

Warum nehmen Ihre rot-grünen Freunde auf Bundesebene nicht endlich die entscheidende Weichenstellung vor,die dahin führen würde,dass die Bahn im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern wirklich gestärkt würde, ohne dass es dabei zu neuen Subventionen oder Steuervergünstigungen auf der einen Seite oder die Einführung einer Kerosinsteuer andererseits kommen würde? Darum muss es gehen. Es muss zu einer nachhaltigen Verbesserung der Position der Bahn im Wettbewerb der verschiedenen Verkehrsträger kommen.