Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

(Beifall bei der FDP)

Für die FDP bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass Sie, die Mitglieder der CDU, leider nicht die Kernprobleme beseitigt haben, die es in diesem Gesetzentwurf gibt. Sie, die Mitglieder der Union, blieben während der Ausschusssitzung und sicherlich auch heute während der dritten Lesung des Gesetzentwurfs beratungsresistent. Diese Novelle führt leider nicht auf den Weg einer zukunftsweisenden liberalen Hochschulpolitik.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Das führt dazu, dass wir den Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ablehnen werden.

(Anhaltender Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Siebel für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch nach der dritten Lesung dieses Gesetzentwurfs

kann man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass sich Herr Staatsminister Corts immer mehr zum Leuchtturmfetischisten entwickelt,der letztendlich sehr losgelöst von denen, für die er eigentlich verantwortlich ist, Hochschulpolitik betreibt.

(Beifall der Abg. Lothar Klemm (SPD) und Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Beispielsweise titelte die „Frankfurter Rundschau“ nach der Anhörung:

Experten kritisieren zentrale Punkte im Hochschulgesetz

Anhörung im Hessischen Landtag: Oppositionspolitiker, Unipräsidenten, Studenten und Gewerkschafter zeigen Skepsis

Im „Darmstädter Echo“ vom 9. November 2004 konnte man lesen:

Corts erntet viel Widerspruch

In dem dazu gehörigen Kommentar, der die Überschrift trägt: „Kritik überwiegt“, kann man lesen:

Zu befürchten ist allerdings, dass die CDU mit dem Kopf durch die Wand will, was die Studentenschaft angeht.

Heute wird die CDU mit dem Kopf durch die Wand gehen. Das betrifft zumindest die Studentenschaft. Offensichtlich geschieht das, um das Mütchen einiger in den eigenen Reihen vorhandener frustrierter Mitglieder des RCDS zu kühlen. Sie zerschlagen damit an den Hochschulen ein Stück soziale Infrastruktur, die von den Studentenschaften getragen wird. Sie zerschlagen ein Stück kultureller Teilhabe an den Hochschulen und einen Teil der hochschulpolitischen Vertretung.

Ich glaube nicht, dass Sie die Hochschulen mit dieser stromlinienförmigen Gesellschaft, die Sie damit erreichen wollen, nach vorne bringen werden. Ich bin vielmehr der festen Überzeugung, dass die Qualifikationen, die die jungen Menschen in den Organen der studentischen Selbstverwaltung erwerben, im Übrigen auch von der VhU, den Industrie- und Handelskammern und den Unternehmen gesucht werden. Deswegen unterstützen und fördern sie dies auch.Diese Kompetenzen werden dann nicht mehr in dem Maße generiert werden können, wie es heute noch der Fall ist. Dabei geht es um Qualifikationen wie Teamfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Fähigkeit zur Analyse. Diese werden immer wieder gefordert.

Die de facto erfolgende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit der Studentenschaft auf dem kalten Weg zeugt meiner Ansicht nach aber auch davon, dass die Union bei diesem Thema letztendlich Feigheit zeigt. Ehrlich wäre es gewesen, wenn Sie gesagt hätten: Wir wollen diese Studentenvertretungen nicht mehr, deshalb schaffen wir sie ab. – Das ist die Meinung vieler Abgeordneter Ihrer Fraktion. Jetzt gehen Sie aber einen anderen Weg. Dabei werden Sie etwas erleben. Darauf könnte ich wetten. Sie werden erleben, dass die Regelung verfassungswidrig ist, die Höhe der Beiträge mit der Wahlbeteiligung der Studierenden zu verknüpfen. Mit dieser Regelung gehen Sie einen Weg, der verfassungswidrig ist.

Im Übrigen bleiben da auch ein paar Fragen unbeantwortet.Was geschieht denn mit dem Personal, das die Studentenschaften momentan eingestellt haben? Wie wollen Sie mit diesem Personal umgehen? Denn dort existieren Verträge.

Sie haben überhaupt keine Aussage dazu gemacht, was hinsichtlich der weiteren sozialen Leistungen geschehen soll, die die Studentenschaften erbringen. Ich habe das letztens schon einmal gesagt.Das betrifft in Frankfurt beispielsweise den ermäßigten Eintritt in den Palmengarten für die Studierenden.Das wurde dort zwischen dem AStA und der Stadt Frankfurt ausgehandelt.

Dies alles geschieht vor dem Hintergrund, dass kein einziger Versuch unternommen wurde, eine wirklich vernünftige und tragfähige Lösung zu finden, wie man die Wahlbeteiligung steigern kann. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis. Das kann offensichtlich nur davon geprägt sein, dass man etwas Ideologisches erreichen will, nämlich die Zerschlagung der Studentenschaft.

(Beifall bei der SPD)

Ich will einen Vorschlag machen. Ich habe gestern etwas in der Zeitschrift „politik & kommunikation“ gelesen. Ich erlaube mir, das zu zitieren:

Studenten wählen per SMS

Ich zitiere weiter:

Eine technische Innovation kommt aus der Schweiz.

Verdammt noch einmal, warum haben wir nicht den Mumm, so etwas auch an einer hessischen Hochschule zu machen. Das könnte beispielsweise von der FraunhoferGesellschaft getragen werden.

Eine technische Innovation kommt aus der Schweiz. Bei der Wahl zum Studierendenrat der Universität Zürich ist erstmals eine Stimmabgabe auch per SMS oder Web-Browser möglich.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Frau Wagner, danke, das sehe ich genauso.

Das Statistische Amt des Kantons Zürich und der Unisys Schweiz erproben damit ihr E-Voting-System.

Herr Corts, es gab keinerlei Bemühungen, einen solchen Weg zu gehen, die Wahlen zur Studierendenschaft über das Internet oder per SMS durchzuführen. Das wird offensichtlich erprobt. Nicht einmal eine entsprechende Bemühung ist unternommen worden.Wir werfen Ihnen vor: Das hätten Sie machen müssen, wenn es Ihnen ernsthaft darum gegangen wäre, die Wahlbeteiligung zu erhöhen und Mitbestimmung zu ermöglichen.

(Beifall der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Nicola Beer (FDP))

Es waren nicht nur einige wenige Funktionäre der Studierenden, die vor wenigen Minuten vor der Tür des Hessischen Landtags demonstriert haben. Ich muss Ihnen sagen: Die Demonstrierenden vor der Tür des Hessischen Landtags haben meine volle Solidarität.

(Beifall der Abg. Petra Fuhrmann und Lothar Quanz (SPD) – Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Es bedrückt mich, dass in diesem Landtag ein Gesetzentwurf unter Polizeischutz verabschiedet werden muss. Draußen heulen die Sirenen und leuchtet das Blaulicht. Die Hubschrauber brummen. Das ist die Begleitmusik zu Ihrem Gesetzentwurf.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Sie wissen genau, dass das damit nichts zu tun hat!)

Herr Müller, das ist die Begleitmusik zu einem Gesetzentwurf, dessen Beratung in der Anhörung kommunikationsfrei erfolgte. Damit wurde dies letztendlich provoziert.

Es sind nicht nur die Studenten, die protestieren. Gestern konnte man beispielsweise im „hessentext“ und in der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen“ lesen, dass der Präsident der Universität Kassel, Herr Rolf-Dieter Postlep bei der Vorstellung des Leitbildes wörtlich gesagt hat:

Die Studenten sollen mehr als bisher zur Mitbestimmung an der Universität ermuntert werden.

Meine sehr verehrte Damen und Herren, das ist ein Weg, der gegangen werden kann und gegangen werden sollte. Sie sehen daran: Es sind nicht nur ein paar engagierte Studenten, sondern es sind Hochschulpräsidenten, die verantwortlich mit ihrer Hochschule umgehen und entsprechende Vorschläge unterbreiten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Ein weiterer Punkt, bei dem Sie sich leider auch als beratungsresistent erwiesen haben, ist, dass de facto die Mitbestimmungsrechte an den Hochschulen in Bezug auf die Angestellten und Arbeiter beseitigt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Minister, Sie haben nicht einmal den Mut gehabt – weder in den Sitzungen noch hier im Parlament –, ein Wort dazu zu sagen, dass die Widerstandsfront gegen die Auflösung der Mitbestimmung bei der Anhörung vollständig war. Es war niemand dabei, der gesagt hätte: Das ist eine gute Idee, das bringt die Hochschulen nach vorne. – Im Gegenteil, von VhU über die Hochschulen und natürlich die Gewerkschaften – von denen erwartet man es quasi – waren sich alle darüber einig, dass die Tatsache, dass Mitbestimmung Hochschulen nach vorne bringt, ein wichtiges Element ist und dass Sie mit dem, was Sie in Ihrem Gesetz stehen haben, das Gegenteil machen. Aber dass Sie noch nicht einmal den Mut haben, zu dieser Entscheidung zu stehen und sie zu begründen, das ist schon ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

In diesen Kontext gehört auch das, was Frau Kollegin Beer zur Rolle des Präsidiums und des Senats ausgeführt hat. Ich kann das im Wesentlichen nachhaltig unterstreichen und habe das auch schon ausgeführt. Es geht darum, dass Sie sich einer Möglichkeit an den Hochschulen begeben, das, was an innovativem Potenzial in den Fachbereichen vorhanden ist, zu mobilisieren und zum Wohle der Hochschulen in den Prozess einzubringen.

Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang von einer Anhörung berichten,die die SPD-Fraktion in der letzten Woche unter zahlreicher Beteiligung von Hochschulräten der hessischen Hochschulen durchgeführt hat. Wir haben auch dort sehr ernsthaft die Frage diskutiert: Wie soll Know-how von außen an die Hochschulen gebracht werden? – Alle Hochschulräte haben unisono zum Ausdruck gebracht, dass es richtig ist, dass einzelne Leute, durchaus auch aus einer persönlichen Motivation heraus, dies tun, ohne dass Hochschulräte mit starken Rechten oder Durchgriffsrechten versehen wären, sondern dass sie dies tun, weil sie ein persönliches, im Zweifelsfall auch unternehmerisches oder gesellschaftliches Interesse daran haben, dass unsere Hochschulen besser werden.

Sie haben auch alle unisono gesagt, dass es notwendig ist, die eigene Motivation in den Hochschulen zu stärken, zu unterstützen und zu entwickeln. Das Gegenteil passiert mit diesem Gesetz. Deshalb wird auch dieser Punkt von uns nachhaltig abgelehnt.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich – das ist schon gesagt worden – gibt es in dem Gesetz auch ein paar Bereiche, die durchaus begrüßenswert, auch unterstützenswert sind. Aber deswegen macht man keine Novelle eines Hochschulgesetzes.