Ich räume ein, dass das Abklären von Kennzeichen keinen sehr tiefen Eingriff in Grundrechte bedeutet. Ihr Einwand, es würden ja überhaupt keine Menschen, sondern nur Fahrzeuge überprüft, nur Kennzeichen, also sozusagen Zahlen, überzeugt uns allerdings nicht. Nach den praktischen Erfahrungen kann man nämlich davon ausge
Das heißt, wenn ich feststelle, dass sich ein Fahrzeug bewegt, dann stelle ich gleichzeitig fest, dass es einen Fahrer hat. Unabhängig von der Person des Fahrers stelle ich damit ein menschliches Verhalten fest. Das heißt, die Feststellung hat – unabhängig von der Frage, welches Grundrecht konkret tangiert ist – eine gewisse Eingriffstiefe. Das bedeutet, dass wir für eine solche Maßnahme einen Anlass und eine vernünftige Rechtsgrundlage brauchen. Hier verläuft nämlich die Grenze zwischen einem Rechtsstaat, der von vornherein seinen Bürgern sagt, was er sich ihnen gegenüber erlaubt, und einem Überwachungsstaat, der völlig ohne Anlass und Bezug Maßnahmen ergreift.
Bevor wir uns missverstehen: Ich will nicht behaupten, dass in Hessen ein Überwachungsstaat ausbricht, wenn diese Änderung des HSOG in Kraft tritt. Aber wir erleben im Zusammenhang mit der Diskussion um die Folterandrohungen von Herrn Daschner und im Zusammenhang mit dieser Geschichte, dass die Grenzen des Rechtsstaates fließend sind und immer weiter hinausgeschoben werden. Irgendwann ist es dann so weit, dass der Überwachungsstaat vor der Tür steht. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns darüber verständigen, was wir an der Stelle machen können und was nicht.
Es ist nämlich überhaupt nicht notwendig, derartige Überprüfungen ohne Anlass durchzuführen, denn ein geringer Anlass wäre bei der geringen Tiefe des Eingriffs bereits ausreichend.
Aber auch die Datenschutzprobleme sind noch nicht geklärt. Sie wollen mit Ihrer Gesetzesänderung regeln, dass die Daten unverzüglich gelöscht werden. Das bedeutet natürlich, dass die Daten erst einmal gespeichert werden, denn wenn etwas nicht gespeichert worden ist, kann es auch nicht gelöscht werden. Das bedeutet wiederum, dass das, was uns im Ausschuss erzählt worden ist, dass quasi ein automatischer Abgleich mit dem Fahndungsbestand stattfindet und die Daten, die im Fahndungsbestand nicht auftauchen, gar nicht erst gespeichert werden, offensichtlich nicht das ist,was Sie im Gesetz regeln wollen.Deshalb finden wir diese Regelung nicht vernünftig gelungen.
Ich komme zum Thema DNA-Analyse.Ich möchte an dieser Stelle betonen: Die Durchführung einer DNA-Analyse ist keine polizeiliche Maßnahme wie jede andere.Das mag Ihnen gefallen oder nicht.Sie mögen das politisch anders sehen, aber es gibt in der Strafprozessordnung und in anderen Gesetzen bestimmte Regelungen, die festschreiben, dass nur aus bestimmten schwerwiegenden Anlässen und nur unter bestimmten Voraussetzungen eine DNAAnalyse durchgeführt werden darf. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, DNA-Analysen müssen auf besondere Fälle beschränkt sein.
Sie haben vor, DNA-Analysen für Kinder unter 14 Jahren, d. h. für Strafunmündige, einzuführen. Das bedeutet, dass Sie den Strafunmündigen eine Maßnahme androhen, die strafmündige Jugendliche aller Voraussicht nach nicht zu erleiden hätten. Sie gehen also im präventiven Bereich deutlich über das hinaus, was in der Strafverfolgung möglich wäre, und zwar hinsichtlich der Anlasstaten und auch hinsichtlich richterlicher Anordnungen.Sie belasten straf
unmündige Täter mit Folgen, die Sie strafmündigen Tätern auf der Grundlage der Strafprozessordnung nicht zumuten könnten. Auch hier gerät nach unserem Eindruck das Verhältnis zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen aus dem Gleichgewicht. Deswegen lehnen wir auch diese Regelung ab.
Schließlich kommen wir zum schwerwiegendsten und schwierigsten Teil des Gesetzentwurfs überhaupt,nämlich dem gezielten Todesschuss zur Rettung eines anderen Menschen. Das ist der denkbar schwerste Eingriff in die Grundrechte dessen, der getötet werden soll, weil logischerweise mit dem Tod die Rechte eines Menschen erlöschen. Es ist natürlich auch die schwerwiegendste Maßnahme für jeden Polizeibeamten, der in einer Grenzsituation zur Durchführung einer derartigen Maßnahme verpflichtet sein kann. Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass die Tötung eines Menschen dann notwendig sein kann, wenn von diesem Menschen Lebensgefahren für andere ausgehen, die anderweitig nicht beseitigt werden können. Im Grundsatz sind wir uns einig.
Das Recht schützt allerdings auch jetzt schon die Polizeibeamten, die in der schwierigen Situation sind, diese Maßnahme durchführen zu müssen. Es gibt nämlich strafrechtlich den so genannten Notstand. Es gibt vor allem das Recht der Nothilfe.In besonders schwerwiegenden Situationen kann ein Polizeibeamter also entsprechend handeln. Dieses Problem wird seit 25 Jahren diskutiert, und die Fachleute sind in der Regel immer wieder zu dem Ergebnis gekommen, dass wir eine derartige Regelung im Polizeirecht nicht brauchen. Eine solche Regelung kann keine positiven Folgen haben, weil sie nicht mehr Befugnisse einräumt. Sie kann aber negative Folgen haben, vor allem für die Polizeibeamten, weil Sie ihnen etwas vorgaukeln, was wir ihnen guten Gewissens nicht vorgaukeln sollten, nämlich dass wir ihnen die Gewissensentscheidung, wenn es so weit ist, abnehmen können.
Das können wir nicht. Jeder, der in dieser schwierigen Situation ist, muss sein Handeln vor seinem eigenen Gewissen, vor seinem eigenen Umfeld und vor seinem Gott verantworten, wenn er einen hat. Das ist die entscheidende Grundlage, und daran kann keine gesetzliche Regelung der Welt irgendetwas ändern.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns heute in der dritten Lesung der Gesetzentwürfe zur Änderung des HSOG. Wir haben die dritte Lesung zwar nicht beantragt, ich muss allerdings für die CDU-Fraktion feststellen, dass die Zeit von den Antragstellern offensichtlich nicht genutzt wurde, ihre bisher
vorgetragenen tief greifenden Bedenken dadurch ein Stück weit aufzuweichen, dass sie Änderungsvorschläge gemacht hätten. Das ist bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgt.
Ich nehme das hiermit zur Kenntnis, und ich nehme das natürlich gerne zum Anlass, den einen oder anderen Punkt noch einmal anzusprechen. Ich sehe für uns nämlich keinen Grund für einen Sinneswandel. Ich werde die eine oder andere Argumentation, die der Herr Kollege Dr. Jürgens hier mit tränenerstickter Stimme aufgegriffen hat, ein Stück weit richtig stellen.
Ich will eine Äußerung des Herrn Kollegen Al-Wazir aus der ersten Lesung und aus der Presseerklärung abarbeiten. Er hat davon gesprochen, dass wir einen Wunschzettel der Polizei abarbeiten würden. Ich muss Ihnen weiterhin die Gegenfrage stellen: Was ist, bitte schön, falsch daran, wenn die Polizei in Zukunft ein Stück weit mehr Rechtssicherheit bekommt? Ich greife damit das letzte Stichwort von Herrn Dr. Jürgens auf, nämlich das Stichwort finaler Rettungsschuss. Wir sind uns völlig darüber im Klaren, dass der finale Rettungsschuss selbstverständlich nur die Ultima Ratio sein kann,wenn das Leben eines potenziellen Opfers, beispielsweise einer Geisel, auf andere Weise nicht gerettet werden kann.Wir von der CDUFraktion haben großes Vertrauen in unsere hessische Polizei und gehen nach wie vor davon aus, dass sie mit diesem Instrument,das wir ihr an die Hand geben wollen,mit Vernunft und mit großer Sorgfalt umgeht.
Was machen wir? Sie sagten, wir brauchten keine entsprechende Regelung im HSOG. Sie haben insofern Recht, als wir die Polizei bislang immer auf juristische Hilfskonstruktionen, auf die Bestimmungen zur Nothilfe und Ähnliches verwiesen haben. Wir können den betroffenen Polizisten trotz einer HSOG-Änderung die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nicht ersparen. Ich denke aber, wir sind es unserer Polizei schuldig, dass wir ihr in einer ganz besonderen Extremsituation ein kleines Stück mehr Rechtssicherheit bei der Bewältigung ihrer schwierigen Aufgabe geben. Dafür stehen wir nach wie vor.
Ich komme zu dem am meisten diskutierten Thema, den Kennzeichenlesegeräten. Ich denke, wir haben uns hierzu hinlänglich und ausgiebig nicht nur im Ausschuss, sondern auch im Plenum ausgetauscht. Herr Dr. Jürgens, wir haben beide in der gleichen mündlichen Anhörung gesessen.
Ja, der eine hat das gehört und der andere jenes, Herr Hahn. Wir wissen, die Wahrnehmungen sind sehr, sehr unterschiedlich. – Dennoch will ich, weil ich das Protokoll der mündlichen Anhörung noch einmal sorgfältig durchgelesen habe, darauf hinweisen, dass damit nach unseren Vorstellungen ein technisches Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden soll, das die Informationen erfasst, die die Polizisten bislang bei Kontrollen üblicherweise mit bloßem Augen erkannt und dann handschriftlich notiert haben.Vor diesem Hintergrund hat Prof. Heckmann, dessen juristische Qualifikation Sie sicherlich nicht anzweifeln, gesagt, es handle sich noch nicht einmal um einen Eingriff
in Grundrechte, solange es keinen Treffer im Fahndungsbestand gibt. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass die Polizei dieses Mittel braucht, um Verbrechen besser bekämpfen zu können.
Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie sagen, wir würden als Begründung die Gefährdung durch den internationalen Terrorismus heranziehen. Ja, sie ist gegeben; wir haben sie. Aber das ist nicht die einzige Begründung.Wir haben nun einmal Kriminalität in unserem Lande, und wir haben Gangster, Verbrecher, die mit modernster Technik ausgestattet sind. Ich finde, wir sind es der Polizei schuldig, ihr das entsprechende Handwerkszeug für eine wirkungsvolle Bekämpfung der Kriminalität an die Hand zu geben.
Die Gesetzgebungskompetenz des Landes in dieser Beziehung haben in der mündlichen Anhörung mit einer Ausnahme alle Rechtsgelehrten bestätigt.
Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen,dass es nicht um die Frage der Strafverfolgung, d. h. das Wiederauffinden von gestohlenen Kraftfahrzeugen, geht. Es geht vielmehr – ich will das noch einmal sagen – um die Verhinderung von Anschlusstaten.Wir alle in diesem Hause wissen, dass gestohlene Kraftfahrzeuge sehr häufig für Anschlussstraftaten wie z. B. Blitzeinbrüche, Raubüberfälle und Ähnliches genutzt werden. Dafür braucht die Polizei das Kennzeichenlesegerät.
Wir freuen uns, dass das Gesetz in dritter Lesung verabschiedet wird und die Polizei dieses Instrument an die Hand bekommt.
Ich habe an dieser Stelle eine Frage an die Opposition;die FDP nehme ich dabei ausdrücklich aus, weil die FDP den Weg ein Stück gemeinsam mit uns geht und sich immerhin die Mühe gemacht hat, einen Änderungsantrag zu stellen.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es hat ihnen nur nichts genützt, dass sie einen Änderungsantrag gestellt haben!)
Sie, Herr Kollege Dr. Jürgens, haben Zweifel bezüglich des präventiven Abhörens geäußert. Sie haben gesagt, es gebe da erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Da darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass dieses Instrument – ich denke, da können wir uns vielleicht einigen – nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit eines Menschen gedacht ist. Das ist eine rein präventive Maßnahme, und ich denke, aus diesem Grund steht die Gesetzgebungskompetenz des Landes überhaupt nicht in Zweifel.Auch dies wurde in der mündlichen Anhörung von nahezu allen Rechtsgelehrten bestätigt.
Dann möchte ich noch auf die Frage der DNA-Analyse bei Kindern unter 14 Jahren eingehen. Ich glaube, wir müssen uns hier nicht darüber streiten, dass in unserem Land bedauerlicherweise bereits Kinder unter 14 Jahren ganz erhebliche Straftaten begehen und oftmals auffällig werden. Um diese Kinder und um diejenigen Kinder geht es, die heute schon erkennungsdienstlich mit Lichtbild, Fingerabdrücken usw.behandelt werden können,und dies auch nur – da haben wir schon einiges an Sicherheit ein
gezogen – auf richterliche Anordnung. Ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten – sowohl die Polizei als auch die hessische Justiz – mit diesem Instrument sehr verantwortungsvoll umgehen werden.
In der Debatte ist bisher völlig untergegangen, dass wir in den Gesetzentwurf – auch darüber freuen wir uns – verbesserte Möglichkeiten zur Eigensicherung unserer Polizei aufgenommen haben. Ich erinnere an die Videoüberwachung bei Verkehrskontrollen. Da Sie die Freiheitsrechte des Bürgers so hoch halten, wundert es mich, dass Sie hier nicht Bedenken vorgetragen haben.
Ich darf für die CDU-Landtagsfraktion abschließend feststellen, dass die Polizei bald das notwendige Instrumentarium für eine wirkungsvolle Verbrechensbekämpfung haben wird. Darauf freuen wir uns. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion will mit ihrem Gesetzentwurf zur Regelung des finalen Rettungsschusses mehr Rechtssicherheit für hessische Polizeibeamtinnen und -beamte erreichen. Mit unserer Regelung wollen wir klargestellt wissen, dass der Rettungsschuss unzulässig ist, wenn es andere, Erfolg versprechende Maßnahmen zur Rettung eines Opfers gibt. In der Vergangenheit mussten sich Hessens Beamte dabei auf die allgemeinen Grundsätze der Nothilfe berufen. Dies soll künftig nicht mehr notwendig sein.
Herr Dr. Jürgens, natürlich kann man argumentieren: Das hat bisher funktioniert. – Nein, es ist ein klares Signal in die Reihen der hessischen Polizeibeamtinnen und -beamten, wenn dieser Landtag sagt: Das ist eine Notsituation, Gott sei Dank, eine Ausnahmesituation.Aber das ist eine extreme Belastung für die Polizeibeamtinnen und -beamten. Da haben sie, denke ich, einen Anspruch darauf, dass auch der Hessische Landtag sagt: Wir stehen hinter euch. Deshalb halten wir eine klare gesetzliche Regelung für erforderlich. Klare Bestimmungen, die für die Polizeibeamten in einer der schwierigsten Situationen, in die sie geraten können, mehr Rechtssicherheit verschaffen, sind deshalb notwendig und richtig.
Der gezielte Todesschuss auf einen Menschen darf nur das letzte Mittel sein, wenn sonst andere Menschenleben nicht gerettet werden können. Die Verantwortung des einzelnen Polizeibeamten und der einzelnen Polizeibeamtin können wir ihnen nicht abnehmen.Das bleibt ihnen im Einzelfall vor Ort überlassen. Die Entscheidung ist sehr schwierig, und deswegen, denke ich, ist es richtig, dass wir die entsprechende gesetzliche Unterstützung gewähren.
Sie, Frau Kollegin Zeimetz-Lorz, haben eben Krokodilstränen geweint und die Opposition aufgefordert, Änderungsanträge zu stellen. Wir haben sogar einen eigenen Gesetzentwurf eingereicht. Warum sind Sie eigentlich nicht in der Lage, an dieser Stelle einen guten Gesetzentwurf der Opposition zu übernehmen? Was Sie machen, ist schon so etwas wie Chuzpe. Sie stellen sich hierher und sagen: Sie stellen keine Anträge. – Dann kommen Gesetz