Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgens.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren,ich darf um Aufmerksamkeit für Herrn Dr. Jürgens bitten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben uns gezwungen, das jetzt zu behandeln. Wenn wir es behandeln, dann aber auch in einem vernünftigen und ordnungsgemäßen Verfahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss schon die Gelegenheit nutzen, noch einmal auf zwei, drei Dinge hinzuweisen.

Frau Dörr, Sie haben mir vorgeworfen, dass ich die Änderungsanträge, die ihre Fraktion eingebracht hat, nicht an die Behindertenorganisationen weitergeleitet habe. Mit Verlaub, ich bin mit meinen Aufgaben als Abgeordneter schon relativ ausgelastet. Ihre kann ich nicht auch noch übernehmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber selbstverständlich habe ich, seit mir diese Änderungsanträge bekannt waren, in allen Gesprächen, die ich dazu geführt habe, darauf jeweils auch hingewiesen. Beispielsweise wurde da gefragt: Was bringt uns denn der Austausch von „behinderte Menschen“ zu „Menschen mit Behinderungen“ real? Da musste ich natürlich sagen, real bringt das gar nichts, das ist nur ein Austausch von Worten – so, wie Sie im Schulgesetz den Begriff der Sonderschule durch „Förderschule“ ersetzt haben. Auch das ändert nichts an der Realität. Das ist ein Austausch von Worten, der nichts weiter bringt. Aber wie auch immer, selbstverständlich habe ich in allen Diskussionen diese Änderungsanträge auch erwähnt.

Frau Lautenschläger, ich habe mich wirklich geärgert, als Sie dem Bund vorgeworfen haben, er würde sich in gleicher Weise wie das Land darauf beschränken, nur für Bundesinstitutionen beispielsweise die Verwendung von Gebärdensprachdolmetschern zu verlangen. Das ist nun ein wirklich starkes Stück. Das ist eine derartige Verfälschung der Wahrheit, wie ich sie selten erlebt habe.

Sie wissen ganz genau, dass die Arbeitsgruppe des Bundesarbeitsministeriums,die den Gesetzentwurf damals erarbeitet hat, vorgeschlagen hatte, die Gleichstellungsregelungen nicht nur auf die Institutionen des Bundes zu erstrecken, sondern auch auf diejenigen Verwaltungsbereiche der Länder und der Gemeinden, die Bundesrecht umsetzen. Das hätte bedeutet, dass beispielsweise gegenüber den Sozialämtern – sie setzen das Bundessozialhilfegesetz um – die Gleichstellungsregelungen des Bundes schon seit dem Jahr 2002 gegolten hätten. Das war der Plan des Bundes. Aber die Länder haben das verhindert. Die Länder haben gesagt:Wir wollen das nicht.

Es ist wirklich ein starkes Stück – aber typisch –, dass Sie auf der einen Seite etwas verhindern, was der Bund machen wollte, es ihm aber vorwerfen und es selbst nicht tun. Das ist wirklich unglaublich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In vielen Fällen würden wir hier über diese Dinge gar nicht streiten, wenn Sie es zugelassen hätten, dass wir damals diese vernünftige Regelung im Bundesgesetz aufgenommen hätten.

Ein wichtiger Punkt bei der Frage der Berücksichtigung der Kommunen ist in dieser ganzen Diskussion das Konnexitätsprinzip. Natürlich kann man juristisch darüber streiten, ob das Konnexitätsprinzip Vorrang vor der Umsetzung von Grundrechten im Grundgesetz hat, oder ob – wie wir meinen – die Grundrechte ohne das Konnexitätsprinzip gelten. Frau Fuhrmann hat zu Recht vorhin gesagt, ob man seine Grundrechte hat, kann nicht davon abhängig sein,ob man zufällig in einer hessischen Kommune wohnt.

Ich will das jetzt gar nicht juristisch bewerten, möchte es aber gerne noch einmal politisch auf den Punkt bringen. Sie haben damals doch gar nicht die Auseinandersetzung mit den Kommunen darum gesucht, wie in diesem Fall eine vernünftige Regelung oder ein Abgleich der Grundrechte untereinander und des Konnexitätsprinzips ausse

hen kann. Sie haben doch sofort von sich aus die Segel gestrichen.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Nun stelle man sich einmal vor, das wäre in einem anderen grundrechtsrelevanten Bereich passiert. Die Kommunen würden sagen:Wir stellen gern noch Frauen ein, aber nur dann, wenn wir die zusätzlichen Belastungen für Schwangerschaften vom Land ersetzt bekommen. – Dann wäre doch ein Aufschrei der Empörung im Lande, und sogar diese Landesregierung – die alles andere als die Speerspitze der Bewegung für die Gleichberechtigung der Geschlechter ist – würde sagen, das geht so nicht, und würde mit den Kommunen in Streit gehen.

Aber das Behindertengleichstellungsrecht ist Ihnen eben nicht so wichtig, dass Sie die Auseinandersetzung mit den Kommunen suchen. Das ist der wesentliche Punkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Grundrecht der Behinderten ist Ihnen nicht so wichtig, dass Sie diese Auseinandersetzung suchen. Sie haben von vornherein klein beigegeben und gesagt, das Konnexitätsprinzip der Hessischen Verfassung geht vor das Grundgesetz. Das ist die politische Entscheidung, die Sie getroffen haben.Wir halten sie für falsch,und auch die behinderten Menschen in diesem Lande halten das für falsch.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Es gibt keine weitere Wortmeldung.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze. Wer diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, GRÜNE.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Klein auch!)

Gegenstimmen? – Meine Damen und Herren, das Präsidium sieht alles korrekt. Hier oben wird nicht nach der Partei geschaut, hier wird geholfen. – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von CDU und FDP abgelehnt.

Dann kommen wir zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze.

Dazu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.Den müssen wir zuerst abstimmen. Das ist Drucks. 16/3360. Wer diesem Änderungsantrag der GRÜNEN seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD-Fraktion, GRÜNEN-Fraktion. Gegenstimmen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Dann gibt es einen weiteren Änderungsantrag, der von Frau Kollegin Fuhrmann mündlich für die SPD-Fraktion eingebracht wurde, in § 3 Abs. 2 des Gesetzentwurfs der Landesregierung zweimal das Wort „können“ durch „sollen“ zu ersetzen: im ersten Satz und in der vierten Zeile von unten, so halb in der Mitte. – Weiß jeder, worum es geht?

(Zurufe: Ja!)

Ich bin davon überzeugt und lasse abstimmen. – Wer dem Änderungsantrag der Frau Kollegin Fuhrmann bzw. der SPD-Fraktion seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, GRÜNE.Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung für das Hessische Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze.Wer diesem Gesetzentwurf in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU-Fraktion, FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – SPD und GRÜNE. Damit ist dieser Gesetzentwurf mit Mehrheit beschlossen und zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Machen wir noch die Petitionen?

(Nicola Beer (FDP): Nein! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute ist erst Dienstag, Petitionen machen wir mittwochs!)

Also nein, auch gut, machen wir die Petitionen morgen Abend.

Dann sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Morgen früh um 9 Uhr geht es weiter. Ich bedanke mich bei Ihnen allen und wünsche eine interessante, angeregte Nacht. Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluss: 18.39 Uhr)