Deswegen, meine Damen und Herren, will ich noch einmal auf das zurückkommen, was ich am Anfang gesagt habe: Die Wirtschaft weiß, dass jeder konjunkturelle Aufschwung – und er wird kommen – Chancen bietet, Chancen für neue Ideen, neue Produkte und neue Unternehmen. Wer nach der Klärungsphase des Abschwungs und der Krise noch da ist,wird diese Chance auch nutzen.Jetzt werden die Investitionen beginnen, die sich auf lange Sicht auszahlen.
Auch die Wirtschaftspolitik soll und muss dieses Zeitfenster des konjunkturellen Aufschwungs nutzen – und das eben nicht um kurzfristiger Erfolge willen, sondern weil jetzt strukturelle Weichenstellungen und Veränderungen möglich sind, die sich langfristig auszahlen.
Meine Damen und Herren von der SPD,Sie fordern in Ihrem Antrag, die Industriepolitik zu aktivieren. Jetzt einmal unabhängig davon, ob ich glaube, dass es eine Industriepolitik alter Machart in Zukunft nicht mehr geben wird, oder ob ich es nicht glaube: Aber zu den Industriesparten, die Sie dort namentlich erwähnen, nämlich Chemie, Elektro, Maschinen- und Fahrzeugbau, könnte man andere hinzufügen. Die haben Sie komischerweise nicht aufgezählt, nämlich die gesamte Pharmaindustrie.
Ich darf einmal daran erinnern, dass der Ex-Ministerpräsident von Hessen,Hans Eichel,immer von Hessen als der „Apotheke Deutschlands“ gesprochen hat. Ich stimme ihm zu, dass von einer funktionierenden Industrie zahlreiche Arbeitsplätze in Dienstleistungsunternehmen abhängen. Viele Arbeitsplätze sind in der Vergangenheit auch verloren gegangen, weil die Firmen outgesourct haben. Wir müssen uns jedoch sehr genau überlegen, mit welcher Art von Industriepolitik wir in Zukunft reagieren wollen.
Da muss ich Sie einmal fragen:Trauen Sie sich wirklich zu, im Stile französischer Wirtschaftspolitiker in Fusionen zwischen Privatunternehmen, z. B. Aventis und Sanofi, einzugreifen? Sollte die deutsche Politik tatsächlich massiv auf die Besetzung von Führungspositionen Einfluss nehmen, wie es die französische Regierung jüngst bei EADS getan hat? Meine Damen und Herren, ich denke, hier wird klar:Wir in Deutschland haben eine andere Tradition in der Wirtschaftspolitik.
Wir GRÜNE sind der Meinung, dass wir in Zukunft ganz stark auf neue Technologien, z. B. im Rahmen der regenerativen Energien, setzen müssen,
weil wir davon überzeugt sind, dass sich von dort wesentlich mehr Arbeitsplätze schaffen lassen als in tradierten Industrieunternehmen.
Unsere Erfahrungen in der Vergangenheit haben doch auch gezeigt, dass der Staat nicht alles regeln kann und auch nicht alles regeln soll. Wir sollten uns viel mehr auf die Bereiche konzentrieren, in denen Politik tatsächlich gefragt ist und Antworten geben muss, z. B. die Verkehrspolitik. Da wissen wir ja, dass die Meinungen hier schwer auseinander gehen.Erlauben Sie mir nur einen Satz in der Frage – sonst darf das der bewährte Kollege Kaufmann tun –:Wir glauben nicht daran, dass der Frankfurter Flughafen ein Jobmotor oder ein Jobwunder ist.
Ganz ähnlich unterscheiden sich auch unsere Positionen in der Energiepolitik. Auch hier sind politische Auseinandersetzungen und politische Weichenstellungen unver
meidbar und unverzichtbar.Aber wir sagen auch – das hat unsere Bundestagsfraktion mit ihrem Wörlitzer Papier auch deutlich gemacht –: Es ist überfällig, jetzt endlich umzusteuern und unsere Abhängigkeit vom Öl aufzugeben.Was muss denn noch passieren, bis Sie es endlich begriffen haben?
Deswegen haben wir auch Konzepte vorgelegt. Im Verkehrsbereich sagen wir: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs schafft Arbeitsplätze im Fahrzeugbau, im Streckenbau und bei anderen Verkehrsgesellschaften.
Spitzenpositionen bei der Entwicklung Energie sparender und schadstoffarmer Fahrzeuge sichern Arbeitsplätze in der Automobilindustrie. Der Umbau unserer Energieversorger hin zu verantwortbaren Technologien – ich habe es eben schon erwähnt: Nahwärme, Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie – schafft Arbeitsplätze gerade auch in kleinen und mittleren Unternehmen.
Wir müssen diese Chancen, die da sind, auch endlich einmal ergreifen. Es nützt nichts, wenn der sehr geschätzte Herr Wirtschaftsminister in der Welt umherfährt und allen Leuten erklärt,wie toll unsere regenerativen Energien funktionieren und dass wir das technische Know-how auch exportieren, wenn man hier sagt: Aber eigentlich wollen wir das alles nicht.
Deswegen haben wir auch Fragen gestellt, die Sie uns immer noch nicht beantwortet haben. Erste Fragestellung: Wirtschaftsförderung. Zwar haben Sie sich, Herr Minister Rhiel, inzwischen dafür entschieden, die nicht-monetäre Wirtschaftsförderung in der Hessen-Agentur zu konzentrieren.
Ob und wie dieses Konzept greift,das sehen wir allerdings noch nicht. Ich vermute, dass Sie hier noch zahlreiche Fragestellungen zu beantworten haben werden, bis Sie uns endlich einmal ein umfassendes Konzept vorlegen.
Beispiel zwei: Sparkassen. Der in manchen Punkten durchaus diskussionswürdige Vorschlag der FDP zur Novellierung des Sparkassengesetzes ist längst wieder in Ihrer Schublade verschwunden. Auf den Regierungsvorschlag warten wir bis heute vergebens. Auch die Zukunft der Frankfurter Sparkasse bleibt weiter ungewiss.
Allerdings will ich hier gern einräumen, Herr Minister Rhiel, dass vor allem auch die Eigentümer der Fraspa gefordert sind, zukunftsfeste Entscheidungen zu treffen, also die Stadt Frankfurt und eben jene – ich sage es einmal vorsichtig – insgesamt schwierig einzuschätzende Polytechnische Gesellschaft.
Frage drei betrifft den ganzen Bereich „Finanzplatz Frankfurt“. Nach erster Durchsicht der Vorschläge, die Ministerpräsident Koch vor einer Woche in einem Paket für die Stärkung der Finanzmetropole unterbreitet hat,ergibt sich für mich folgendes Fazit: Dort, wo Sie konkret werden, versprechen Sie der Finanzbranche Steuerge
schenke. Zum Beispiel sollen Grundstücksübertragungen von einer Konzerntochter zu einer anderen grunderwerbsteuerbefreit werden. Zum Beispiel sollen ausländische Spitzenkräfte in der Finanzbranche nach Ihrem Willen „besonders attraktiv“, also weniger, besteuert werden. Dieser Vorschlag ist nicht neu, meine Damen und Herren, und würde letztlich auch das Einkommensteueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden vermindern.
Ich bin einmal gespannt,was Herr Finanzminister Weimar zu all diesen Vorschlägen zu sagen hat, der sich ja bemüht, immer wieder zu betonen, dass die Unternehmen sich nicht ausreichend an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beteiligen.
Daraus kann man mindestens und freundlich gesagt schließen, dass sich diese Regierung nicht die Mühe macht, ein abgestimmtes und einheitliches Regierungsprogramm zu verfolgen.Allerdings könnte man auch den Verdacht hegen, dass Sie verschiedene Wirtschaftsinteressen mit unterschiedlichen Versprechungen bedienen wollen.
Meine Damen und Herren, das ist alles bequem, das ist alles nachvollziehbar, ersetzt aber keine klare Wirtschaftspolitik.
Wir erwarten von Ihnen gar nicht, dass Sie hier eine große industriepolitische Gesamtkonzeption präsentieren. Ein solches Werk wäre quasi bei Fertigstellung schon überholt. Wir erwarten aber von Ihnen, dass Sie in jenen wirtschaftspolitischen Bereichen konzeptionell tätig werden, die überschaubar und beeinflussbar sind: Wirtschaftsförderung, Mittelstandsförderung, öffentliches Bankensystem und Finanzplatz Frankfurt.
Bitte wehren Sie sich doch nicht weiter mit einer solchen Vehemenz gegen jede Art des Exports von technischem Know-how für alles, wie ich eben schon gesagt habe, was im Ökologiebereich an neuen Technologien erforscht und entwickelt wurde. Wir wissen, dass hier für hessische Firmen ein Markt der Zukunft liegt. Viele Länder in Osteuropa, in Nordafrika, aber auch in Südamerika haben bereits bei uns angeklopft, weil sie sich durch diese neuen Technologien einen Fortschritt in Lebensqualität und Tourismus erhoffen.
Ich habe es gehört, Herr Präsident. – Es ist aber doch ein Aberwitz, dass wir in Deutschland diese Technologien entwickeln und andere damit ein Geschäft machen.
In jedem dieser Felder bleibt viel zu tun und kann auch aus hessischer Sicht viel getan werden. Das erwarten wir von Ihnen und keine billigen Schuldzuweisungen.– Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schönhut-Keil. – Ich darf für die Landesregierung Herrn Staatsminister Dr. Rhiel das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der hessischen Wirtschaft geht es weiter aufwärts. Landesregierung und Unternehmen arbeiten gemeinsam für mehr Wachstum und Wohlstand. Die hessischen Unternehmen sind erfolgreich, weil sie die positiven Standortvoraussetzungen nutzen, und wir als Landesregierung sorgen dafür, dass die Rahmenbedingungen weiterhin gut sind und sich positiv entwickeln.
Unsere Politik ist berechenbar, kalkulierbar. Das zahlt sich aus. Das Vertrauen der Unternehmen wächst. Hessen geht den Weg der Modernisierung und der Innovation.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das lässt sich eindeutig an Zahlen ablesen. Die Ergebnisse sind wie folgt. Mit einem Plus von 2,1 % im Wachstum hat Hessen im letzten Jahr eine Spitzenposition in Deutschland erreicht, gemeinsam mit Bayern und Sachsen.
0,4 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt ist eine wesentliche Leistung,die die hessischen Unternehmen erbracht haben. So weit zum letzten Jahr.
Schauen wir nach vorne, und hier lassen wir die Institute sprechen. Sowohl die Studien von Prognos, vom „Handelsblatt“ sowie von Ernst & Young attestieren diesem Bundesland: Hessen ist der Wirtschaftsstandort Nummer eins in Deutschland.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Schönhut-Keil, in der Tat kann dazu nationale, aber auch landesbezogene Wirtschaftspolitik einen Beitrag leisten. Wenn Sie sagen, nationale Wirtschaftspolitik könne wenig an der globalen Unternehmenswettbewerbssituation ändern, dann ist das schlicht die Unwahrheit. Ganz im Gegenteil, wir erleben sogar, dass die landesspezifischen Rahmenbedingungen, für die die jeweilige Landesregierung einen wesentlichen Anteil hat, sehr wohl Auswirkungen auf die Leistung der jeweiligen Wirtschaft haben.
Hessen ist auch einsame Spitze bei der Arbeitsproduktivität, und das mit großem Abstand in Deutschland. Mit rund 62.000 c Bruttoinlandsprodukt pro Mitarbeiter erreicht Hessen ein Spitzenergebnis, nämlich den Platz eins unter allen Flächenländern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die ökonomische Weisheit muss man nicht aus den Lehrbüchern nehmen. Wir alle wissen, dass das Wachstum zuerst kommt und dass dem Wachstum dann auch die Beschäftigung folgt.