Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

Die Verwaltungsverfahren selbst sollen reduziert und vereinfacht werden.

Wenn der Ministerpräsident beklagt, dass 800 Millionen Blatt Papier in Umlauf gekommen sind, und das Management, die Dokumentenverwaltung, dazu beitragen soll, dass das um 25 % reduziert wird, dann ist das zwar sehr schön; aber die zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren selbst sind damit keineswegs vereinfacht worden.Das, was wir mit unserem Antrag wollen, ist, dass wir darüber hinaus nachdenken, wie die Verfahren verkürzt werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen will ich ganz kurz noch einmal auf diesen Antrag eingehen. Wir wollen die Genehmigungserfordernisse auf ein Minimum beschränken. Das politische Postulat heißt, dass das Anzeigeverfahren Vorrang vor dem Genehmigungsverfahren haben soll.

Meine Damen und Herren, ich will jetzt nicht im Detail darauf eingehen. Manchmal wird dann sofort darauf hingewiesen, damit sei das rechtsstaatliche Verfahren nicht mehr gewährleistet. Das ist nicht der Fall. Wir können jetzt auf Erfahrungen hinweisen, beispielsweise bei der Novellierung der Hessischen Bauordnung. Ich weiß, dass das bestritten und umstritten war. Aber wenn wir heute feststellen, dass 13 % bei den Baugenehmigungen von der Genehmigungsfreiheit im beplanten Bereich Gebrauch gemacht haben, dann zeigt das, dass wir erstens eine Möglichkeit geliefert haben, die von den Bürgern akzeptiert wird, und zweitens damit keineswegs die Gefahr verbunden ist, dass tatsächlich weniger Sicherheit für den Genehmigungsinhaber besteht.

Natürlich wissen wir, dass mancher Antragsteller kritisch gegenüber dem Anzeigeverfahren eingestellt ist. Deswegen wollen wir auch hier auf Erfahrungen zurückgreifen.Es soll nämlich in geeigneten Fällen ein Wahlrecht auf Genehmigung oder die Anzeige eines Vorhabens ermöglicht werden.

Noch einmal, um das deutlich zu sagen: Es geht nicht nur um eine Effizienzsteigerung des Verwaltungshandelns an sich durch technische Neuerungen, durch EDV und Ähnliches mehr, sondern darum, die Verfahren selbst in ihrer Struktur zu verändern.

Meine Damen und Herren, durch die Verfahrensbeschleunigung – um auch auf dieses Beispiel aus der HBO noch einmal einzugehen; die Landesregierung hat ja darüber berichtet – sind die Gebühren für die Häuslebauer erheblich reduziert worden. Das heißt, das Ziel ist erreichbar, dass die Bürokratiekosten reduziert werden können.

Deswegen soll das Verfahren bei Genehmigungsanträgen zweistufig und weitestgehend automatisiert ausgestaltet werden. Zum einen geht es um die Prüfung der Vollständigkeit. Häufig ist es heute so, dass der eigentliche Genehmigungsprozess sehr lange hinausgezögert wird, weil immer wieder Nachforderungen gestellt werden, die Vollständigkeitsprüfung nicht abgeschlossen ist und daher der eigentliche Verwaltungsvorgang viel zu spät in die Entscheidungsphase hineingeht.

Aus dem Grunde wollen wir das hier mit Fristen regeln und eben auch das einführen, was wir in Teilbereichen schon praktiziert haben, nämlich von der so genannten Genehmigungsfiktion Gebrauch zu machen, dass, wenn die Unterlagen eingereicht sind und eine bestimmte Frist

der Prüfung abgelaufen ist, dann automatisch kraft Gesetzes die Genehmigung tatsächlich als erteilt gilt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich weiß, meine Damen und Herren, dass das nicht in allen Bereichen möglich ist. Eine solche Verfahrensweise wird sich auf die Verfahren konzentrieren, bei denen die zu bearbeitenden Sachverhalte relativ leicht überschaubar sind. Gleichwohl sollten wir dies verstärkt versuchen. Ich weiß, dass in umfassenden Planfeststellungsverfahren und in Genehmigungsverfahren ein solcher Weg nicht automatisch gangbar ist. Dort haben wir auch andere Beteiligungsmechanismen, die das ausschließen. Aber in einer Vielzahl von Fällen ist es möglich.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme so schnell wie möglich zum Schluss.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU)

Ich bitte um Nachsicht. Ich mache ein paar Kommata, dann ist es ein Satz.

Meine Damen und Herren, ich möchte auf meine Eingangsbemerkungen zurückkommen. Dem einen oder anderen mag es so vorkommen, als sei das Verwaltungskram oder nicht so wichtig. Die ökonomische Bedeutung, Verwaltungsverfahren effektiver zu gestalten, ist unglaublich. Ich behaupte:Wenn es uns gelänge, die Bürokratiekosten zu halbieren, hätte unsere Wirtschaft mehr Möglichkeiten, zu investieren, die Bürger hätten mehr Möglichkeiten, zu konsumieren, und wir bräuchten uns nicht darüber zu beklagen, dass wir lediglich ein Wirtschaftswachstum von 1,7 % haben.

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat Herr Abg. Haselbach für die CDU-Fraktion das Wort.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Die Regierung ist schon ganz geflüchtet!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion „Radikaler Bürokratieabbau“ hört sich zunächst einmal sehr gut an.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ist auch gut!)

Zum Zweiten wird in weiten Teilen die bisherige Arbeit der Landesregierung natürlich mit Einschränkungen – soweit die FDP beteiligt war, in besonderer Weise – gelobt.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Ja, so ist das!)

Zum Dritten wird unterschwellig festgestellt, dass, seitdem die FDP nicht mehr dabei sei, es wahrscheinlich wichtig sei, neue Initiativen zu ergreifen,

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Sehr richtig!)

weil man der CDU alleine wahrscheinlich doch nicht so sehr trauen könne.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP – Ruth Wag- ner (Darmstadt) (FDP): Richtig, so ist das Leben! – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Frau Kollegin Wagner, das Klatschen beeinflusst wahrscheinlich die Haltung der Union zu diesem Antrag überhaupt nicht.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das macht nichts! Ich klatsche trotzdem!)

Sie haben ja auch Recht.

(Heiterkeit bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,lassen Sie mich zunächst einmal zum Teil A dieses Antrags kommen, der in vier Punkten in überschwänglicher Art und Weise schildert und lobt, wie gut das alles bisher bei der CDU/FDPLandesregierung der letzten Wahlperiode gelaufen ist.

(Holger Bellino (CDU): Lobeshymne! – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das kannst du doch nur unterstützen, nicht wahr, Rudi?)

Meine Damen und Herren, wir haben den gesamten Vorschriftenbestand der Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften mit dem Ergebnis geprüft, dass 39 % der Verwaltungsvorschriften und 15 % der Rechtsverordnungen außer Kraft gesetzt worden sind. Der Vorschriftenbestand der Ministerien konnte insgesamt um mehr als 3.500 Vorschriften zurückgeführt werden. Eine solche flächendeckende Bestandsüberprüfung war damals bundesweit einmalig. Wir sind dafür – das will ich bei der Gelegenheit betonen – ganz allgemein aus dem Publikum und insbesondere von interessierten Verbänden wie dem Bund der Steuerzahler in hervorragender Weise beurteilt worden.

Wir haben darüber hinaus auch Selbstläufer im Sinne von Selbstverpflichtungen aufgenommen. So werden nach dem Kabinettsbeschluss vom Oktober 2001 alle Gesetze und Rechtsverordnungen grundsätzlich auf fünf Jahre befristet. Nach Ablauf dieser fünf Jahre ist erneut zu überprüfen – da ist die Beweislast umgekehrt –, ob sie in ihrer bisherigen Form und im bisherigen Umfang weiterhin notwendig sind und deshalb verlängert werden bzw., was wahrscheinlicher ist, korrigiert, angepasst oder, was das Optimum wäre, abgeschafft, außer Kraft gesetzt werden. Ich denke,dass wir auf diese Art und Weise viel für das getan haben, was unter der Firma Bürokratieabbau subsumiert wird.

Meine Damen und Herren, Punkt 3, die elektronische Steuererklärung, haben wir durchgesetzt, aber mit dem Bund. Ich denke, das sollte man sehr deutlich sagen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ehrlicherweise!)

Man sollte auch sagen, dass das Internetportal „Hessenrecht“,Punkt 4,eine ganz besondere Sache insofern ist,als es in sehr erfreulichem Maße angenommen worden ist.Im Onlineverfahren haben wir 65.000 Zugriffe monatlich auf Hessenrecht. Die Homepage des Landtags wird durchschnittlich 16.700-mal monatlich in Anspruch genommen. Sie sehen, das ist ein besonders interessanter Teil unserer Arbeit, der die Öffentlichkeit auch interessiert.

(Reinhard Kahl (SPD):Was ist denn mit E-Mails?)

Ich komme jetzt zu Teil B des Antrags: Was muss man alles tun, um diese Punkte noch zu verbessern? Herr Kollege Posch, ich muss Ihnen sagen, dass das, was die FDP vorschlägt, ein bisschen abenteuerlich ist. Ich will der Dis

kussion im Ausschuss natürlich nicht vorgreifen. Aber man muss sich einmal vorstellen, dass man erst in einem vermutlich sehr aufwendigen Verfahren feststellen müsste, was Bürokratie im Einzelfall kostet, z. B. ein Bauantrag, um den Betrag dann dem Unternehmen zu erstatten.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vom Prinzip her will ich Ihnen sagen, dass das überhaupt nicht praktikabel ist. Man kann wahrscheinlich aber auch zu einem anderen Ergebnis kommen. Viel wichtiger ist, dass das absolut systemwidrig ist. Stellen Sie sich vor, jeder Geldempfänger nach Hartz IV in dieser Republik würde seinen persönlichen Aufwand etwa in Zeitstunden aufrechnen und zusammen mit seinem Antrag auf Unterstützung die Rechnung von vielleicht 18,70 c einreichen.

Es gibt auch Leute, die eine sehr umfangreiche Steuererklärung haben. Für den Umfang sind oftmals sie selbst verantwortlich. Diesen Aufwand, den sie damit betreiben, würden sie dem Staat in Rechnung stellen, weil sie den Aufwand nicht hätten, wenn das ohne Genehmigung ginge.

Meine Damen und Herren von der FDP, es ist sehr zweifelhaft, dass es uns gelingen könnte, in irgendeiner Form einen solchen Anreiz zu schaffen, der Unternehmen anders als Bürger behandelt, und eine einigermaßen gerechte Abwicklung solcher Verfahren zu erreichen.

Herr Posch, ich sehe für die Beratung im Ausschuss nur sehr geringe Möglichkeiten, dass die Union diesem Vorschlag näher treten könnte. Es ist aus meiner Sicht nahezu ausgeschlossen. Ich will dem aber, wie gesagt, nicht vorgreifen.

Die heutige Regierungserklärung des Ministerpräsidenten hat in ausgezeichneter Weise deutlich gemacht, dass die CDU-Landesregierung und die sie tragende CDUFraktion sich in Bezug auf die Bekämpfung von Bürokratie und die Modernisierung dieses Landes von niemandem übertreffen lassen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich gebe zu, es mag für den einen oder anderen in der FDP – so war es wohl – enttäuschend gewesen sein, jetzt nicht mehr der Landesregierung anzugehören. Aber das war keine Entscheidung der CDU. Es war eine Entscheidung der FDP, dass sie ausgestiegen ist.