Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

Das Lob in Ihrer Antwort wegen der Landesmittel in den Jahren 1997 und 1998, Herr Rhiel, geht im Übrigen ausschließlich zugunsten von Herrn Klemm, der nämlich dafür gesorgt hat, dass mit originären Landesmitteln dieser Ansatz bereits vor der Bundesförderung aufgenommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Mit Blick auf die Uhrzeit werde ich mich hier zu den Punkten Baulandentwicklung, wohnungswirtschaftliche Grundsatzfragen, Rolle der Wohnungsgesellschaften einschließlich des Verkaufs der 5.000 Wohneinheiten bei der Nassauischen Heimstätte, wie mehrfach angekündigt, sowie Mietermitbestimmung nicht äußern. Das machen wir an anderer Stelle.

Nicht vorenthalten kann ich Ihnen allerdings abschließend noch ein Beispiel zum Thema Allgemeinplätze. Auf die Nachfrage nach dem Einfluss der wohnungspolitischen Strategie durch das Wohnraumförderungsgesetz erklärt die Große Anfrage – ich bitte wieder um Genehmigung für das Zitat –:

Dieses Bundesgesetz ist die rechtliche Grundlage für die soziale Wohnraumförderung in den Ländern, mithin auch in Hessen.

Der Erkenntniswert einer solchen Antwort lässt sich mathematisch nur noch als Grenzwertbetrachtung „Limes gegen null“ ausdrücken.

(Beifall des Abg. Michael Denzin (FDP))

Natürlich wollten wir nicht wissen, dass das Gesetz auch Grundlage für Hessen ist,sondern wie Sie mit dem Thema kommunale Wohnraumkonzepte umgehen. Aber Ihre Antwort war wieder null Komma null.

(Beifall bei der SPD)

Mit Blick auf die Zeit möchte ich mich nunmehr dem zweiten Teil der Aussprache zuwenden:der Förderung der Wohnungsgenossenschaften.An dieser Stelle kann ich Sie noch an einem weiteren Schmankerl aus der tiefgründigen Beantwortung einer Großen Anfrage teilhaben las

sen.Auf die Frage nach dem Beitrag der Wohnungsgenossenschaften in der Wohnungspolitik lautet die Antwort nach der Erläuterung, dass die Wohnungsgenossenschaften „eine weitere Eigentumsform zwischen Wohneigentum und Miete“ darstellen, wörtlich:

Daher können Wohnungsgenossenschaften heute einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Wohnraum und zur sozialen Stabilisierung von Nachbarschaften leisten.

So genau wollten wir das gar nicht wissen, Herr Rhiel,

(Heiterkeit des Abg. Michael Denzin (FDP) – Minister Dr.Alois Rhiel:Was ist daran falsch?)

sondern Sinn erfassendes Lesen hätte natürlich zu der Erkenntnis führen müssen, dass wir wissen wollten, wie Sie mit diesem Gesamtkomplex umgehen, welche politische Ausgestaltung Sie als Ministerium für richtig halten. Das alles ist nicht erfolgt.

Zunächst sind wir aber damit zufrieden, dass die Landesregierung wenigstens die grundsätzliche Bedeutung der Wohnungsgenossenschaften für die Wohnungspolitik teilt.

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie müssen zum Ende kommen.

Ja, Herr Präsident.

Daher bin ich zuversichtlich, dass Sie Ihren Auftrag aus Art. 44 der Hessischen Verfassung zur Förderung des Genossenschaftswesens wenigstens ernst nehmen und unsere Initiative fördern.

Damit komme ich zum letzten Satz. – Meine Damen und Herren, mit der Zustimmung zu unserem Antrag könnten wir in Hessen endlich wieder mit Lust über Inhalte und Perspektiven reden. Null-Komma-null-Antworten, wie in diesem Fall erneut, sind keine adäquate Antwort auf Große Anfragen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Milde, CDUFraktion.

Was die Qualität der Antwort auf die Große Anfrage angeht, muss ich sagen: Im Verhältnis zu der Qualität des Antrags zu den Wohnungsgenossenschaften ist die Qualität der Antwort auf die Große Anfrage wirklich grandios gut.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Minister Dr. Alois Rhiel: Es schallt besser zurück, als Sie hineingeru- fen haben!)

Das ist wirklich einer Opposition nicht angemessen. Ich muss Ihnen sagen: Es ist ja schön, dass Sie über Wohnungsgenossenschaften philosophieren.

(Zurufe von der SPD)

Das ist wirklich Klasse. Einmal abgesehen davon, dass ähnliche Sätze auch in unserem Regierungsprogramm und wahrscheinlich in jedem stehen, fordern Sie hier einen gesellschaftlichen Dialog.

(Gernot Grumbach (SPD): Mehr steht da eben nicht drin!)

Mehr steht in Ihrem Antrag nicht drin, genau. Sie fordern einen Dialog, und das soll dann am Ende auch noch alles in die Praxis umgesetzt werden, was aus dem Dialog herauskommt.

Reden wir doch am Anfang kurz einmal über das Thema Wohnungsgenossenschaften. Das ist in der Wohnungspolitik immer ein interessanter Ansatz gewesen. Ich sage ja: Das steht auch bei uns im Regierungsprogramm.

(Zuruf von der SPD: Ihr seid ja Genossen!)

Das haben wir deswegen aufgenommen, weil es sinnvoll ist. Wir wollten Wohnungsgenossenschaften unterstützen und haben sie auch immer unterstützt. Ich habe selbst vor Jahren schon an Gesprächen teilgenommen, als es um die Veräußerung von Wohnungsbaugesellschaften ging, ob dort einzelne Teile des Wohnungsbestandes in Wohnungsgenossenschaften umgewandelt werden. Am Ende ist es nicht zustande gekommen. Ich will auch sagen, warum: Dieses Instrument von Wohnungsgenossenschaften, so schön das in der Theorie klingt, ist in der Praxis verdammt unflexibel. Ihnen nützt das lebenslange Wohnrecht nicht sehr viel, wenn Sie dann Anteilseigner eines Objektes sind, das Sie wegen der Strukturen – ich weiß bei Genossenschaften, wovon ich rede – nicht mehr verändern können.

Nehmen wir einmal an, Sie haben ein Gebäude, das Sie nach 20 Jahren vollsanieren wollen, und Sie kriegen dann keine Mehrheit zusammen. Das Instrument kann in bestimmten Größenordnungen für bestimmte Leute interessant sein. Dort wird es auch gefördert, nicht anders als bei anderen Wohnungsbauinstrumenten auch. Aber dass es das Allheilmittel in der Wohnungsbauförderung ist, das kann man nun wirklich nicht sagen.

Deswegen bin ich auch der Meinung,dass man das nur bedingt zu einem Vorzeigeobjekt machen sollte. Dass man Genossenschaftsgedanken im Unterricht der Schulen fördern sollte, ist etwas anderes. Das geschieht im Übrigen. Wer aufmerksam am Sachkundeunterricht teilgenommen hat, sollte eigentlich etwas über Schulze-Delitzsch und Raiffeisen gehört haben.

(Minister Dr.Alois Rhiel: Richtig, wunderbar!)

Deswegen kann ich es auch nur unterstützen, dass wir darüber in den Schulen reden, was ja auch geschieht. Aber wenn das wirklich alles war, was Sie in Ihrem Antrag beantragt haben, dann, so muss ich sagen, ist Ihre Kritik an der Antwort der Landesregierung zum Wohnungsbau in Hessen echt eine Frechheit gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Denn, meine Damen und Herren, wir haben ja – Michael Denzin weiß, wovon ich rede, ein Teil der Abgeordneten hoffentlich auch noch – vor etwas mehr als zwei Jahren auch einmal eine Große Anfrage zum Wohnungsbau gestellt.Wir haben wirklich analytisch über 50 Fragen in die Strukturen hinein gestellt. Einen Teil wiederholen Sie hier.Insofern sind die Fragen nicht schlecht.Da kann man abfragen, wie sich das in zwei Jahren entwickelt hat.Aber

dass wir hier Antworten bekommen haben, die den Kern der hessischen Wohnungspolitik treffen, das kann man doch nicht bestreiten. Insofern möchte ich der Landesregierung ausdrückliches Lob für diese Arbeit aussprechen.

(Gernot Grumbach (SPD): Große Schale, kleiner Kern!)

Ich muss auch sagen, dass ich das Thema Wohnungsbau gar nicht geeignet finde für solch einen parteipolitischen Streit. Deswegen sollten wir es tatsächlich auf der analytischen Ebene belassen.

Der Wohnungsmarkt in Hessen hat sich wie überall in Deutschland vollkommen entspannt. Er hat sich in den letzten Jahren völlig verändert, und er hat sich deutlich entspannt. Natürlich müssen – und das wird auch getan – die demographischen Entwicklungen berücksichtigt werden. Ich rege übrigens einmal an, wenn nicht schon geschehen – ich sehe gerade den Vorsitzenden der Enquetekommission, Herrn Rolf Müller –, dass man sich in der Enquetekommission „Demographischer Wandel“ ganz speziell und sehr umfassend mit dem Thema des Wohnungsbaus beschäftigt. Denn logischerweise hat das große Auswirkungen auf den Bedarf.

Es lässt sich jetzt schon absehen, dass der Bedarf z. B. aus Nordhessen in Richtung Südhessen weggeht, dass man deswegen auch die Fördermittel bedarfsorientiert einsetzen muss. Das geschieht ja schon. Wir haben für die Gewährung von Fördermitteln so genannte Wohnraumversorgungskonzepte vorausgesetzt, die einmal mit Pilotprojekten erprobt wurden und die auch nicht zu eng gesehen werden sollten.

Aber sie sind immer eine Form der Voraussetzung. Ich will ein Beispiel nennen. Eine Kommune, die nicht sagen kann, welchen speziellen Bedarf sie hat, hat keinen Anspruch darauf, Fördermittel vom Land zu bekommen, Steuergelder zu bekommen. Es wird auch möglich sein, dass eine Kommune, egal welcher Größenordnung, nachweisen kann, welchen speziellen Bedarf sie hat. Es wird auch möglich sein, dass man sich nicht an der gesamten Wohnungssituation orientiert, sondern z. B. an der demographischen Entwicklung vor Ort, und auch Projekte fördert wie unsere Innenstadtinitiative. Deswegen bin ich ausgesprochen dankbar für die Antwort, die ich gestern auf meine mündliche Frage dazu bekommen habe. Denn darin steckt sehr viel mehr, als manche Menschen glauben.

Bisher sind wir davon ausgegangen, dass seniorengerechte Wohnungen, Altenwohnheime am Ortsrand sein müssen, damit die Menschen dort die Chance haben, am Waldrand oder im Wald spazieren zu gehen, dass sie den Freizeitgenuss dort erleben können. Wir haben zu wenig daran gedacht, dass es immer mehr Menschen gibt, die die innenstadtnahe Versorgung brauchen, die mitten im Leben sein wollen.Das kann durchaus ein Kriterium sein bei der Gewährung von Mitteln für den Wohnungsbau, obwohl in einer Region vielleicht ausreichend Wohnraum vorhanden ist.Trotzdem kann es sinnvoll sein, und es wird auch gemacht. Das macht diese Landesregierung.

Insofern möchte ich sagen, dass mit der Beauftragung des Instituts Wohnen und Umwelt zur Analyse des tatsächlichen Bedarfs der nächsten Jahre eine wichtige Arbeit geleistet wurde. Wenn Sie sagen, wir haben die Zahlen erst auf Nachfrage bekommen, dann rege ich an, dass wir bei der Behandlung des Themas im Ausschuss – der Antrag zu den Wohnungsgenossenschaften wird im Ausschuss behandelt – das Ergebnis der Studie,die das Institut Wohnen

und Umwelt erstellt hat, einbinden. Im Übrigen machen die eine hervorragende Arbeit. Herr Dr. Wullkopf ist heute leider nicht da. Aber es ist Klasse, wenn man einen solchen Berater hat. Ich glaube, das gilt parteiübergreifend für alle. Das hilft uns wirklich.

Ich möchte auch feststellen, dass es bei manchen Sozialdemokraten noch zu stark verankert ist – ohne eine Kritik daran knüpfen zu wollen –, dass der Staat immer helfen muss.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das habe ich nicht gesagt! Sie müssen zuhören!)

Bei einem so gesunkenen Bedarf kann der Staat nicht alles lösen. Er soll auch nicht alles lösen. Davon muss man sich manchmal lösen.Vieles wird im Privaten geregelt.Wir haben in Hessen Fertigstellungen fast in der Größenordnung des Bedarfs. Ob das immer an der Stelle ist, wo wir es brauchen, das ist gerade Teil dieser Wohnraumversorgungskonzepte.

Auf Dauer wird möglicherweise auch wieder mehr Geld gebraucht. Es ist keine Frage, dass wir die 90 Millionen c, die wir als Verstetigung für den sozialen Wohnungsbau in Hessen eingesetzt haben, brauchen und auch in Zukunft brauchen werden.Aber darüber muss nach Haushaltslage entschieden werden. Es müssen Prioritäten gesetzt werden.